# taz.de -- Die Wahrheit: Baibai, Pengyoumen (II und Ende) | |
> Im Jahr des Drachen: Vielleicht wird China auch überhaupt nicht | |
> demokratisch. Vielleicht übernimmt das Militär das Land oder Neo-Maoisten | |
> kommen an die Macht. | |
Vielleicht wird China auch überhaupt nicht demokratisch. Vielleicht | |
übernimmt das Militär das Land, oder Neo-Maoisten kommen an die Macht. | |
Vielleicht bricht es – wie vom Dissidenten Liao Yiwu gewünscht – in viele | |
kleine Teile auseinander. Warlords ziehen dann wieder durch die Gegend, so | |
wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vielleicht kommt es aber | |
auch zum Krieg mit anderen Staaten, weil es im Streit um irgendeine Insel | |
zu einem großen Missverständnis kam. | |
Vielleicht wird China eine Pseudodemokratie wie Singapur. Vielleicht | |
verwandelt es sich aber auch in die neuen USA, so wie viele Chinesen sich | |
das wünschen. Dazu passt die jüngste Prognose des mit der CIA verbandelten | |
National Intelligence Council, dass China die USA als größte | |
Wirtschaftsnation der Erde kurz vor 2030 überholt haben wird. | |
Mein Lieblingsvision ist aber immer noch die von Jörg-Uwe Albig, der in | |
seinem Buch „Berlin Palace“ China um das Jahr 2040 herum beschreibt. Hier | |
ist Peking eine klinisch saubere „Null-CO2-Stadt“, über der sich permanent | |
ein stahlblauer Himmel wölbt. Die Energie für „Wasserfälle aus Licht“ | |
bezieht man aus „Mega-Solarfarmen“ und von Windrädern, die auf den Dächern | |
der Hochhäuser stehen. Nur die eingewanderten „Westvölker“ müssen noch in | |
den Slums der Vorstädte wohnen, wo die Luft schlecht ist, auch weil auf den | |
Böschungen der Müll brennt. | |
Diese Menschen stammen zum großen Teil aus Europa; sie sehen elend aus und | |
beziehen ihre Kleidung aus „den Sweatshops Pennsylvaniens“. Man lebt vom | |
Rosenverkauf in der noblen Innenstadt, oder indem man an Straßenkreuzungen | |
Scheiben wischt, notfalls auch unter Einsatz der eigenen Zunge. Und abends | |
amüsieren sie sich in heruntergekommenen Kaschemmen, bei Gegröle, Bier und | |
Currywurst. | |
Selbstverständlich habe ich keine Ahnung, welche dieser möglichen Zukünfte | |
eintreffen wird. Die Zukunft – und das ist das Großartige an ihr – ist | |
ungewiss; weil es zu viele Unbekannte gibt, kann sie kein Trendheini | |
vorhersagen. Dennoch ist wohl eine Sache sicher: Wie auch immer die Zukunft | |
Chinas ausfällt, sie wird auch Sie betreffen, und zwar sehr viel | |
unmittelbarer, als Sie jetzt noch denken. Das wird so sein, selbst wenn Sie | |
Deutschland nie verlassen sollten, um ewig unter ihrem fränkischen | |
Bierhimmel zu hocken oder sich in Ihrem ostwestfälischen Kotten Koks zu | |
inkorporieren. | |
Deshalb kann es nicht schaden, wenn Sie sich auch nach dem Ende dieser | |
Kolumne weiter für China interessieren. Besser noch wäre allerdings, Sie | |
kämen selbst mal rüber und lassen sich alles, was Sie bisher über das Land | |
zu wissen meinten, in kleine Stücke zerhacken. | |
Machen Sie in China Urlaub, oder bleiben Sie, um zu studieren oder zu | |
arbeiten. Dann kann es gut sein, dass auch Sie irgendwann sagen werden: | |
Dies ist ein großartiges Land, in dem viele ausgezeichnete Menschen wohnen. | |
Diese Leute werden Sie verändern, so wie sie mich verändert haben. Und ich | |
kann mit Bestimmtheit sagen: Schlechter wurde ich nicht. | |
Jetzt aber auf ins Jahr der Schlange! | |
31 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Y. Schmidt | |
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