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# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Romantisch rotzen
> Ein Partner, der sich zum Behufe der Krankenpflege Urlaub nimmt: So wird
> die Erkältung doch zum allerschönsten, was es geben kann.
Bild: Erkältet? – Ein großartiges Pairbonding-Erlebnis bahnt sich.
Zu den romantischsten Dinge, die man als Paar so tun kann, außer Liebe
machen, gehört krank sein. An einer einfachen Erkältung zeigt sich der
eigentliche Unterschied zwischen einer Zwischendurch-mal-schnell-Fickaffäre
mit der Schwester einer Bekannten und einer einigermaßen bruchsicheren,
fundierten Beziehung, in der man sein Gegenüber auch liebt, wenn es sehr am
Arsch ist, nächtelang durchrotzt und gerade das letzte Stückchen
Attraktivität in ein Taschentuch gehustet hat.
Mein Freund, Stefan, war erkältet. Das war erst mal blöd, denn wir wollten
in unser Haus aufs Land fahren und in der Sonne Birnen ernten und den
Herbst feiern. Aber dann wachte er eines Morgens auf und war ein
schniefendes Häufchen Elend. Wir fuhren also nicht weg, sondern blieben in
meiner Wohnung und ich pflegte ihn. Es tat mir im Herzen weh, wie scheiße
er aussah und wie klapperig-röchelnd sein Husten klang. Ich kochte ihm
Nudelsuppe, brachte ihm heißen Holundersaft und kannenweise Ingwertee ans
Bett, ich steckte ihn in die Badewanne, servierte ihm geschmierte Stullen
und zum Einschlafen spielte ich ihm polnische Volkslieder auf der Ukulele
vor. Mehr Liebe kann ich gar nicht.
Und tatsächlich wurde er nach vier Tagen wieder gesund und wir freuten uns
beide und hatten feierlichen Willkommen-zurück-im-Leben-Sex und ich war
stolz, dass ich mich nicht angesteckt hatte.
## Verteilte Rollen
Am nächsten Morgen wachte ich auf und mein Hals brannte, meine Nase lief
und mein Kopf dröhnte. Scheiße, verdammte! Angesteckt. War ja klar,
irgendwie. Das ganze Spiel noch mal, mit verteilten Rollen: Stefan nahm
sich ein paar Tage frei, obwohl er für dieses Jahr kaum noch Urlaub hat.
Er packte mich mit drei Decken, Bademantel, Schal und Mütze ins Bett und
sagte, ich sehe aus wie eine sehr dicke Raupe. Er machte mir jede halbe
Stunde einen Kamillentee mit Honig, kochte Grießbrei und fütterte mich mit
käsefädiger Fertigpizza und Mousse au Chocolat, und obwohl ich gar nichts
schmecken konnte, war es toll.
Er legte mir feuchte Umschläge auf die fiebrige Stirn, las mir einen
kompletten Roman vor und ging zum Kiosk, um mir die Zeit zu kaufen, obwohl
klar war, dass ich zu müde sein würde, um sie zu lesen beziehungsweise das
Kreuzworträtsel zu machen, was mir immer ein bisschen wichtiger ist. Er las
sie dann selbst, während ich schlief, und ließ das Rätsel für mich
unberührt.
Im Nachhinein war das eine der romantischsten Wochen meines bisherigen
Lebens. Zwischendurch heulte ich vor Kopfschmerzen und Schwäche, ich hasste
die Welt im Allgemeinen und meinen Körper im Besonderen und wollte nicht
mehr. Ich dachte, ich habe bestimmt eine Hirnhautentzündung und überlegte
zwischendurch, mir selbst die Mandeln rauszuoperieren. Trotzdem war es
wunderschön.
Am Ende hatten wir wieder Hallo-Gesundheit-Sex, in einem Bett, das
inzwischen mit Zwieback- und Kekskrümeln gepflastert war, sodass es am
Hintern ziemlich kratzte. Hinterher lagen wir noch eine Weile so rum und
ich war fast ein bisschen traurig, dass wir beide wieder gesund waren.
31 Oct 2012
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## TAGS
Erkältung
Pflege
Beziehung
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