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# taz.de -- Video der Woche: Heil Karneval!
> Wer mal wieder vom „antiautoritären Charakter“ des Karneval
> schwadroniert, sollte sich dieses heitere Video anschauen. Es belegt das
> exakte Gegenteil.
Bild: Wie ein kleiner Junge, der etwas Böses gesagt hat – Jonny Buchardt.
Wer vergessen hat, warum er den Karneval verabscheut, dem sei dieses
Schmuckstück als Erinnerung empfohlen. Zwischen unserer Zeit und diesem
winzigen Clip liegen so viele Jahre wie zwischen diesem Clip und jener
schlimmen Zeit, als Deutschland gerade frisch von den Nazis unterjocht
wurde. 40 Jahre, eine lange Zeit. Nur nicht lange genug, um gewisse Reflexe
zu verlernen. Und es braucht sogar nur 28 Sekunden, um die ganze
schreckliche Geschichte zu erzählen.
Auftritt Herbert G. Schlichting, der Onkel von Meret und Ben Becker sowie,
unter dem Namen Jonny Buchardt, vor allem älteren rheinischen Frohnaturen
womöglich noch ein Begriff. Hier tut er beim Kölner Karneval 1973, was man
als Stimmungskanone so tut. Anheizen, das Publikum, und das Publikum geht
mit:
„Lasst mal hören, wie ist denn die Stimmung? Zickezacke, zickezacke …“
„ … HOI, HOI, HOI!“
„Zickezacke, zickezacke …“
„ …HOI, HOI, HOI!“
„Hipphipp …“
„… HURRRRA!“
„Hipphipp!“
„ …HURRRA!“
„Sieg …“
„… HEIL!“
Tja, „Sieg heil!“ halt. An Buchardts hämmerndem Gestus ist zu erkennen,
dass er es genau darauf abgesehen hat – ohne subversiv sein zu wollen. Zu
schnell dreht er sich vom Mikro weg, als dass er vom Echo seines Publikums
wirklich erschüttert sein könnte, und zu nonchalant die Hand vor dem Mund,
wie ein kleiner Junge, der etwas Böses gesagt hat. Warmes Gelächter
allenthalben.
Nach einer kurzen Runde über die Bühne kehrt er zum Mikro zurück: „Das darf
doch nicht wahr sein, Mensch. Was? So viele alte Kameraden heute Abend hier
…“, und dann wird noch mehr gelacht, befreit, wie man annehmen darf, die
alten Kameraden applaudieren. Nein, man ist einander nicht gram. Ist ja
Karneval, nicht wahr?
Trotzdem sollte man diese 28 Sekunden im Hinterkopf haben, wenn mal wieder
vom „antiautoritären Charakter“ des Karneval schwadroniert wird. Jede
„Stunksitzung“ ist, wie dieses heitere Dokument belegt, von Natur aus das
exakte Gegenteil – eine Versammlung wahrhaft autoriätere Charaktere im
Sinne Hannah Arendts, Menschen, die das ganze Jahr über eine distinguierte
und stets bürgerliche Rolle spielen müssen, aber in der angeblich
„närrischen Zeit“ ausnahmsweise ganz bei sich sein dürfen. So wie damals,
in der anderen „närrischen Zeit“ von 1933 bis 1945.
8 Feb 2013
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Karneval
Nazis
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