# taz.de -- Demonstration: Wieder Barrikaden-Tage | |
> 4.500 Menschen gegen "Mietenwahnsinn" und Wohnungsnot. Polizei räumt | |
> Hausbesetzung mit Großaufgebot | |
Bild: Bunter Protest: Demonstranten in Hamburg. | |
Die Wohnungsnot, Mietwucher sowie die Forderung nach Vergesellschaftung vor | |
leer stehenden Wohn- und Büroräumen standen am Samstag im Mittelpunkt | |
zahlreicher Aktivitäten: Unter dem Motto „Schlaflos in Hamburg – | |
Mietenwahnsinn stoppen“ zogen am Mittag rund 4.500 Menschen aus der | |
Innenstadt zur St. Pauli Hafenstraße, wo die Bewohner und Unterstützer der | |
ehemals besetzten Häuser Jubiläum feierten: Unter dem Motto „25 Jahre | |
Barrikadentage“ erinnerten sie an die Verteidigung des Areals. | |
Es wirkte fast, als wäre es ein Geschenk der nachfolgenden Generation, um | |
zu zeigen „Wir haben von Euch gelernt“: Gerade am Jahrestag des | |
Barrikadenbaus an der Hafenstraße vor 25 Jahren, der am Abend in Nostalgie | |
mit zwei brennenden Barrikaden ausklang, wurde mittags das Haus | |
Bleicherstraße 14 von einer zwölfköpfigen Gruppe besetzt. Parallel zur | |
Mieterdemo waren die Aktivisten in das Haus eingedrungen und hatten | |
Transparente mit „Friede den Hütten“ und „No Pasaran“ angebracht. | |
Die alte Hufschmiede, die zuletzt als Wohn- und Sozialraum vom benachbarten | |
Edeka-Markt genutzt wurde, war vor zweieinhalb Jahren von der Finanzbehörde | |
an die Außen-Alster WPB-Holding verkauft worden. Prokurist der WPB ist der | |
zurückgetretene Chef des Bezirksamts-Mitte, Markus Schreiber (SPD), der | |
2011 heftige Proteste auslöste, als er Obdachlose unter der | |
Kersten-Miles-Bücke an den Landungsbrücken mit einem 20.000 Euro teuren | |
Zaun vertreiben wollte. | |
Die WPB hat im Sanierungsbeirat ein Konzept vorgelegt, das Gebäude im | |
Hinterhof zu sanieren und aufzustocken, was wegen der Verdunkelung zur | |
Verminderung der Wohnqualität in den vorderen Wohnhäusern führen würde. Die | |
Besetzer wollen hingegen den Erhalt des historischen Gebäudes | |
„proletarischer Hufschmiede-Kunst“ ohne bauliche Veränderungen und fordern, | |
das Haus einer sozial-politisch-kulturellen Nutzung in Selbstverwaltung | |
zuzuführen. | |
Die Polizei war mit einem Großaufgebot von mehreren Hundert Beamten schnell | |
vor Ort. Beim Abdrängen der 500 Unterstützer kam es zu unschönen Szenen. | |
Beamte aus der zweiten Reihe der Polizeikette schossen blind mit | |
Pfefferspray in die Menge der Unterstützer, wobei sie auch ihre eigenen | |
Kollegen trafen und verletzten. Aber auch der Linken-Bundestagsabgeordnete | |
Jan van Aken, der zufällig mit seinen beiden Kindern vorbeigekommen war, | |
bekam eine volle Ladung ins Gesicht. Aufgebracht meldete er eine Kundgebung | |
an, was für alle zu einer Verschnaufpause führte. | |
Einsatzleiter Stefan Schneider hatte Probleme, die Besitzverhältnisse zu | |
klären, um dann vom Eigentümer einen Strafantrag als Grundlage für eine | |
Räumung zu bekommen. Gegen 19 Uhr stürmte dann doch eine Festnahmeeinheit | |
über den Hintereingang der Wohlwillstraße das Haus, in dem sie die | |
Terrassentür einschlugen und Türen aufbrachen. Zwölf Besetzer wurden | |
festgenommen. „Das war eine bewusste und politische Entscheidung, bis zum | |
Schluss in den Häusern zu bleiben“, sagte eine Aktivistin. | |
Zuvor war die Mieterdemo an der Hafenstraße zu Ende gegangen. „Der Kampf um | |
die Hafenstraße zeigt, dass sich Widerstand lohnt“, sagte ein Redner. Damit | |
endlich Schluss sei mit dem Mietenwahnsinn, „brauchen wir eine gesetzlich | |
festgelegte Mietobergrenze bei allen Neuvermietungen, die weit unter dem | |
aktuellen Mietendurchschnitt in Hamburg liegt“, sagte Maarten Thiele vom | |
Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“. „Wohnraum ist keine Ware“, bekräfti… | |
Thiele. „Leerstand darf sich nicht mehr länger lohnen. Wir fordern die | |
Entkriminalisierung von Besetzungen.“ | |
11 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
Annika Stenzel | |
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