# taz.de -- Szene-Krieg in Göttingen: Antifa erwischt falsche Zielgruppe | |
> Göttinger Linksautonome haben ein Tattoo-Studio angegriffen, weil sie | |
> dort Neonazis sahen. Was sie nicht wussten: einige Gäste kamen aus der | |
> Rockerszene. | |
Bild: Ziel des Angriffs vom Samstag: das Tattoo-Studio in Göttingen. | |
GÖTTINGEN taz | Die Antifa in Göttingen hat, offenbar versehentlich, die | |
Rockerszene provoziert. Das befürchtet zumindest die Polizei. Von einer | |
„ganz seltenen Gemengelage, die sich durch Zufall ergeben hat“ spricht der | |
Einsatzleiter der Göttinger Polizeiinspektion, Gerd Hujahn. Weil sie | |
Übergriffe der Rocker befürchtete, schützte die Polizei am Wochenende ein | |
linkes Wohnprojekt. | |
Begonnen hatte alles mit einem Angriff auf das Tattoo-Studio „Jenny B’s“ … | |
vergangenen Samstag. Er galt anscheinend Neonazis, die sich dort | |
aufhielten. Während der Eröffnungsfeier des Studios habe „eine Gruppe | |
schwarz gekleideter und vermummter Personen das Geschäft angegriffen, mit | |
Schlagwerkzeugen Scheiben eingeschlagen und Teile des Mobiliars | |
beschädigt“, berichtete die Polizei. Sie gehe davon aus, „dass die Täter … | |
den Reihen der linken Szene“ zu suchen seien. Zeugen hätten beobachtet, wie | |
die späteren Angreifer aus einem nahe gelegenen linken Wohnprojekt zum | |
Studio kamen und nach der Tat wieder in das Wohnprojekt flüchteten. | |
Wenig später bekannten sich auf der Internet-Plattform | |
[1][linksunten.indymedia.org] „einige Antifas“ zu dem Angriff. Bei der | |
Eröffnungsfeier des Studios seien „mindestens drei stadtbekannte Nazis“ | |
anwesend gewesen, hieß es dort. „Wir haben die Provokation, in der Roten | |
Straße ein rechtsoffenes Tattoo-Studio zu eröffnen, angemessen | |
beantwortet.“ | |
## Keine rechten Kontakte | |
Die Polizei bestätigt, dass die Neonazis im Laden waren. Allerdings soll | |
die Besitzerin keine Kontakte in die rechte Szene haben. Vermutlich habe | |
sie gar nicht gewusst, dass sich Nazis in ihrem Laden aufhalten. Die Feier | |
war öffentlich, zum Zeitpunkt des Überfalls waren laut Polizei etwa 70 | |
Gäste zugegen, darunter auch Kinder. | |
Was die Antifas offenbar nicht wussten: im Laden waren auch Mitglieder von | |
Rockerclubs. Seine Beamten hätten bei der Zeugenbefragung entsprechende | |
Tätowierungen der Anwesenden bemerkt, sagt Hujahn. „Rot-Weiß“, mutmaßt er | |
und meint damit die Farben der Hells Angels. „Natürlich fühlen die sich da | |
auf die Füße getreten, aber es war kein Angriff gegen ihre Gruppierung.“ | |
Der Laden sei kein neuer „Rockerstützpunkt“, allerdings habe die Besitzerin | |
Freunde und Kunden, die zu dieser Szene gehörten. | |
Man sei mit der Besitzerin des Tattoo-Studios im Gespräch, sagt Hujahn. | |
Außerdem suche man Kontakt zur linken Szene und „wir sprechen Leute an, von | |
den wir glauben, dass sie die Hells Angels in Göttingen repräsentieren“. | |
Hujahn glaubt, dass die Angreifer lediglich die Neonazis treffen wollten | |
und dabei zufällig „die falsche Zielgruppe erwischt haben“. | |
## Angst vor Racheakten | |
Die Polizei wollte zunächst das Wohnprojekt durchsuchen, in das die | |
Angreifer geflüchtet waren. Die Göttinger Staatsanwaltschaft stellte jedoch | |
keinen Durchsuchungsbefehl aus. Stattdessen schützten Polizisten bis in die | |
frühen Morgenstunden des folgenden Sonntags das Gebäude. Das sei nötig | |
gewesen, „damit es nicht aus der Wut heraus zu Racheakten kommt“, sagt | |
Hujahn. „Wir wissen, dass da eine Menge Unmut ist.“ | |
Mittlerweile hat sich die Lage scheinbar beruhigt. Die Polizei rechnet | |
jedenfalls nicht mehr damit, dass es zu Übergriffen kommen könnte: „Keine | |
Seite hat Interesse, einen Dauerkonflikt aufzumachen“, so Hujahn. Er | |
glaubt, dass es sich letztlich um ein Missverständnis handelt. Diesen | |
Streit habe die linke Szene eigentlich gar nicht haben wollen. | |
Das zeigte sich auch auf der Kundgebung gegen Neonazis am Sonntag, an der | |
170 bis 200 Personen teilnahmen. In den Redebeiträgen ging es auch um den | |
Angriff auf das Tattoo-Studio vom Vortag: „Man muss über die Vorgehensweise | |
streiten und es ist besondere Aufgabe antifaschistischer Politik, Mittel | |
und Zweck stets in ein Verhältnis zueinander zu setzen“, soll laut | |
[2][linksunten.indymedia.org] ein Redner gesagt haben. Das „eigentliche | |
Problem“ sei aber erst entstanden, „weil sich aktive Mitglieder der | |
organisierten Neonazi-Szene in Südniedersachsen ohne irgendeinen Widerstand | |
in Göttingen bewegen konnten“. | |
Von Rockern war auf der Kundgebung keine Rede. | |
22 Jan 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://linksunten.indymedia.org | |
[2] http://linksunten.indymedia.org | |
## AUTOREN | |
Jakob Epler | |
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