# taz.de -- Tourismus: "Es gibt keine zweite Chance" | |
> Raymond Kiesbye war Rügener Tourismus-Chef als dort erstmals in Europa | |
> die Vogelgrippe ausbrach. Nun versucht er sich am Stadtmarketing für | |
> Bremerhaven. | |
Bild: Bremerhaven ist nicht zu retten, aber auf einem guten Weg - findet Raymon… | |
taz: Herr Kiesbye, Ende Februar läuft Ihr Vertrag als Tourismus-Chef in | |
Wilhelmshaven aus. Dann wollen Sie ab März Bremerhaven retten? | |
Raymond Kiesbye: Zu retten ist da nichts, die sind schon auf einem sehr | |
guten Weg. Wir in Wilhelmshaven, aber auch viele andere Städte in | |
Norddeutschland, schauen sehr neidisch nach Bremerhaven, welche | |
touristische Infrastruktur man da in den letzten zehn Jahren geschaffen | |
hat. Das ist schon sehr beeindruckend. | |
Es wurde ja auch sehr viel Geld investiert, allein 600 Millionen Euro in | |
die Havenwelten am Deich. | |
Ja, genau, das wurde aber gut angelegt. Das muss man wirklich sagen. Die | |
Einrichtungen, die dort geschaffen wurden, haben zum Teil europäische | |
Geltung und haben für die Stadt einen sehr wichtigen touristischen Schub | |
gebracht. | |
Was genau beneiden Sie denn: das Großprojekt Havenwelten mit dem Klimahaus, | |
dem Auswandererhaus und dem „Burj al Arab“-Dubai nachempfundenen Hotel | |
„Sail City“? | |
Das sind aber nicht nur Großprojekte, sondern auch viele kleine Projekte | |
und Sanierungsschritte im Hafenbereich. Das Schaufenster Fischereihafen ist | |
toll gelungen, weil es für die Positionierung für die Nordseefischerei | |
steht. In kurzer Zeit hat man dort den Kurswechsel geschafft. Jetzt gilt es | |
die Einrichtungen aus einem Guss zu vermarkten. | |
Bremerhaven will Tourismus und Stadtmarketing neu strukturieren. Was soll | |
sich nun ändern? | |
Man möchte die touristischen Belange unter einem Dach bündeln. Das sind der | |
Tourismus mit dem Tourismus-Marketing, dann die touristischen | |
Veranstaltungen und das Stadtmarketing und dazu kommen die Stadthalle und | |
die Eishalle. Das alles aus einer Hand zu vermarkten, halte ich für eine | |
sehr gute Idee. Das ist in Wilhelmshaven auch nicht viel anders. | |
Aber Wilhelmshaven hat nun touristisch keine großen Erfolge vorzuweisen, | |
oder? | |
Der touristische Erfolg ist schon vorhanden, er ist nur deutlich kleiner | |
ausgefallen als in Bremerhaven. Wir haben hier seit fünf Jahren steigende | |
Übernachtungszahlen. Fast in dem gleichen Volumen wie Bremerhaven. Wir | |
haben seit 3,5 Jahren ein Vier-Sterne-Plus-Hotel mit 280 Betten, was sich | |
sehr gut am Markt etabliert hat. Das Wattenmeer-Besucherzentrum und das | |
Deutsche Marinemuseum sind zwar nur bescheiden ausgebaut worden, aber es | |
entwickelt sich schon. | |
Der Umgang mit der Gründerzeitarchitektur ist in beiden Städten ein | |
Problem. In Wilhelmshaven gab es den Versuch, die BewohnerInnen, die lieber | |
in Neubausiedlungen ziehen, für die Altbauten zu erwärmen. In Bremerhaven | |
gibt es aber sehr viel mehr Schrottimmobilien, die historisch interessanten | |
Viertel kommen immer mehr herunter. | |
Das ist natürlich auch ein touristisches Problem, weil es das | |
Erscheinungsbild der Stadt betrifft. Darauf hat das Stadtmarketing aber | |
sehr wenig Einfluss, außer dass man immer wieder den Finger in die Wunde | |
legen kann. Bremerhaven hat – in Anführungszeichen – das größere Problem, | |
weil die Stadt nicht so stark zerstört wurde wie Wilhelmshaven. Da muss man | |
ran, weil das Erscheinungsbild der Stadt der erste Eindruck ist, den ein | |
Gast hat – und für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. | |
Für die Entwicklung am Hafenbecken wurden auch Gebäude abgerissen und Kräne | |
abgebaut, die hafengeschichtlich interessant waren. | |
Das hafentypische Ambiente muss natürlich schon erhalten bleiben. Wobei man | |
nicht alles retten kann, das sieht man auch in Wilhelmshaven. Das ehemalige | |
kaiserliche Hafenkraftwerk zum Beispiel, das war nicht zu retten, weil eine | |
neue Nutzung fehlte. | |
16 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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