# taz.de -- Ausstellung in der Justizvollzugsanstalt Vechta: Menschen hinter Ma… | |
> Die inhaftierten Frauen der Justizvollzugsanstalt Vechta haben sich mit | |
> Hilfe eines Selbstauslösers selbst porträtiert. Das Ziel: Eine | |
> Momentaufnahme, die ihren aktuellen Gemütszustand ausdrückt. Zu sehen | |
> sind die Bilder in der JVA-Ausstellung "Ansehen". | |
Bild: Inszeniert und trotzdem ehrlich: Die Selbstporträts zweier Frauen, die i… | |
VECHTA taz | Den Spiegel vermissen alle. Und ein Gegenüber, das sagt: „mach | |
dies, zeig dich so, lach doch mal.“ „Aber ein Feedback fällt bei den | |
Selbstporträts weg, weil es auf den inneren Ausdruck ankommt, auf ein Stück | |
des Selbst“, sagt Sabine Felber, Soziologin und Fotografin aus Berlin. | |
Felber hat in der Justizvollzugsanstalt (JVA) für Frauen Vechta einen | |
Workshop mit den Inhaftierten gemacht. Die Frauen sollten sich selbst | |
fotografieren und so eine Momentaufnahme schaffen, die ihre aktuelle | |
Situation zeigt. Felber hat dafür in langen Gesprächen einen emotionalen | |
Zugang zu den Frauen gesucht. Zu sehen sind die Fotografien derzeit in der | |
JVA für Frauen Vechta. Die Ausstellung heißt „Ansehen“ und gehört zur | |
Veranstaltungsreihe „ART i.G. – Kunst im Gefängnis“, in der Arbeiten | |
externer Künstler und auch immer wieder Werke von inhaftierten Frauen | |
gezeigt werden. | |
Für die Selbstporträts baut Dozentin Felber einen schwarzen Hintergrund und | |
eine Lichtquelle auf. Dann macht sie lange Einzelgespräche mit den Frauen. | |
Fokussieren sollen die sich darauf, wie der Vortag war und wie sie sich | |
heute fühlen. Zwei Wörter, die ihre Emotionen zusammenfassen. „Einige | |
erzählten von Stress, dass sie einsam sind oder eben auch fröhlich“, sagt | |
Felber. | |
Mit den beiden Worten sollen die Inhaftierten arbeiten und sich aus sich | |
heraus darstellen. Dann drückt Felber ihnen den Selbstauslöser in die Hand | |
und verlässt den Raum. „Das ist nicht angenehm“, sagt sie. Die meisten | |
Menschen würden sich zunächst verlassen fühlen. | |
So ergeht es auch den Inhaftierten, die lieber möchten, dass sie im Raum | |
bleibt. Aber Felber geht. „Ich würde den Prozess nur stören“, sagt sie. | |
Dann sind die Frauen allein, ohne Spiegel und ohne Kontrolle darüber, wie | |
sie auf den Fotografien aussehen. Etwa 30 Fotos machen sie im Schnitt von | |
sich. Hinterher werden sie an der Auswahl der Selbstporträts beteiligt. | |
Jeweils zwei Fotografien pro Frau werden in der Ausstellung gezeigt. Zu | |
sehen sind 32 Fotografien von 16 Frauen. | |
In den meisten Fällen zeigen die Gefangenen wenig Unsicherheit und | |
inszenieren sich richtiggehend: Eine Frau räkelt sich genüsslich auf dem | |
Boden. Aus dem Ausschnitt blitzt ein roter BH. Eine andere streckt die Arme | |
in die Kamera. Der Selbstauslöser wirkt wie ein Zauberstab. Die Pose ist | |
machtvoll und gleichzeitig ein Hilferuf. Wieder andere werfen einen | |
Kussmund, zeigen sich in Tanzpose, präsentieren lange, muskulöse Beine, | |
sitzen grüblerisch auf einem Stuhl, verhüllen sich oder brüllen in die | |
Kamera. | |
Durch die Nähe und den persönlichen Blickwinkel wirken die Fotos ehrlich | |
und intuitiv. Bei einigen blickt man auf eine Maske, einen Schutz, bei | |
anderen in eine verletzte Seele. An manchen Gesichtern lässt sich ein | |
steiniger Lebensweg ablesen: Sie sind blass, haben Augenschatten oder | |
Narben. Die Augen blicken misstrauisch und wollen nicht zu viel zeigen. | |
„Ich will mich trotz Traurigkeit und Stress hier im Gefängnis nicht | |
unterkriegen lassen“, sagt eine der Inhaftierten über ihr Foto. | |
Beim Betrachter wirken die Selbstporträts über die Fotografie hinaus: | |
„Manchmal hat vielleicht nicht viel gefehlt, dass man selber auf der | |
schiefen Bahn gelandet wäre“, sagt eine Besucherin. „Und wie hätte ich mi… | |
dann vor der Kamera gezeigt?“ | |
Für Sabine Felber ist die Ausstellung in Vechta ein Ansporn, mit weiteren | |
Häftlingen Selbstporträts zu machen. „Autobiografische Fotografie im | |
Gefängnis interessiert mich besonders, weil ich selten aus erster Hand | |
etwas über Menschen im Gefängnis erfahre“, sagt sie. | |
In dem Gefängnis gibt es 148 Haftplätze, darunter auch den | |
Mutter-Kind-Vollzug. Mehrmals im Jahr können die Inhaftierten an | |
unterschiedlichen Workshops teilnehmen. „Angeboten werden sie für alle | |
Frauen“, sagt die stellvertretende Anstaltsleiterin Petra Huckemeyer. | |
Ausnahmen gibt es nur in wenigen Fällen, etwa bei Inhaftierten in U-Haft, | |
auf richterliche Anweisung oder bei einer Sicherheitsverfügung. Die | |
Workshops finden auf freiwilliger Basis statt. | |
Dabei sollen die Workshops für die Inhaftierten „auf keinen Fall eine Art | |
Beschäftigungstherapie sein“, so Huckemeyer. In Vechta gehe es vielmehr | |
darum, das Leben in Haft dem Leben draußen weitestgehend anzupassen. Und | |
Kunst sei ein Schlüssel, ein Zugang, um mit den Gefangenen zu arbeiten. | |
„Viele Frauen, die zu uns kommen, haben ein geringes Selbstwertgefühl, sind | |
nicht in der Lage, Lob anzunehmen, und wissen nicht, was in ihnen steckt“, | |
so Huckemeyer. | |
In den Workshops können sie Erfolgserlebnisse haben. „Das hat dann schon | |
ein therapeutisches Moment“, sagt die stellvertretende Anstaltsleiterin. | |
Sie hofft, dass durch diese Arbeit und die Möglichkeit, etwas Schönes zu | |
schaffen, „das ein oder andere bei unseren Frauen hängen bleibt“. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Marie-Chantal Tajdel | |
## TAGS | |
Vechta | |
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