# taz.de -- Kommentar Ökostrom: Kein moralisches Ruhekissen | |
> Die Ökostromanbieter sind noch immer die bessere Wahl. Ob sie die | |
> moralische Marktführung halten, hängt ganz alleine von ihnen ab. | |
Das war ja klar: Auch die saubersten Ökostromer sind Heuchler und haben | |
ihre Leichen im Keller. Das zu glauben wäre allerdings genau die falsche | |
Reaktion auf die taz-Recherchen. Denn Lichtblick, Greenpeace Energy und | |
Naturstrom – drei der von Umweltverbänden fast uneingeschränkt empfohlenen | |
Ökostromanbieter – liefern nach wie vor 100 Prozent erneuerbare Energien. | |
Das Problem ist einer ihrer Zulieferer: Die österreichische Verbund AG | |
investiert in großem Stil in Braunkohle in der Türkei. | |
Will man als Ökostromanbieter glaubhaft bleiben, darf man mit einem solchen | |
Unternehmen keine Verträge abschließen. Vor allem nicht, wenn man als | |
Geschäftsmodell auf moralische Marktführerschaft setzt. Die genannten | |
Anbieter sind mit dem Versprechen groß geworden, keinerlei | |
Geschäftsbeziehungen mit einem Atomkonzern einzugehen, was bis heute | |
funktioniert hat – im Rahmen der Möglichkeiten in einer Energiewirtschaft, | |
in der ein unübersichtlicher Dschungel an Querbeteiligungen herrscht. | |
Nun leben wir nicht mehr im Jahr 1995. Mittlerweile investieren auch die | |
Atomdinos kräftig in erneuerbare Energien. Nicht für ein positives Karma | |
oder ein gutes Gewissen, sondern weil die Rendite stimmt. Ob ein | |
Unternehmen auch aus ethischen Gesichtspunkten handelt, zeigt sich nicht | |
mehr darin, ob und wie viel es in erneuerbare Energien investiert, sondern | |
darin, in was es nicht investiert. Selbst wenn in der Türkei, Brasilien, | |
Indien, Russland oder sonst wo die große Kohle winkt, ohne all die lästigen | |
Umweltauflagen innerhalb der EU. | |
Das zeigt: Auch heute noch macht es einen Unterschied, ob man seinen Strom | |
von einer Eon-, Vattenfall, EnBW oder RWE-Ausgründung bezieht – auch wenn | |
deren Strom aus erneuerbaren Energien kommt – oder von einem | |
Ökostromanbieter, der, soweit es eben geht, mit denen nichts zu tun haben | |
will. Insofern ist es richtig, dass die Umweltschutzverbände ihre | |
Empfehlungen für Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom nicht | |
zurücknehmen, sondern ihnen Zeit geben, ihre Geschäftsbeziehung zur Verbund | |
AG abzubrechen. Es reicht aber längst nicht mehr aus, als echter | |
Ökostromanbieter keine Beziehungen zu Atomkonzernen zu unterhalten. | |
Jeder Lieferant muss genau unter die Lupe genommen werden. Bisher winken | |
Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom nur müde ab – eine ignorante | |
Reaktion, mit der sie nicht durchkommen werden. | |
15 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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