# taz.de -- Film „The Loneliest Planet“: Verliebt, jung und offen | |
> Im Film „The Loneliest Planet“ verliert sich ein Backpacker-Pärchen im | |
> kaukasischen Niemandsland. Ein Tanz der Gesten und Blicke, der aus dem | |
> Takt kommt. | |
Bild: Hier ist noch alles gut. Aber zwischen Alex und Nica wird ein Keil der Ve… | |
Alex und Nica sind verliebt. Man sieht es an jeder kleinen Geste, jedem | |
Blick, jeder Neckerei. Worte sind kaum nötig. Bis zum Ende von Julia | |
Loktevs zweitem Spielfilm „The Loneliest Planet“ erfährt man nur wenig mehr | |
über die beiden Protagonisten als das, was die ersten Einstellungen zeigen | |
oder auch nur andeuten. | |
Alex (Gael García Bernal) und Nica (Hani Furstenberg) sind ein junges Paar | |
auf Reisen. In ihren Rucksäcken tragen sie vermutlich den in ihrer | |
Generation so beliebten Reiseführer, auf den der Filmtitel anspielt. | |
Vielleicht haben sie gerade ihr Studium beendet und wollen noch einmal | |
etwas erleben vor ihrer Karriere im Journalismus, der Werbung oder bei | |
einer NGO. | |
Vielleicht arbeiten sie aber auch schon ein paar Jahre und haben sich eine | |
Auszeit genommen, um zusammen die Welt zu erkunden. Das sind alles nur | |
Mutmaßungen. Wichtig für den Verlauf der Handlung ist nur, dass die beiden | |
verliebt sind, jung und offen. Zunächst ist noch nicht einmal klar, wo sie | |
sich gerade befinden. | |
So fremd wie Alex und Nica in dem Land sind, dessen Sprache sie nicht | |
sprechen und dessen Gepflogenheiten sie nicht kennen, so fehlen auch dem | |
Zuschauer die Orientierungspunkte. Erst als das Paar einen einheimischen | |
Führer engagiert und zu einer Wandertour durch die Berge aufbricht – es | |
handelt sich um den georgischen Teil des Kaukasus –, findet man sich besser | |
zurecht. Je mehr sich das Paar auf ungesichertes Terrain begibt, desto | |
klarer wandelt der Film auf bekannteren Pfaden der Filmgeschichte. | |
## Stopp ohne ersichtlichen Grund | |
Erwartungen werden erzeugt. Suspense baut sich auf. „In zwei Stunden seid | |
ihr tot“, scherzt der zwielichtig wirkende Bergführer, nachdem er Alex und | |
Nica eine heimische Pflanze zum Probieren gegeben hat. In einer anderen | |
Szene befiehlt er ihnen plötzlich, stehen zu bleiben, und schaut sich mit | |
beunruhigter Miene um, ohne dass der Grund für den Stopp ersichtlich würde. | |
Immer wieder betont die Kamera in majestätischen Totalen, wie klein und | |
verletzlich die dreiköpfige Wandergruppe gegenüber den Naturgewalten ist | |
und wie ungeschützt sie ist vor fremden Blicken. | |
„The Loneliest Planet“ könnte von hier an zu einer Art zentralasiatischen | |
Version von „Beim Sterben ist jeder der Erste“ werden, jenem Vorbild für | |
das in den letzten Jahren wieder so beliebte Genre des | |
Hillbilly-Horrorfilms, in dem liberale Städter von Hinterwäldlern | |
dahingemetzelt werden. | |
Die langen Einstellungen und der minimalistische Plot erinnern allerdings | |
noch stärker an existenzialistische Horrortrips durch menschenleere | |
Landschaften wie Gus Van Sants „Gerry“ und Bruno Dumonts „29 Palms“. Der | |
Horror kommt erwartungsgemäß auch in „The Loneliest Planet“, aber es | |
handelt sich nur um einen kurzen Moment, über den nichts verraten werden | |
soll. Es fließt – anders als in den oben genannten Filmen – kein Blut. | |
## Ein Keil der Verunsicherung | |
Dennoch ist danach nichts mehr, wie es zuvor war. Zwischen Alex und Nica | |
wurde ein Keil der Verunsicherung getrieben. Was zuvor wie ein perfekt | |
synchronisierter Tanz der Gesten und Blicke zwischen ihnen war, ist aus dem | |
Takt gekommen. Sie finden weder eine gemeinsame Körpersprache noch können | |
sie mit Worten kommunizieren – zumindest nicht über jenen Vorfall, der | |
ihren bisherigen Lebensentwurf infrage gestellt hat. | |
Die Rollen in ihrer Beziehung sind durcheinandergeraten und ganz allgemein | |
ihr Denken über Geschlechterrollen überhaupt. „The Loneliest Planet“ ist | |
kein Genrefilm, dafür bleibt der Schrecken und die Erzählweise zu subtil. | |
Doch die Botschaft am Ende erinnert an viele Hillbilly-Horrorfilme: Wenn | |
einer eine Reise tut, dann entdeckt er im ungünstigsten Fall den Fremden in | |
sich. | |
## „The Loneliest Planet“. Regie: Julia Loktev. Mit Gael Garcia Bernal, | |
Hani Furstenberg. Deutschland/USA 2011, 130 Min. | |
3 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven von Reden | |
## TAGS | |
Kaukasus | |
Kino | |
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