| # taz.de -- S-Bahn: Global Player wollen sich Ring anstecken | |
| > Lahm, aber sexy: Verkehrsbetriebe aus Europa und China interessieren sich | |
| > für den Betrieb des S-Bahnrings ab 2017. Wer sich bewirbt, ist unklar: | |
| > Hohen Kosten stehen geringe Gewinnmargen gegenüber. | |
| Bild: Auf der ganzen Welt beliebt: Die Berliner S-Bahn. | |
| Berlins S-Bahn-System wirkt trotz aller Probleme nicht abschreckend auf | |
| mögliche künftige Betreiber. Im Gegenteil, es wirkt sogar anziehend: Gleich | |
| mehrere Unternehmen haben in der ersten Stufe der Teilausschreibung ihr | |
| Interesse bekundet. Dabei handelt es sich um große Verkehrsbetriebe aus | |
| Paris, Birmingham und Hong Kong, die bereits weltweit aktiv sind. Damit | |
| dürfte der Druck auf die Deutsche Bahn steigen, die sich als bisheriger | |
| S-Bahnbetreiber ebenfalls bewerben wird. Befürworter der Teilausschreibung | |
| erhoffen sich davon vor allem mehr Zuverlässigkeit bei der seit Jahren | |
| angeschlagenen S-Bahn. Doch die Herausforderung ist enorm: Rund 600 | |
| Millionen Euro kostet die Beschaffung eines neuen Fuhrparks, für die nur | |
| wenige Jahre zur Verfügung stehen. | |
| Es besteht weitestgehend Konsens darüber, dass sich bei der Berliner S-Bahn | |
| etwas ändern muss. Jahrelang hatte der derzeitige Betreiber, die Deutsche | |
| Bahn, wegen des geplanten Börsengangs das Netz kaputtgespart. Im Sommer | |
| hatte der Berliner Senat eine Teilausschreibung der S-Bahn beschlossen. | |
| Gesucht wird ein Unternehmen, das ab 2017 den gesamten S-Bahn-Ring sowie | |
| die südlichen Zubringerstrecken für die nächsten 15 Jahre betreibt. Bis zum | |
| 15. Oktober konnten Firmen ihre Teilnahme an dem Vergabeverfahren | |
| beantragen. Wer sich bis dahin nicht gemeldet hat, wird sich auch nicht | |
| mehr bewerben können. Wie viele und welche Unternehmen Interesse bekundet | |
| haben, will beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der die | |
| Teilausschreibung organisiert, niemand verraten. „Wir freuen uns darüber, | |
| dass wir mehrere Wettbewerber und dadurch mehr Wettbewerb haben“, sagte | |
| eine Sprecherin auf taz-Anfrage. | |
| Sicher ist jedoch, dass neben der Deutschen Bahn auch drei namhafte | |
| Verkehrsbetriebe aus dem Ausland den Ring befahren wollen. Zu ihnen gehört | |
| laut laut Medienberichten der Betreiber der Hong Konger U-Bahn, MTR | |
| Corporation. MTR wurde 1975 als staatlicher Verkehrsbetrieb gegründet, ist | |
| jedoch mittlerweile ein Privatunternehmen. Mit einem Nettogewinn von 800 | |
| Millionen Euro steht MTR wirtschaftlich ziemlich gut da. Längst beschränken | |
| sich die Aktiviäten nicht mehr auf die chinesische Sonderverwaltungszone. | |
| MTR ist für den innerstädtischen Bahnbetrieb in Melbourne zuständig, zudem | |
| auch am Londoner Overground beteiligt und seit 2009 Betreiber der | |
| Stockholmer U-Bahn. „MTR ist sehr leistungsfähig und effizient und zudem | |
| unabhänging vom chinesischen Kernland“, sagt Markus Hecht, Professor an der | |
| TU Berlin und Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge. | |
| Doch auch die anderen vermeintlichen S-Bahn-Interessenten aus dem Ausland | |
| hält der Eisenbahnexperte für sehr stark. Die RATP, die das Pariser | |
| Nahverkehrsnetz inklusive Metro, Bussen und mehreren Straßenbahnlinien | |
| betreibt, bestätigte auf taz-Anfrage, dass man bei der VBB die Teilnahme am | |
| Vergabeverfahren beantragt habe. Weiter wollte sich das staatliche | |
| Unternehmen nicht äußern. Auch die RATP ist bereits außerhalb des | |
| Heimatlandes aktiv: Die Franzosen mischen unter anderem in Rom, Porto, | |
| Sydney und London mit. „Die RATP erscheint oftmals unflexibel, macht aber | |
| sehr seriöse Arbeit“, so die Einschätzung von Markus Hecht. | |
| Als dritter ausländischer Interessent gilt das britische Unternehmen | |
| National Express Rail. Seit Mai hat das Unternehmen auch eine deutsche | |
| Niederlassung in Düsseldorf. „Die Berliner Ausschreibung ist sehr | |
| anspruchsvoll, da die Fahrzeuge 30 Jahre halten müssen“, sagt Tobias | |
| Richter, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung. Andererseits mache | |
| gerade auch die lange Vertragslaufzeit die Ausschreibung interessant, so | |
| Richter. National Express beschäftigt weltweit über 40.000 Mitarbeiter und | |
| betreibt in Großbritannien Stadt- und Fernbusse sowie Straßenbahnnetze, ist | |
| darüber hinaus in Kanada, den USA sowie Marokko und Spanien vertreten. | |
| Es könnte also ein starkes Bewerberumfeld um den S-Bahnring geben. Derzeit | |
| prüft der VBB die Anträge, im ersten Quartal 2013 sollen dann jene | |
| Unternehmen Bescheid kriegen, denen der VBB den Betrieb des S-Bahn-Netzes | |
| zutraut. Die endgültige Entscheidung wird Mitte 2014 erwartet. „Es ist auf | |
| jeden Fall spannend“, sagt Markus Hecht von der TU, der unter den drei | |
| genannten Unternehmen MTR als den stärksten Interessenten sieht. Allerdings | |
| ist nicht zu vergessen: Bisher handele es sich um eine reine | |
| Interessenbekundung, die ein Unternehmen vielleicht tausend Euro koste, wie | |
| ein mit dem deutschen Eisenbahnmarkt vertrauter Experte sagt. Auch wenn das | |
| Bewerberfeld nun hochkarätig aussehe, könnten es am Ende alle Unternehmen | |
| bei ihren Interessenbekundungen belassen – und die Dossiers zurückziehen. | |
| Dann bliebe nur die Deutsche Bahn übrig. „Die Gewinnmargen in Deutschland | |
| sind einfach zu gering, gleichzeitig müssen bei der Berliner | |
| S-Bahnausschreibung aber sehr hohe Summen für die Fahrzeugbeschaffung | |
| aufgebracht werden“, so die Einschätzung des Experten. Die Anschaffung | |
| einer neuen S-Bahnflotte wird auf 600 Millionen Euro geschätzt, weil diese | |
| auch über 2032 hinaus 15 Jahre halten muss. | |
| „Man darf eines nicht vergessen“, sagt Tobias Richter auf die Frage, ob | |
| sein Unternehmen doch noch aus der Bewerbung aussteigen könnte, „erst wenn | |
| wir vom VBB die Prequalifizierung erhalten, bekommen wir auch Einblick in | |
| die eigentlichen Ausschreibungsunterlagen.“ | |
| 17 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Kulms | |
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