# taz.de -- Spielbank-Spenden sehr erwünscht: Bremen wettet auf die Zocker | |
> Der Stadtstaat will die Glücksspielsucht bekämpfen - sieht sich aber auf | |
> die Spenden der Spielbank angewiesen und versucht verzweifelt, diese am | |
> Leben zu erhalten. | |
Bild: Rollt die Kugel, rollt auch der Rubel: Roulette im Spielkasino. | |
BREMEN taz |Seit dem ersten Januar 2013 wettet das Land Bremen auf | |
steigende Gewinne im Casino Bremen. Um dessen Insolvenz abzuwenden, hat die | |
Bürgerschaft die Steuern für die öffentliche Spielbank auf 40 Prozent | |
gesenkt. Einst betrugen die Abgaben 80 Prozent, nun können sie bei | |
fehlenden Einnahmen sogar noch weiter – auf bis zu elf Prozent – fallen. | |
Der Spielbank entgegenzukommen, lohnt sich: Als Gewinn für ihren geölten | |
Betrieb lockt die weitere Finanzierung sozialer Projekte. | |
„Gewinne, Gewinne, Gewinne“ lautet die Argumentation quer durch alle | |
Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft, warum der Spielbank geholfen werden | |
müsse, sie keinesfalls Pleite gehen dürfe. Denn weniger Geld ist mehr als | |
keines. Immerhin wird von der Spielbankabgabe die „Stiftung Wohnliche | |
Stadt“ komplett finanziert. Spielplätze, Kunst, Radwege, Grünflächen – d… | |
„Sozialkonzept“ ist Bestandteil der Konzession. | |
Diese Förderung wird es aber in Zukunft nur geben, wenn die Spielbank mehr | |
Besucher anlockt als bisher. Bei den heutigen Zahlen würde von den Abgaben | |
der Spielbank für die soziale Stiftung nicht viel übrig bleiben. Denn auch | |
die Spielbankaufsicht wird von den Abgaben beglichen: MitarbeiterInnen des | |
Finanzressorts, die bis nachts um drei im Mehrschichtbetrieb in der | |
Casino-Halle aufpassen. | |
Deren Personalkosten betragen im Jahr 1,2 Millionen Euro und sind fix. Laut | |
einer Spielgewinn-Prognose des Finanzressorts werden sie 2013 doppelt so | |
hoch sein wie der Anteil, mit dem die „Stiftung Wohnliche Stadt“ mildtätig | |
werden kann. 2012 konnte sie mit 544.000 Euro rechnen. Bis 2022 die | |
Spielbank-Konzession ausläuft, hofft die Stadt auf durchschnittlich eine | |
Million Euro pro Jahr für soziale Projekte – fast so viel, wie für die | |
Spielbankaufsicht. | |
Finanziert wird das durch die Verluste der Spieler, könnte man | |
argumentieren – und dem wieder entgegenhalten, dass Spielerschutz und | |
Spielsucht-Prävention in einer öffentlichen Spielbank an erster Stelle | |
stehen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2006 ist nur so | |
das staatliche Glücksspielmonopol zu rechtfertigen. | |
Wie schlimm die Gefahren sind, weiß Gerhard Meyer, Psychologe und Leiter | |
der Bremer Fachstelle für Glücksspielsucht. Die Zahl derer, die wegen | |
Glücksspielsucht therapeutische Hilfe suchen, habe sich zwischen 2005 und | |
2011 verdreifacht. Die Krankheit führe zu psychischen und finanziellen | |
Problemen und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Meyer nennt gar | |
„Beschaffungskriminalität“ als Begleiterscheinung. „Ein süchtiger Spiel… | |
kann seine exzessive Spielsucht auf Dauer nicht legal finanzieren“, sagt | |
er. | |
Größtes Problem dabei sind die Automaten-Spielhallen. „Menschen, die in den | |
Suchtberatungsstellen Hilfe suchen, kommen zu drei Vierteln aus | |
Spielhallen“, sagt Meyer. Und die Spielhallen verdienen gut an den Kranken. | |
Deutschlandweit betrug der Brutto-Spielertrag 2011 über 4,42 Milliarden | |
Euro. 56 Prozent dieser Einnahmen kommen laut Meyer von Spielsüchtigen. | |
2011 führte Bremen deshalb als zweites Bundesland nach Berlin ein eigenes | |
Landes-Spielhallen-Gesetz ein. Es soll unter anderem verhindern, dass | |
Automaten-Spielhallen näher als 250 Meter nebeneinander eingerichtet werden | |
können. Zudem erhöhte die Bürgerschaft 2011 auch die Vergnügungssteuer von | |
zehn auf 20 Prozent – und streicht seitdem einen höheren Anteil an den | |
Gewinnen aus Spielautomaten ein. | |
Wie bei der Spielbank lohnt sich diese Art der Suchtprävention für Bremen: | |
2010 spülte die Steuer 5,7 Millionen Euro in Bremens Kasse, 2011 waren es | |
zehn Millionen. „Es ist nicht einzusehen, warum der Staat möglichst | |
attraktive Bedingungen für den Betrieb von Spielautomaten schaffen sollte“, | |
erklärte die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert damals zur | |
Steuererhöhung. | |
1 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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