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# taz.de -- Kundenübernahme: Krieg der Stromrebellen
> Streit zwischen der Energiegenossenschaft Nordwest und der Firstcon GmbH:
> Die einen sehen sich als Retter, die anderen sprechen von "unfreiwilliger
> Übernahme".
Bild: Dem Fön ists einerlei, solange der Strom fließt. Nur: Wer kriegt dafür…
BREMEN taz | Die Kunden der Energiegenossenschaft Nordwest (EGNW) sind
verunsichert. Ein Teil der Kunden der Firstcon GmbH auch. Denn: Sie wissen
nicht mehr, von welchem der beiden Unternehmen sie den Strom beziehen. Ein
Kooperationsvertrag zwischen den beiden Unternehmen wurde am 10. Dezember
vom Landgericht Hannover für nicht rechtskräftig erklärt. Der aktuelle
Vorstand der ENGW schreibt in einem Weihnacht-Rundbrief von einer
„unfreiwilligen Übernahme“ ihrer Kunden und warnt vor möglichen
Doppelzahlungen an das feindliche Unternehmen. Was war passiert?
Im Juni hatte der alte Vorstand der Energiegenossenschaft mit Firstcon
einen Vertrag geschlossen, um die Belieferung der Mitglieder mit Strom und
Gas abzusichern. Bis dato nämlich waren beide Unternehmen eher
freundschaftlich verbunden : Sie, das sind die EGNW, 2006 mit 200 Genossen
in Delmenhorst gestartet, um „transparent“ und „konzernunabhängig“ den
Großen die Stirn zu bieten und mittlerweile auf bis zu 3.000 Mitglieder
gewachsen. Und Firstcon, ein Familienunternehmen aus Lüneburg, das
„ökologisch, nachhaltig und fair“ sein will, mit einem Kundenstamm im
„unteren fünfstelligen Bereich“.
Genossen der ENGW erhielten im Juli einen Brief, in dem Firstcon sich als
neuer Stromlieferant vorstellte und die Kunden aufforderte, Zahlungen
künftig an die Firstcon zu richten. Eigentlich aber sollte die ENGW
weiterhin als Vertragspartner auftreten, die Firstcon nur für die
Stromlieferung einspringen. Dafür hatten sie vom alten Vorstand die
Kundendaten erhalten, allerdings alles ohne Zustimmung des Aufsichtsrates
der Genossenschaft, die es laut Gericht dafür gebraucht hätte.
An den Verhandlungen beteiligt war Joachim Kreye – in einer Doppelfunktion.
Er war bis zum Sommer Aufsichtratsvorsitzender der ENGW und gleichzeitig
Alleingesellschafter der Firstcon. „Der Vertrag wäre niemals nötig
gewesen“, sagt die aktuelle ENGW-Vorsitzender Susanne Hoinkis. „Wir hatten
ja das Ziel, den Strom eigenständig einzukaufen und umzusetzen und wollten
weg von einem Modell, bei dem wir nur Provision erhalten.“ So aber will es
der Kooperationsvertrag. „Kreye hätte wissen müssen, dass der Aufsichtsrat
hätte zustimmen müssen.“
Mittlerweile sei Anzeige erstattet worden, bezüglich der Weitergabe der
Kundendaten habe man sich an den Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten
gewandt. Seit Juli habe ENGW keine Einnahmen mehr. Etwa 1.000 Mitglieder
seien gegangen. „Wir sind über Jahre geschädigt“, sagt Hoinkis.
Dass erst die Funktion seines Vaters die Geschäfte mit der ENGW
ermöglichte, sagt auch Firstcon-Geschäftsführer Jannik Kreye. Allerdings
sieht er sich als Retter. Die ENGW habe versucht, nach einem ungünstigen
Einstieg ins Gasgeschäft im Winter 2011 Insolvenz anzumelden, die wurde
abgelehnt. Danach aber wollte kein Stromproduzent mehr das Risiko mit der
ENGW eingehen.
Die Firstcon schon: „Solange mein Vater noch im Aufsichtsrat der ENGW war,
mit Einblick in die Finanzen, solange konnte ich verantworten, dass
Firstcon ohne Sicherheiten liefert“, so Kreye. Die Alternative aus seiner
Sicht: „Alle Kunden wären in die Ersatzversorgung der Stadtwerke gefallen
und die ENGW ohne alles gewesen.“
Zumindest mündlich sei besprochen worden, dass nach einer Erholungsphase
von zwei, drei Jahren die Kunden wieder zurückgegeben worden wären, so
Jannik Kreye.
21 Dec 2012
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Sozialer Brennpunkt
Stadtwerk
Kohlekraft
Ökostrom
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