# taz.de -- Gaucks erste Weihnachtsansprache: „Deutschland ist politisch stab… | |
> Am Dienstag abend wird Bundespräsident Joachim Gauck im Fernsehen die | |
> frohe Botschaft verkünden. Seine erste Weihnachtsansprache im Wortlaut. | |
Bild: Überraschung zu Weihnachten: Auch der Bundespräsident sehnt sich nach F… | |
BERLIN dapd | Joachim Gauck hält am 25. Dezember nach der „Tagesschau“ | |
seine erste Weihnachtsansprache als Bundespräsident. Die vom Präsidialamt | |
übermittelte Rede im Wortlaut: | |
„Liebe Bürgerinnen und Bürger hier im Land, liebe Landsleute in der Ferne, | |
es ist Weihnachten. Viele von uns lesen und hören in diesen Tagen die | |
Weihnachtsgeschichte. In dieser Geschichte um das Kind in der Krippe | |
begegnen uns Botschaften, die nicht nur religiöse, sondern alle Menschen | |
ansprechen: 'Fürchtet Euch nicht!' und 'Friede auf Erden!' Wir sehnen uns | |
nach Frieden - auch und gerade, weil in der Realität so viel Unfriede, so | |
viel Krieg herrscht. | |
Vor wenigen Tagen bin ich aus Afghanistan zurückgekehrt. Es hat mich | |
beeindruckt, wie deutsche Soldatinnen und Soldaten unter Einsatz ihres | |
Lebens Terror verhindern und die Zivilbevölkerung schützen. Mein Dank gilt | |
ihnen - wie auch den zivilen Helfern dort. | |
Eine solche Reise führt dem Besucher vor Augen, wie kostbar der Frieden | |
ist, der seit über 60 Jahren in Europa herrscht. Gesichert hat ihn die | |
europäische Idee. Zu Recht hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis | |
erhalten. Jetzt aber ist die Frage: Wird unser politischer Wille | |
zusammenhalten können, was ökonomisch und kulturell so unterschiedlich ist? | |
Deutschland hat die Krise bisher gut gemeistert. Verglichen mit anderen | |
Europäern geht es den meisten von uns wirtschaftlich gut, ja sogar sehr | |
gut. Zudem ist Deutschland politisch stabil. Radikale Parteien haben nicht | |
davon profitiert, dass ein Teil der Menschen verunsichert ist. | |
Sie sind verunsichert angesichts eines Lebens, das schneller, | |
unübersichtlicher, instabiler geworden ist. Die Schere zwischen Arm und | |
Reich geht auseinander, der Klimawandel erfordert ebenso neue Antworten wie | |
eine alternde Gesellschaft. Sorge bereitet uns auch die Gewalt: in | |
U-Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, | |
weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben. | |
Angesichts all dessen brauchen wir nicht nur tatkräftige Politiker, sondern | |
auch engagierte Bürger. Und - manchmal brauchen wir eine Rückbesinnung, um | |
immer wieder zu uns und zu neuer Kraft zu finden. | |
Dazu verhilft uns Weihnachten. Für Christen ist es das Versprechen Gottes, | |
dass wir Menschen aufgehoben sind in seiner Liebe. Aber auch für Muslime, | |
Juden, Menschen anderen Glaubens und Atheisten ist es ein Fest des | |
Innehaltens, ein Fest der Verwandten und Wahlverwandten, ein Fest, das | |
verbindet, wenn Menschen sich besuchen und beschenken - mit schönen Dingen, | |
vor allem jedoch mit Zuwendung. Wer keine Zuwendung erfährt und keine | |
schenkt, kann nicht wachsen, nicht blühen. | |
In der Sprache der Politik heißt das: Solidarität. In der Sprache des | |
Glaubens: Nächstenliebe. In den Gefühlen der Menschen: Liebe. | |
Ja, wir wollen ein solidarisches Land. Ein Land, das den Jungen Wege in ein | |
gutes Leben eröffnet und den Alten Raum in unserer Mitte belässt. Ein Land, | |
das jene, die seit Generationen hier leben, mit jenen verbindet, die sich | |
erst vor Kurzem hier beheimatet haben. | |
Kürzlich hat mir eine afrikanische Mutter in einem Flüchtlingswohnheim ihr | |
Baby in den Arm gelegt. Zwar werden wir nie alle Menschen aufnehmen können, | |
die kommen. Aber: Verfolgten wollen wir mit offenem Herzen Asyl gewähren | |
und wohlwollend Zuwanderern begegnen, die unser Land braucht. | |
Bei meinen zahlreichen Begegnungen in den vergangenen Monaten durfte ich | |
etwas sehr Beglückendes erfahren: dass die Zahl der Menschen, die unsere | |
Gegenwart und Zukunft zum Besseren gestalten, weit größer ist als die Zahl | |
der Gleichgültigen. Mein Dank gilt deshalb den engagierten Frauen und | |
Männern. Ihre Tatkraft bestärkt mich - besonders aber stärkt sie unser | |
Land, weil sie es schöner, liebenswerter, menschlicher macht. | |
Der Stern aus der Weihnachtsgeschichte führte Menschen einst von fernher zu | |
einem ganz besonderen Ziel - zu einem Menschenkind. Einen solchen Stern | |
wünsche ich jedem in unserem Land. Einen Stern, der ihn zum Mitmenschen, | |
der uns zueinander führt. | |
Mit diesem Wunsch also: gesegnete Weihnachten.“ | |
24 Dec 2012 | |
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