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# taz.de -- Berlin: Um vier Jahre verschätzt
> Schon wieder liegt Klaus Wowereit bei einem Termin so richtig daneben:
> Bis 2016 wollte er den Haushalt ausgleichen. Jetzt klappt es viel
> schneller.
Bild: Sonnt sich im Erfolg: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit
Klaus Wowereit hat eins seiner zentralen Ziele als Regierender
Bürgermeister Berlins erreicht: Einen Überschuss im Landeshaushalt.
Eigentlich hatte der SPD-Politiker einen ausgeglichenen Haushalt erst für
das Jahr 2016 vorgesehen. Doch jetzt hat es überraschend schon 2012
geklappt. Der Überschuss liegt dank kräftig sprudelnder Einnahmen bei 315
Millionen Euro.
Das Geld hat der Senat verwendet, um Schulden zurückzuzahlen, deren Höhe
nun noch bei 62,6 Milliarden Euro liegt. Im Jahr davor musste Berlin noch
noch neue Schulden in Höhe von 1,16 Milliarden Euro aufnemmen.
Der wichtigste Grund für den aktuellen Überschuss: Laut Statistischem
Landesamt haben in Berlin [1][1,76 Millionen Menschen Arbeit] (PDF), so
viele waren es seit der Wiedervereinigung noch nie. Dementsprechend
sprudelt die Einkommensteuer. Und weil die Berliner ihren Lohn auch wieder
kräftig in den Geschäften ausgeben, steigen die Einnahmen aus der
Umsatzsteuer. In nur einem Jahr [2][stiegen die Steuereinnahmen um 1,5
Milliarden Euro].
Erhebliche Kraftanstrengung
Wowereit war im Jahr 2001 angetreten, um die maroden Finanzen Berlins zu
sanieren. Gemeinsam mit seinem langjährigen Finanzsenator Thilo Sarrazin
setzte Wowereit einen strikten Sparkurs durch. Zum Beispiel stieg Berlin
trotz erbitterten Widerstands der Gewerkschaften aus der Tarifgemeinschaft
der Länder aus. Das hieß: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst
verdienten in Berlin schlechter als anderswo. Es war eine erhebliche
Kraftanstrengung für Wowereit, diesen Sparkurs auch innerhalb seiner
eigenen Partei durchzusetzen. Doch jetzt zeigt sich: Wowereits Plan ist
aufgegangen.
Während seiner Amtszeit war Berlin nur im Jahr 2008 ein größerer Überschuss
gelungen - die Ursache dafür war aber ein einmaliger Effekt: Der Verkauf
der Landesbank. Diesmal musste Berlin kein Tafelsilber abstoßen, um
schwarze Zahlen zu schreiben. Im Gegenteil schlug sogar das
Flughafen-Desaster mit 444 Millionen Euro zu Buche. Ansonsten wäre der
Überschuss sogar noch größer gewesen. Auch in den nächsten Jahren kann der
Flughafen alleine den Haushalt nicht zum Absturz bringen. Selbst wenn noch
einmal zwei Milliarden Euro zusätzlich nötig werden wollten, um den Bau zu
sanieren, bevor er in Betrieb gehen kann - das Geld verteilt sich auf drei
Eigentümer und mehrere Jahre.
Ob Berlin jetzt jedes Jahr einen Überschuss macht, kann niemand absehen. Es
hängt vor allem von der Konjunktur ab und wie die Wirtschaft in der Stadt
sich weiter entwickelt. Derzeit steigt die Zahl der Jobs jedenfalls so
stark wie in keinem anderen Bundesland. Andererseits startet Berlin aber
auch von sehr niedrigem Niveau - die Arbeitslosigkeit liegt hier immer noch
[3][weit über dem Bundesdurchschnitt].
Überschüsse jetzt regelmäßig möglich
Im langfristigen Trend sieht es jedenfalls gut aus für die Landesfinanzen.
Vor allem, weil der Senat die Ausgaben relativ konstant gehalten hat. Gut
möglich also, dass die Politik in Berlin nun häufiger vor einer ganz
ungewohnten Frage steht: Wohin bloß mit den ganzen Überschüssen?
"Wir werden damit weiter Schulden tilgen", sagt [4][Christian Goiny],
Haushaltspolitiker der CDU-Fraktion. Die rot-schwarze Koalition wolle, dass
die Ausgaben jährlich nur um 0,3 Prozent steigen. Wenn man an einer Stelle
mehr Geld ausgeben wolle, etwa bei der Bildung, müsse das an anderem Ort
gespart werden, betont Goiny. Es sei "langfristig möglich", dass Berlin
seine Schulden zurückzahlt. Das sei auch nötig, weil jedes Jahr rund zehn
Prozent der Gesamtausgaben für Zinsen bezahlt werden müssen. Goiny: „Da
tränen einem die Augen, wenn man sich überlegt, was wir sonst mit diesem
Geld alles machen könnten.“ Dem Land müsse es gelingen, seine Finanzen
selbst in den Griff bekommen. Goiny: "Es ist nicht unser Anspruch, dass
Berlin dauerhaft auf Kosten der anderen Bundesländer lebt." Wenn Berlin im
derzeitigen Tempo weitertilgt, ist die Stadt in 198 Jahren und 9 Monaten
schuldenfrei.
Die Opposition im Landesparlament will stattdessen das Geld mit vollen
Händen in der Stadt verteilen. Die Grünen würden, wenn die Einnahmen es
hergeben, am liebsten die Ausgaben um bis zu 700 Millionen Euro erhöhen.
100 Millionen für Infrastruktur, etwa die Sanierung von Schulen und
Straßen. 300 Millionen für die Angestellten und Beamten, um deren Bezüge an
andere Bundesländer anzugleichen. 200 Millionen Euro für sozialen
Wohnungsbau. Und 100 Millionen Euro für die Hochschulen. Nur dann, wenn
auch dann noch Geld übrig ist, soll es in den Schuldenabbau gehen. Obwohl
die Grünen auch an dessen Sinn zweifeln. "Eine durchgreifende Entschuldung
ist nicht möglich", sagt der Grünen-Finanzpolitiker [5][Jochen Esser].
Stattdessen müssten Bund und Länder einspringen, um Berlin zu helfen.
Piraten wollen Mieten senken
So sehen es auch die Piraten. Der Haushaltspolitiker [6][Heiko Herberg]
fordert, mit den 315 Millionen Euro Überschuss aus dem Jahr 2012 nicht etwa
Schulden abzubauen, sondern sie auszugeben: Für Kitaplätze, für die
Schulen, für Kultur, Verkehr, Stadtentwicklung. Und natürlich für
bezahlbare Mieten. Dauerhalft sollte das Ausgabenniveau nach Ansicht der
Piraten um 600 Millionen Euro steigen.
Auch die Linken wollen künftige Überschüsse ausgeben, statt mit dem Geld
Schulden zurückzuzahlen. „Es gibt dringende Aufgaben im Land zu erledigen“,
sagt die Haushaltspolitikerin [7][Manuela Schmidt]. 100 Millionen pro Jahr
bräuchte es, „um die Verdrängung der zahlungsschwächeren Mieter aus den
Innenstadtbezirken zu stoppen.“ Außerdem sollte der Mindestlohn bei
Aufträgen des Landes auf 8,50 Euro erhöht werden. Schmidt: „Eine Stadt ist
nur dan lebenswert, wenn die Leute von dem Geld leben können, dass sie
verdienen.“ Außerdem will die Linke investieren - nicht nur in
Infrastruktur, sondern auch in soziale Träger sowie die Qualifizierung und
Weiterbildung der Landesbediensteten. "Investitionen bedeuten, auf lange
Sicht zu sparen", so Schmidt, „das rentiert sich doch viel stärker.“
9 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/pms/2012/12-12-13a.pdf
[2] http://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/archiv/20130108.1630.379981.html
[3] http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/000000/html/start/k…
[4] http://www.christian-goiny.info/
[5] http://www.jochen-esser.de/
[6] http://www.heikoherberg.de/
[7] http://www.linksfraktion-berlin.de/fraktion/abgeordnete/manuela_schmidt/
## AUTOREN
Sebastian Heiser
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