# taz.de -- POLITISCHE KUNST: Ein subversives Märchen | |
> Er sagt, alles sei Zufall, dabei sind etliche Bilder dezidiert politisch: | |
> Eine Hamburger Ausstellung zeigt die subversiven, seltsam | |
> traumverloren-surrealen Werke des Bremer Malers Norbert Schwontkowski. | |
Bild: Traum von der freundlichen Fabrik: Norbert Schwontkowskis Ölbild "Flamin… | |
HAMBURG taz | Und wenn man ihn in ein Reifenlager sperrte, würde er die | |
Reifen malen. Sie sähen aus wie Schlangen und man dächte erst: Sie leben. | |
Und dann: Der malt aber komische Sachen. Denn der Bremer Maler Norbert | |
Schwontkowski, der auch an Hamburgs Hochschule für Bildende Künste lehrte | |
und derzeit im dortigen Kunstverein ausstellt, hat sich fürs | |
Gegenständliche entschieden. Er will Geschichten erzählen und das geht am | |
besten so. | |
Außerdem ist er ein Handwerker: Er arbeitet gern mit dem Spachtel und | |
mischt in der Faust Pigmente. Es dauert Stunden, den perfekten Untergrund | |
hinzubekommen, der dann so kompakt ist wie Lehm und der obendrein | |
Metalloxyde enthält, sodass sich die Farbe über Nacht verändern kann. | |
Dieser Folienfetischismus passt zu seinem Herkommen: Ein Gemälde des Malers | |
Fra Angelico hat Schwontkowski einst zur Malerei gebracht. Fra Angelico war | |
Bindeglied zwischen Mittelalter und Renaissance. Und auf mittelalterlichen | |
Bildern ist ein abstrakter Bildgrund Pflicht. | |
Für Schwontkowski ist er ein erkenntnistheoretisches Instrument: Er habe | |
zwar immer zuerst das Vordergrundmotiv im Kopf, sagt er. Das Gemälde | |
beginnt er aber mit dem Hintergrund. Da fahndet er lange nach der richtigen | |
Farbe und Konsistenz, um das Vordergrundmotiv einzuordnen in den Begriffs- | |
und Verständniszusammenhang der Welt. Vielleicht auch in einen | |
spirituellen, Schwontkowski wollte mal Priester werden. | |
Wenn er den Hintergrund endlich hat, kommt der Rest, kalligrafisch-flüchtig | |
draufgetupft. Heraus kommt dann eine Fabrik wie auf dem Bild „Flamingo“: In | |
fast überirdisch-mystischem Licht erscheint da, einem Märchenschloss | |
gleich, eine Riesen-Raffinerie. Und ein Märchen ist es wirklich: das von | |
der (umwelt-)freundlichen Fabrik, die – in einer schlauen Brechung des | |
Sozialistischen Realismus – in eine lichte Zukunft weist. | |
Konterkariert wird die Vision durch Flamingos ganz vorn: Eigentlich | |
Insignien der Poesie, sind sie hier zum Kontrapunkt mutiert. Denn wenn | |
schon die Fabrik nicht schmutzig wirkt, dann sind es wenigstens die Vögel, | |
in Ölig-Schwarz aufs Bild getropft. Sind sie Ölpest-Opfer? | |
Möglich, aber eigentlich wirkt das Bild wie ein surrealer Traum – wie alle | |
Schwontkowski-Gemälde. In ihnen reflektiert er auch, ganz en passant, den | |
Kunst- und Abstraktionsbegriff: Denn eigentlich ist diese Malerei nicht | |
gegenständlich. Die Gegenstände sind zufällig, könnten auch andere sein; | |
Form ändert sich ständig und das Drauftupfen und -tropfen suggeriert, dass | |
die Farbe auch anders hätte fließen können. | |
„Kniefall vor der Abstraktion“ heißt folgerichtig ein anderes Bild, das in | |
Hamburg programmatisch an den Eingang gehängt ist. Abgebildet ist ein | |
Mensch mit Schafskopf und man weiß nicht: Ist der devote Betrachter das | |
Schaf – oder der pflichtschuldigst abstrakt malende Künstler? Wird | |
abstrakte Kunst überbewertet? Ist das überhaupt die richtige Frage? | |
Letztlich ringt jeder Künstler ja mit Farbe und Form, und auch | |
Schwontkowski malt nur weiter, „weil ich mit dem jeweils vorhergehenden | |
Bild nicht zufrieden bin“. | |
Das heißt aber auch, dass das Gesamtwerk eine Gesamt-Erzählung ergibt und | |
dass auch in der Hamburger Schau alle Bilder zusammenhängen. Ein Link sind | |
dabei die immer braun-schwarz-grauen Farben, ein anderer die Umdeutung des | |
Begriffs „Öl“. Denn zwar ist Schwontkowski kein schlichter „Öko-Maler�… | |
Bilder der Hamburger Schau, enstanden zwischen 1999 und 2013, sind aber | |
dezidiert politisch. Auf dem Bild „The Other Continent“ zum Beispiel | |
prangen – wie in einer Museumsvitrine – afrikanische Masken: Insignien der | |
immer noch kolonialistisch geprägten Rezeption dieses Kontinents. Noch | |
bedeutsamer ist aber die Farbgebung: Ölig-schlammig-schwarz ist der | |
Hintergrund dieses Gruselkabinetts und es liegt nahe, dabei an Shells | |
Ölverschmutzung etwa in Nigeria zu denken. Ein süffisanter Kommentar also | |
zum neuen Kolonialismus, der die Lebensgrundlage derer zerstört, deren | |
Masken er mit wohligem Grusel ins Museum sperrt. | |
Zwei Schritte weiter hat Schwontkowski ölig-schwarze Hubschrauber auf | |
mattgelben Hintergrund getropft. Sie sehen aus wie Kampfhubschrauber und | |
das Bild heißt „Dicht am Boden“. Es entstand zwar schon 1999, aber die | |
Ausstellung läuft parallel zur öffentlichen Diskussion über Kampfdrohnen | |
bei der Bundeswehr. Ein Zufall, eine Leerstelle – aber um die geht es ja in | |
der Kunst, die hier erfrischend direkt in den Alltag ragt. | |
Wer jetzt aber meint, Schwontkowski sei dauermelancholisch, der irrt: Es | |
gibt durchaus den Weg ins Helle. Dann nämlich, wenn Schwontkowski den oben | |
erwähnten Schuppen malt, der voller Reifen und öliger Schläuche ist. | |
Abermals wird also das Öl zum ästhetischen Subjekt, aber das ist nicht die | |
ganze Welt. Denn die Tür des Kabuffs steht offen und da fliegen helle | |
Wolken im gleißenden Licht. Dort ist das Paradies, das spürt man, aber | |
bevor man richtig froh wird, ahnt man, dass das eine Folie ist, eine | |
Einbildung wie bei René Magritte. | |
Der spielte ja auch mit den Sphären des Unbewussten und in seiner Tradition | |
steht Schwontkowski genauso wie in der Salvador Dalis und Max Ernsts, das | |
zeigen Motivparallelen in seinen Bildern. Schwontkowski ist eine Art | |
politischer Surrealist. Und die Hamburger Ausstellung ein angenehm | |
subversives Märchen. | |
19 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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