# taz.de -- DIE ZUKUNFT DER CDU IN SCHLESWIG-HOLSTEIN: Modernisierung aufgegeben | |
> Jost de Jager wollte seine Partei in Schleswig-Holstein als Landeschef | |
> umbauen. Jetzt tritt er verdrossen zurück, weil er zu wenig Unterstützung | |
> bekam. Die Baustellen bleiben. | |
Bild: Will sich nach einer Auszeit neu orientieren: Jost de Jager kurz nach sei… | |
KIEL taz | Er hatte nette Worte gefunden, um den Delegierten die | |
Neuausrichtung ihrer CDU Schleswig-Holstein schmackhaft zu machen: Der | |
Landesvorsitzende Jost de Jager sprach auf dem Parteitag im November in | |
Neumünster davon, dass die Partei sich nur „wiederentdecken“ müsse, um | |
wieder erfolgreicher zu sein, um wieder Wahlen zu gewinnen. | |
Mehr Stimmen mit mehr Themen und das auch von und für Städter, ohne dabei | |
die ländlichen Gegenden zu vernachlässigen. Etwa nicht nur Wirtschafts- und | |
Finanzpolitik, sondern auch Integration. Das war die Strategie, mit der er | |
sich dem Parteitag zur Wiederwahl empfahl. Das gelang – er erhielt ohne | |
Gegenkandidat 81 Prozent. Allerdings war ihm das zu wenig. Er nannte am | |
Dienstag in Kiel sein Parteitagsergebnis als einen Grund für seinen Rückzug | |
aus der Politik: Für de Jager war das ein „ausgebliebenes Aufbruchsignal“. | |
Die Ausgangslage für seinen Nachfolger: Bei der vergangenen Landtagswahl | |
holte die CDU mit de Jager als Spitzenkandidat im Norden 30,8 Prozent. Er | |
war allerdings recht kurzfristig im September 2011 eingesprungen, als der | |
designierte Spitzenkandidat Christian von Boetticher seinen Rücktritt | |
verkündete, weil er eine Affäre mit einer Schülerin gehabt hatte. Mit | |
diesem Ergebnis wurde die CDU zwar die stärkste Kraft im Kieler Parlament, | |
allerdings war es auch das schlechteste Ergebnis seit 1950 für die Partei. | |
Außerdem flog sie aus der Regierung. Und de Jager bekam nicht mal einen | |
Parlamentssitz. | |
De Jager sorgte dafür, dass die Partei das Ergebnis genau analysierte. Eine | |
„Kommission 2017“ wurde gegründet. Auf dem Parteitag in Neumünster stellte | |
der frühere Landtagspräsident Torsten Geerdts ihre Erkenntnisse vor. In | |
Kurz: Die CDU in Schleswig-Holstein ist zu alt, zu männlich, zu ländlich – | |
Partei und Fraktion. Schwächen hat die CDU in den Städten im Land – auch | |
den Kleinen mit mehr als 10.000 Einwohnern. Dort habe die CDU nur in 20 von | |
55 Städten die Mehrheit der Erst- und Zweitstimmen gewonnen, stellte | |
Geerdts fest. Außerdem gebe es derzeit im Landtag keinen CDU-Abgeordneten, | |
der jünger als 40 Jahre alt sei. Nur 23 Prozent der CDU-Mitglieder sind | |
Frauen, und Karriere machen wird ihnen auch nicht gerade erleichtert. Oft | |
bekämen sie „die schlechtesten Wahlkreise, die man sowieso nicht gewinnen | |
kann“. Geerdts forderte, dass sich das ändert. | |
Dazu kommt: Es gibt ein massives Personalproblem. De Jager selbst war schon | |
ein Ersatzkandidat – er war als Wirtschaftsminister im Kabinett von Peter | |
Harry Carstensen (CDU) alles andere als der geborene Spitzenkandidat. De | |
Jager ist vor allem ein anerkannter Fachpolitiker – aber arbeitete sich | |
auch in die Rolle als Wahlkämpfer und Landeschef hinein. Bessere | |
Alternativen gab es damals nicht. | |
Daran hat sich nichts geändert. Die Landtagsfraktion fällt als Lieferant | |
für Spitzenpersonal weitgehend aus, das neue Akzente setzt und neue | |
Wählerschichten akquirieren könnte. Es ist sicher kein Zufall, dass sich | |
die verbliebene Parteiführung recht viel Zeit eingeräumt hat, um einen | |
Nachfolger für de Jager zu finden. Die Parteibasis soll irgendwie beteiligt | |
werden – wie genau ist noch offen. Erstmal tagen die Gremien. Bis | |
Donnerstag bleibt de Jager noch im Amt. Danach übernehmen seine vier | |
gleichberechtigten Stellvertreter das Ruder, bis ein Parteitag einen neuen | |
Vorsitzenden gewählt hat, das soll Mitte März geschehen. Da tritt die | |
Partei eh zusammen, um die Liste für die kommende Bundestagswahl zu | |
bestimmen. | |
Im Tagesgeschäft führen der dienstälteste Stellvertreter, der | |
Europaabgeordnete Reimer Böge und der Landesgeschäftsführer die Partei. | |
Böge wird auch als möglicher Nachfolger von de Jager genannt, genau so der | |
Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende Ingbert | |
Liebing, der Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul, der Staatssekretär im | |
Bundesinnenministerium Ole Schröder und der ehemalige Landtagspräsident | |
Torsten Geerdts. | |
Bis Redaktionsschluss hatte sich keiner der Genannten offiziell ins Rennen | |
gebracht. | |
8 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
KOMMENTAR: DER RÜCKTRITT VON JOST DE JAGER: Das Ende des Ja-Sagers | |
Die CDU im Norden steht vor einer schweren Führungskrise. Ihre Zukunft sind | |
Nobodys. |