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# taz.de -- Frauen im Alpinsport: Tod am Kangchendzönga
> Wanda Rutkiewicz war die beste Alpinistin der 1980er Jahre. Sie
> revolutionierte die von Männern dominierte Szene. Nun wäre sie 70 Jahre
> alt geworden.
Bild: Acht Achttausender erklomm Wanda Rutkiewicz.
„Wir machen das Gleiche wie die Männer“, hat Wanda Rutkiewicz einmal
gesagt. Viele Bergsteigerkollegen akzeptierten das nicht, weil Rutkiewicz
die Gipfelstürme der Männer in deren Augen vereinfachte. Sie war auch der
Meinung, dass man in den Bergen den Alltagsproblemen nicht entkomme.
„Aggressionen existieren überall, bei schwierigen Expeditionen eskalieren
sie. Vielleicht werde ich um so stärker, je mehr Schwierigkeiten auf meinem
Weg liegen.“
Die Extrem-Höhenbergsteigerin Wanda Rutkiewicz hat einige Schwierigkeiten
überwunden. Die Polin, 1943 geboren, gehörte in den siebziger und achtziger
Jahren zu den führenden Frauen im Alpinsport und revolutionierte die bis
dato fast nur von Männern dominierte Szene. Sie war 1978 die erste
Europäerin und überhaupt die dritte Frau der Welt, die den höchsten Gipfel
der Erde, den Mount Everest erreichte.
Ganze acht der insgesamt 14 Achttausender hatte sie bis 1991 erfolgreich
bestiegen, was zum damaligen Zeitpunkt noch keine Frau geschafft hatte. Als
sie 1991 die Annapurna-Südwand als erste Frau in der Alleinbegehung
erklomm, war sie zuversichtlich, auch noch die sechs verbliebenen
Achttausender zu erklettern. 1992 kehrte sie dann allerdings vom
Kangchendzönga, dem mit 8.586 Meter dritthöchsten Gipfel der Erde, nicht
zurück. Sie wäre heuer 70 Jahre alt geworden.
Im Gegensatz zur sogenannten einstigen Sportnation DDR, deren Bergsteiger
sich maximal im Kaukasus und Pamir an den dort höchsten
Siebentausenderbergen ausprobieren konnten, war es in Polen für Alpinisten
kein Problem, auch in die Alpen oder in den Himalaja und den Karakorum zu
reisen. Das polnische Sportministerium förderte sogar solche Expeditionen
finanziell, natürlich verbunden mit der Hoffnung, dass die Gipfelstürmer
aus dem kommunistischen Polen den Ruhm des Vaterlandes mehren.
## Enorme Leidensfähigkeit
Die österreichische Alpinistin und Autorin Gertrude Reinisch, die 1986 die
Polin kennenlernte und mit ihr 1990 unter anderem am Hidden Peak unterwegs
war, schrieb 1992 eine bemerkenswerte Biografie über die charismatische
Alpinistin: Sie habe eine enorme Leidensfähigkeit besessen, einen starken
Willen und unglaubliche Härte gegen sich selbst.
Im Alter von fünf Jahren verlor Rutkiewicz zu Ostern 1948 ihren um zwei
Jahre älteren Bruder. Der hatte mit Nachbarskindern in den zerbombten
Ruinen eine Mine gezündet. Im Alter von 18 Jahren entdeckte Rutkiewicz als
damalige Studentin für Elektrotechnik und Maschinenbau in Warschau in der
Hohen Tatra ihre Leidenschaft fürs Felsklettern. Sie war auf Anhieb davon
fasziniert und wusste, dass sie genau das machen wollte.
Ihre erste große Expedition führte sie 1970 auf den Pik Lenin im
Pamirgebirge. 1973 durchstieg Rutkiewicz als erste Frau die berüchtigte
Eigernordwand in der Schweiz. Fünf Jahre später leitete sie das erste
Frauenteam im Winter durch die Matterhornnordwand. Am 16. Oktober 1978
gelang der diplomierten Elektroingenieurin aus Wroclaw unter Zuhilfenahme
von künstlichem Sauerstoff auch die Besteigung des 8.850 Meter hohen Mount
Everest – und zwar am selben Tag, als der polnische Kardinal Karol Woityla
in Rom zum Papst gewählt wurde. „Der liebe Gott, wollte, dass wir beide am
selben Tag so hoch hinaufsteigen“, hat der Papst über diese Koinzidenz
gesagt.
Im Juli 1985 konnte Rutkiewicz mit ihren polnischen Kameradinnen Anna
Czerwinska und Krystyna Palmowska als erstes Frauenteam der Welt den Nanga
Parbat erfolgreich erklimmen. Im Juni 1986 schaffte Rutkiewicz als erste
Frau und ohne Sauerstoffflaschen die Besteigung des K2, des
klettertechnisch wohl schwierigsten Achttausenders. Auch wenn sie
zahlreiche Freunde und Gefährten bei Unfällen in den Bergen im Laufe der
Jahre verloren hatte, dachte sie kaum daran, dass es sie einmal erwischen
würde.
## Messner bewunderte sie
Als ihr Landsmann Jerzy Kukuczka, der kurz nach dem Südtiroler Reinhold
Messner auch alle 14 Achttausender der Erde erklommen hatte, am 24. Oktober
1989 an der Lhotsesüdwand tödlich abstürzte, erklärte sie: „Wir dürfen j…
nicht verurteilen, die immer wieder ihr Leben für eine Leidenschaft
riskieren und mit dem höchsten Einsatz spielen.“
Messner bewunderte die inzwischen auch gut deutsch sprechende Rutkiewicz
und deren Landsleute, die er immer wieder an den hohen Bergen traf und die
„von der Solidarnosc erzählten, mit Stolz ihre selbst gebastelte Ausrüstung
zeigten und ihre polnischen Fleischkonserven gegen unsere Parmaschinken
tauschten“. Ein solch ambitioniertes Leben hatte seinen Preis, zum Beispiel
zwei gescheiterte Ehen, die letzte mit einem Arzt aus Innsbruck, den
Rutkiewicz geheiratet hatte, als in Polen das Kriegsrecht ausgerufen worden
war. Rutkiewicz hatte keine eigenen Kinder.
Öfters plagten sie Selbstzweifel und Angst vorm Nachlassen ihrer
Leistungsfähigkeit. Beim Versuch, ihren neunten Achttausender zu erklimmen,
verschwand sie im Eis. Sie gilt seit dem 12. Mai 1992 als vermisst. Ihre
Biografin Gertrude Reinisch notierte: „Auf 8.300 Meter Höhe endete das
abenteuerliche Leben der überaus willensstarken Wanda Rutkiewicz, die drei
Jahrzehnte lang unaufhaltsam große Pionierarbeit im Frauenalpinismus
geleistet hatte.“ Rutkiewicz wurde nur 49 Jahre alt.
8 Mar 2013
## AUTOREN
A. Mazan
T. Purschke
## TAGS
Bergsteigen
Bergsteigen
Feminismus
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