# taz.de -- Asyl in Berlin: Kopfkissen exklusive | |
> 1.000 zusätzliche Plätze braucht Berlin allein in diesem Jahr für | |
> Flüchtlinge. Die Ausstattung von Notunterkünften steht in der Kritik. | |
Bild: Flüchtlinge in Berlin: hier beim Hungerstreik vor dem Brandenburger Tor. | |
Sechs schmuddelige Feldbetten stehen an den Wänden des kahlen Raums. Zu | |
jedem Bett gibt es zwei Decken. Kopfkissen sind nicht vorgesehen. | |
Willkommen in Berlin: Das Notaufnahmeheim für Asylbewerber im Ortsteil | |
Grünau im Bezirk Treptow-Köpenick ist der erste Ort, an dem rund 100 | |
Flüchtlinge in Berlin zu Hause sind. Acht solcher Notunterkünfte gibt es | |
derzeit in Berlin. Allein in diesem Jahr braucht Berlin nach Schätzungen | |
der Senatsverwaltung für Soziales 1.000 weitere Plätze für Neuankömmlinge. | |
Und im ersten Quartal 2013 wird nach vorläufigen Schätzungen eine | |
vergleichbare Zahl dazukommen. | |
Die Linksfraktion besuchte die Unterkunft in der vergangenen Woche. „So | |
haben wir das Haus vor gut einer Woche übernommen“, sagt Heimleiter Michael | |
Grunewald, ein engagierter Mittvierziger vom privaten Träger PeWoBe. „Und | |
so“, er öffnet die nächste Tür, „soll es einmal aussehen.“ In dem Zimm… | |
stehen zwei bezogene Betten. Matratzen und Kopfkissen gibt es | |
selbstverständlich dazu. Auch ein Tisch, Stühle und Schränke stehen in dem | |
noch renovierungsbedürftigen Zimmer. „Aufgabe unseres Trägers ist es, | |
mobile Duschen, Möbel, Bettzeug und alles, was die Bewohner sonst brauchen, | |
heranzuschaffen.“ Von heute auf morgen lässt sich aus einem ehemaligen | |
Polizeigebäude aber kein Wohnheim machen. | |
## Kritik an Kommunikation | |
Elke Breitenbach, Sozialpolitikerin der Linken, fordert, dass sich Berlin | |
der Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes | |
anschließt. „Dieses Sondergesetz für Flüchtlinge gehört abgeschafft.“ S… | |
und Heimträger hätten weniger Arbeit, wenn die Flüchtlinge Geld bekämen | |
statt Essen, wie es in Notaufnahmeheimen Praxis ist. „Und wir bräuchten | |
weniger Heime, wenn Flüchtlinge arbeiten dürften und sich damit Wohnungen | |
leisten könnten.“ Berlin fehle ein gesamtstädtisches Konzept, wie mit der | |
steigenden Zahl von Flüchtlingen umzugehen sei, sagt Breitenbach. „Der | |
Senat kommuniziert nicht mit den Bezirken und ignoriert deren Wissen und | |
deren Vorschläge.“ | |
So habe der Bezirk Treptow-Köpenick beispielsweise zwei Immobilien für | |
jeweils 50 bis 60 Bewohner vorgeschlagen, die sich schneller in | |
menschenwürdige und dauerhafte Asylbewerberheime verwandeln ließen als das | |
ehemalige Polizeigebäude in Grünau, das der Bezirk wegen der schlechten | |
Ausstattung eigentlich für ungeeignet hält. Dass der Senat trotz des | |
negativen Bezirksvotums das Gebäude in ein Asylbewerberheim verwandeln | |
wollte, habe Bürgermeister Oliver Igel (SPD) am Einzugstag per Mail | |
erfahren. Breitenbach: „Von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sind | |
Notunterkünfte mit weniger Standards gewollt statt normal ausgestattete | |
Asylunterkünfte.“ | |
Czajas Sprecherin Regina Kneiding weist die Vorwürfe zurück. „Uns fehlt | |
kein Konzept. Aber täglich müssen wir 50 bis 80 Neuankömmlinge | |
unterbringen, so viele wie seit Jahren nicht.“ Man suche nach dauerhaften | |
Asylbewerberunterkünften. „Aber ohne Notunterkünfte geht es derzeit nicht.�… | |
Anders als andere Bundesländer will Berlin keine Zelte für Asylbewerber | |
aufstellen und auch keine Turnhallen belegen. „Das ist eine große | |
Kraftanstrengung.“ | |
Heimleiter Michael Grunewald öffnet eine neue Tür. Hier soll ein | |
Spielzimmer für die 38 Kinder im Heim entstehen. „Die Kinder liegen mir | |
besonders am Herzen“, sagt er. Weil das Heim Notunterkunft ist und die | |
Bewohner nur kurze Zeit bleiben sollen, ist ein Schulbesuch der Kinder | |
nicht vorgesehen. Im Moment liegt hier viel Spielzeug durcheinander. | |
Puzzles, Ausmalhefte und Bausteine, die Grünauer Nachbarn gespendet haben. | |
„Heute Abend hole ich eine Eckcouch ab, ebenfalls eine Spende eines | |
Nachbarn“, sagt Grunewald. Die Spendenbereitschaft der Grünauer habe ihn | |
„geradezu überwältigt. Seit es vor gut einer Woche eine | |
Informationsveranstaltung in der Kirche gab, träfen täglich Spendenpakete | |
ein. Linken-Fraktionschef Udo Wolf zeigt sich beeindruckt von dem | |
zivilgesellschaftlichen Engagement. „Aber eigentlich wäre es Aufgabe des | |
Senats, die Leute zu versorgen.“ | |
4 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wilde Berliner Bezirke: "Wir sind nicht zuständig" | |
Norbert Schmidt, Sozialstadtrat von Steglitz-Zehlendorf, über dringend | |
benötigte Einrichtungen für Flüchtlinge. | |
Streit um Flüchtlinge: Bezirksfürsten unter Druck | |
Sozialsenator Mario Czaja fordert von den Bezirken mehr Unterkünfte für | |
Asylbewerber. Notfalls will er Gebäude beschlagnahmen. |