# taz.de -- Kontrollen: Zweifel an der Polizeipraxis | |
> Verwaltungsgericht hegt Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der | |
> Polizei in Gefahrengebieten und lässt eine weitere Prüfung zu. | |
Bild: Kein unverhältnismäßig gravierender Eingriff in die Intimsphäre, urte… | |
Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes und die Ingewahrsamnahme der | |
Schanzenviertel-Bewohnerin und Aktivistin gegen Gentrifizierung, Claudia | |
Falke (49), in der Nacht zum 1. Mai 2011 war rechtswidrig. Das hat das | |
Verwaltungsgericht entschieden. Die Polizei hatte die „Schanze“ damals zum | |
Gefahrengebiet erklärt. Das Gericht hält das polizeiliche Instrument des | |
Gefahrengebiets zwar grundsätzlich nicht für verfassungswidrig, hat aber | |
entschieden, wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens die | |
Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) zuzulassen. | |
Das Urteil ist in vielen Punkten eine Klatsche für die Polizei. Zwar geht | |
die Kammer davon aus, dass die Maßnahme der verdachtsunabhängigen | |
Personenkontrollen im zentralen Areal zulässig sei, wenn es dort in den | |
Vorjahren immer wieder zu Krawallen gekommen ist. Denn es sei nicht | |
auszuschließen, dass es erneut zu Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ | |
komme. Das umfasst laut Gericht dann auch eine Inaugenscheinnahme von | |
Gepäckstücken. | |
Die Richter setzten sich bei der Vernehmung der Polizistin Johanna. L., die | |
Falkes Rucksack damals vor dem Aufenthaltsverbot kontrolliert hatte, aber | |
sehr intensiv damit auseinander, wo eine Inaugenscheinnahme endet und eine | |
Durchsuchung anfängt. Das Gericht kommt zum Schluss, dass das | |
Hineinleuchten mit einer Taschenlampe in den Rucksack wegen der Dunkelheit | |
und das Hineingreifen, um beispielsweise ein Tuch beiseite zu ziehen und zu | |
gucken, ob ein gefährlicher Gegenstand darunter liegt, zulässig ist. Dies | |
sei noch kein unverhältnismäßig gravierender Eingriff in die Intimsphäre, | |
urteilt die Kammer 5 von Kaj Niels Larsen. Unzulässig seien jedoch | |
Inaugenscheinnahmen von „Gegenständen, die sich unmittelbar am Körper | |
befinden“. | |
In den 60 Seiten Urteilsbegründung hat das Gericht die Zulässigkeit der | |
Ausdehnung des Gefahrengebiets – es galt für das gesamte Karolinen- und | |
Schanzenviertel, weite Teile von St. Pauli und Teile von Altona und | |
Eimsbüttel – in Zweifel gezogen. Ebenfalls für bedenklich hält das Gericht | |
die Praxis, mit massenhaft vorgedruckten Aufenthaltsverboten ohne | |
hinreichende Einzelfallprüfung zu operieren – damals wurden 389 | |
Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Eine klare Absage erteilt die Kammer der | |
Praxis, bei der Abfrage von Personalien Aufenthaltsverbote aufgrund von | |
Eintragungen in Polizeidateien wie „Straftäterin politisch motiviert links“ | |
auszusprechen. Denn die eingesetzten Polizisten könnten die Hintergründe | |
einer solchen Eintragung vor Ort nicht hinterfragen. | |
„Die generelle Frage der Zulässigkeit verdachtsunabhängiger Kontrollen in | |
sogenannten Gefahrengebieten wollen wir durch das Oberwaltungsgericht | |
weiter klären lassen“, kündigen Falkes Anwälte Carsten Gericke und Cornelia | |
Ganten-Lange an. Sie halten die Verwaltungsgerichts-Entscheidung für einen | |
„tollen Zwischenerfolg“, da das rechtswidrige Vorgehen der Polizei gegen | |
ihre Mandantin festgestellt worden sei. | |
Ob die Polizei ihrerseits Beschwerde einlegt, ist unklar. „Wir prüfen das | |
noch“, sagt Polizei-Justiziar Ulrich Ettemeyer. „Das muss dann mit der | |
Behördenleitung abgestimmt werden.“ | |
1 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |