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# taz.de -- SCHULE: "Die Beamten müssten entamtet werden"
> Den Kampf angestellter Lehrer um gleiche Bezahlung unterstützt
> Schulleiter Pit Rulff. Dass mehr Geld die Qualität der Arbeit verbessert,
> hält er nicht für ausgemacht. Die Ungleichbehandlung müsse dennoch
> aufhören - schon damit der Beruf attraktiv bleibt.
Bild: Mit einem zweistündigen Warnstreik unterstrich die Gewerkschaft Erziehun…
taz: Herr Rulff, Sie leiten das Oberstufenzentrum Druck- und Medientechnik
in Wittenau. Wie sieht das Verhältnis von Angestellten und Beamten an Ihrer
Schule aus?
Pit Rulff: An meiner Schule arbeiten 80 Beschäftigte, davon 70 Lehrkräfte.
60 Prozent sind Angestellte, 40 Prozent Beamte. Das liegt zum einen daran,
dass wir ganz viele „Quereinsteiger“ haben, die aus der Wirtschaft kommen
und nicht auf Lehramt studiert haben. Sie sind sehr qualifiziert, erfüllen
aber in der Regel nicht die Kriterien für eine Verbeamtung. Zum anderen
sind über 30 Lehrkräfte erst nach 2003 eingestellt worden.
Wie groß sind denn die Gehaltsunterschiede zwischen Beamten und
Angestellten?
Ich möchte da vorwegschicken, dass ich das ganze Problem aus der Sicht der
Schülerinnen und Schüler sehe. Denen ist es völlig egal, ob da ein
Angestellter oder Beamter vor ihnen steht – Hauptsache, es kommt was rüber
für den Unterricht und sie lernen was. Und meine Lehrer machen alle guten
Unterricht, egal welche Voraussetzungen sie haben. Ich habe nämlich
Tarifgruppen vom einfachen Gesellen bis hin zum Oberstudiendirektor. Darum
ist es an dieser Schule auch nur das Problem einer Minderheit, ob jemand
Beamter ist oder Angestellter. In Deutschland erfolgt die Bezahlung und
tarifliche Eingruppierung im öffentlichen Dienst nicht nach der erbrachten
Leistung, sondern nach dem Schein in der Tasche. Somit werden ähnliche
Tätigkeiten unterschiedlich bezahlt.
Von außen betrachtet kann man den Eindruck haben, die Lehrer jammerten auf
hohem Niveau. Ist da nicht was dran?
Das ist eine Frage des Vergleichsmaßstabs. Lehrkräfte bekommen kein
schlechtes Gehalt, aber es ist auch ein Beruf, für den man lange
ausgebildet worden ist. In der Regel kann man nicht anfangen, bevor man 27
bis 29 ist.
Sagen Sie doch mal konkret: Was ist das Allerniedrigste, was ein Lehrer in
Ihrer Schule verdient?
Wir haben einen Laborpraktiker, der bekommt 2.100 brutto. Er hält die
Computernetzwerke und die Labore in Schuss und arbeitet 40 Stunden.
Also unterrichtet er nicht, sondern ist eine Art moderner Hausmeister. Dann
ist er auch kein Lehrer, oder?
Ein Lehrer für Fachpraxis gibt 32 Unterrichtsstunden und erhält als
Einstiegsgehalt auch 2.100 Euro. Die heute neu eingestellten Studienräte
verdienen 4.400 Euro brutto – inklusive der Zulage nach Erfahrungsstufe 5,
die der Senat auf Druck der KollegInnen und der GEW zugestanden hat. Ich
unterstütze die Forderung der jungen Kollegen, die sagen: Diese Zulage muss
jetzt in einem Tarifvertrag festgeschrieben werden, das kann nicht nur aus
Gnade bezahlt werden. Unter anderem darum geht jetzt die
Auseinandersetzung.
Und wie viel verdient ein Beamter im Vergleich?
Sollte Berlin wieder verbeamten, dann ist hier das Startgehalt 3.192,90
Euro. Pro Kind gibt es einen Zuschlag von ca. 95 Euro
Geht es denn bei diesem Konflikt nur um Geld?
Es geht um die Anerkennung für qualifizierte Arbeit. Die Verantwortung für
die Förderung junger Menschen ist hoch. Da muss die Eingruppierung dem
entsprechen, was in anderen Bereichen gezahlt wird. Trotzdem wäre mir
lieber, die jungen Kollegen würden fordern, ihre Arbeitszeit zu verringern
und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mit zwei, drei Unterrichtsstunden
weniger könnte die Unterrichtsqualität steigen. Über eine höhere Bezahlung
nicht automatisch.
Gibt es eigentlich Unterschiede, wie sich Angestellte und Beamte verhalten?
Im Unterricht nicht. Nur im Krankheitsfall, wo die meisten Angestellten
nach sechs Wochen wieder auf den Beinen stehen wollen. Das Krankengeld ist
danach doch deutlich geringer als das Gehalt. Bei Beamten gibt es das schon
hin und wieder, dass einer länger als ein Jahr ausfällt. Er kriegt weiter
das volle Gehalt.
Jetzt hat die Bildungssenatorin sich vorgenommen, die sogenannte
Drehtürverbeamtung zu verbieten. Eine gute Idee?
Das vermindert schon die Attraktivität dieser Verbeamtung durch die
Hintertür. Wenn ich als Berliner hierbleiben möchte, konnte ich bisher
sagen: Ich gehe mal ein Jahr nach Hamburg und komme dann als Beamter
zurück. Wenn ich nun fünf Jahre wegbleiben muss, wird das den einen oder
die andere zum Umdenken bringen und er oder sie bleibt in Berlin. Ist ja
auch eine spannende und lebendige Stadt.
Aber die Ungerechtigkeit heute löst dieser Vorschlag nicht.
Da fallen mir ganz andere Ungerechtigkeiten ein. Der Vorschlag hilft schon.
Letztes Jahr bekam ein Lehrer aus Hessen, der seinen Beamtenstatus
mitbringen konnte, 400 Euro mehr als die hiesigen Beamten, wegen der
Differenz zwischen den dortigen und den hiesigen Gehältern. Das soll mit
der neuen Verordnung auch abgeschafft werden.
Fragt sich, ob die SPD das durchbekommt unter Rot-Schwarz.
Das mag sein, weil die CDU immer noch am Beamtenstatus hängt. Aber das
ändert nichts an der Problemlage: Der Lehrerberuf muss attraktiv bleiben,
und die Freude der Berufsanfänger muss so groß sein, dass andere Sachen
hintenanstehen.
Was schlagen Sie vor?
Man muss diese Ungerechtigkeiten beseitigen. Das heißt nicht, dass man alle
verbeamtet. Im Gegenteil: man könnte entamten.
Entamten?
Von mir aus sofort, auch wenn ich mir mit diesem Vorschlag bei meinen
Kollegen keine Freunde mache. Die folgenden Generationen werden es zu
würdigen wissen. Berlin hat 2003 beschlossen, nicht mehr zu verbeamten,
weil man das Problem der steigenden Pensionslasten nicht mehr stemmen oder
der nächsten Generation auflasten kann. Unsere Generation muss das heute
lösen. Darum stelle ich diese radikale Forderung auf. Alle müssen sich
daran beteiligen, nicht nur die jungen Lehrer. Die heutigen Beamten müssten
entamtet werden. Sie sollen weiter dasselbe Geld kriegen, aber ansonsten
gelten auch für sie die Regularien von Angestellten.
Sind Sie Beamter?
Ja, für mich gilt diese Forderung auch. Aber weil das politisch und
verfassungsrechtlich schwer gehen wird, sollten die jungen Lehrer
wenigstens spüren, dass sie finanziell genauso gewertschätzt sind wie die
alten. Darüber hinaus könnte man zum Beispiel die Jungen, wenn sie im Beruf
anfangen, bei der Unterrichtsstundenzahl entlasten, genauso wie die Alten,
eine Reihe von Jahren, bevor sie aufhören. Da sind andere Bundesländer auch
attraktiver.
24 Jan 2013
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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