# taz.de -- Ausstellung "Mensch, Fisch": Das Tier hat keine Chance | |
> Das oldenburgische Landesmuseum zeichnet ein trübes, weil realistisches | |
> Bild der Beziehung zwischen Mensch und Fisch. | |
Bild: Monster aus Müll: Fisch "Mimi" von Sonia Schadwinkel und Oldenburger Sch… | |
OLDENBURG taz | Den ersten Fisch bekommen Besucher der neuen Ausstellung | |
des Oldenburger „Landesmuseums Natur und Mensch“ bereits draußen an der | |
Straße zu sehen: „Mimi“, eine sechs Meter lange fischförmige Skulptur, die | |
komplett aus Meeresmüll besteht, der an der Nordsee-Insel Mellum angelandet | |
war. In der zugehörigen Sonderausstellung mit dem Titel „Mensch, Fisch!“ | |
geht es dann zwar nicht nur um die Bedrohung der maritimen Welt. Aber sie | |
ist dort stets präsent. | |
Der Name der erwähnten Fisch-Installation, die die Bremer Künstlerin Sonia | |
Schadwinkel gemeinsam mit Oldenburger Schülern errichtet hat, leitet sich | |
von „Mimese“ ab. Das ist die Fähigkeit bestimmter Tierarten, sich optisch | |
an ihre Umgebung anzupassen. In diesem Fall besteht der Fisch also aus | |
zerrissenen Netzen, Seilen und Schwimmern, womit gleich zwei Hauptprobleme | |
des Fisch-Daseins angedeutet sind. Denn zum einen haben sie unter | |
ausuferndem Fischfang zu leiden. Andererseits unter der menschengemachten | |
Verschmutzung ihres Lebensraums. Sich an diese massiven Eingriffe | |
anzupassen, fehlt den Meeresbewohnern aber schlicht die Zeit. Denn der | |
Mensch gesteht sie ihnen nicht zu. | |
Und das, obwohl das Verhältnis zwischen Mensch und Fisch eigentlich ein | |
sehr enges, geradezu emotionales ist, sagt Museumsdirektor Peter-René | |
Becker. Jedenfalls hier im Norden. Man könnte hinzufügen, dass es auch ein | |
reichlich gestörtes zu sein scheint. Zum Fisch des Jahres wurde zum | |
Beispiel 2012 mit dem Neunauge ausgerechnet ein Nicht-Fisch gewählt. | |
Dabei sind Fische beliebte Heimtiere und ein noch beliebteres | |
Nahrungsmittel. Kaum jemand sieht allerdings einen Widerspruch darin, ein | |
Aquarium im Wohnzimmer und eine Packung Fischstäbchen in der Tiefkühltruhe | |
zu haben. 15,6 Kilogramm Fisch verzehrt jeder Deutsche pro Jahr. Der | |
weltweite Durchschnitt liegt sogar bei 19 Kilogramm. | |
## Fisch als Glückssymbol | |
Dass Fische in den Mythologien vieler Völker durchweg positiv besetzt sind, | |
dass sie für Fruchtbarkeit, Glück oder Reichtum stehen, sich das | |
Christentum den Fisch gar zum Symbol gewählt hat, hilft ihnen dabei wenig. | |
Der putzige Zebrafisch zum Beispiel ist nicht nur ein beliebter Zierfisch, | |
sondern hat zugleich das Pech, als geeigneter Modellorganismus zu gelten, | |
an dem alles Mögliche erforscht werden kann – vom Krebs bis hin zum | |
Zappelphilipp-Syndrom. Und Thunfische und Makrelen sind derart beliebte | |
Speisefische, dass sich ihre Bestandszahlen im freien Fall befinden – allen | |
Fangquoten und Nachhaltigkeitssiegeln zum Trotz. | |
Dass zudem nicht nur im Pazifik, sondern auch im Atlantik eine Hunderte | |
Kilometer große Müllinsel ihre Kreise zieht, mag der spektakulärste Beweis | |
für die Verschmutzung der Meere sein; mindestens ebenso gefährlich sei | |
allerdings die „schleichende Vergiftung“, sagt Becker. Schleichend, weil | |
sie nicht so offen sichtbar ist wie die Missbildungen zu Zeiten der | |
Dünnsäureverklappung Anfang der 1980er Jahre. So würden Dorsche heute viel | |
früher geschlechtsreif, sagt der Fachmann.Von anderen Fischarten sei | |
bekannt, dass es fast nur noch weibliche Tiere gebe. Auslöser sind vom | |
Menschen in die Toilette entsorgte Hormonpräparate. | |
Sogar die Lichtverschmutzung der Ballungszentren, vermeintlich nur | |
ärgerlich für Hobby-Astronomen, macht den Fischen zu schaffen: Sie | |
beeinflusst unter anderem das Verhalten von Insekten und kann damit den | |
ganzen Nahrungszyklus durcheinander bringen. Hinzu kommen Klimawandel, | |
Beifangproblematik, Meereslärm: Der Mensch mutet dem Fisch inzwischen eine | |
Menge zu. | |
Auch dafür wolle man den Besucher der Schau „Mensch, Fisch“ | |
sensibilisieren, sagt Becker. Allerdings tue man das nicht mit erhobenem | |
Zeigefinger, denn man wolle ja niemanden dazu bringen, ad hoc keinen Fisch | |
mehr zu essen. Vielleicht aber dazu, das eigene Verhalten zu überdenken. | |
## Wechselnde Perspektiven | |
Trotzdem geht es in der Oldenburger Ausstellung auch um andere Aspekte als | |
die Umweltproblematik. Wie in diesem Landesmuseum üblich, wird das | |
Ausstellungsthema interdisziplinär und aus verschiedenen Blickwinkeln | |
betrachtet. Da gibt es die biologische und die wirtschaftliche Perspektive, | |
den sportlichen, den wissenschaftlichen, sogar einen archäologischen und | |
den kulturellen Blick. Da gibt es hier ein Fisch-Gemälde, dort einen | |
Fisch-Schmuckanhänger. In einem Becken schwimmen die allseits beliebten | |
Kois, im anderen lustige Schützenfische, die sich ihr Futter per gezielter | |
Spuckattacke von Blättern der Uferpflanzen herunterschießen. | |
Außerdem gibt es die unvermeidlichen präparierten Tiere: Auf der einen | |
Seite des Raums liegt ein Quastenflosser, auf der anderen ein Stör, der | |
zusätzlich auf einer Bildschirmwand seine virtuellen Runden dreht. Während | |
ersterer bis zu einer Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert als ausgestorben | |
galt, ist letzterer aus Nord und Ostsee bereits tatsächlich verschwunden. | |
Es laufen allerdings Projekte, mit denen neue Bestände angesiedelt werden | |
sollen – der Mensch versucht gewissermaßen, die kaputte Beziehung wieder zu | |
kitten. Zumindest in diesem einen Punkt. | |
12 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
## TAGS | |
Ostsee | |
Fischerei | |
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