# taz.de -- Sammlerin Maike Bruhns über verfemte Kunst: „Das fand ich sehr u… | |
> Die Hamburger Kunsthistorikerin Maike Bruhns hat eine riesige Sammlung | |
> von Kunst der 1920er bis 1950er Jahre zusammen getragen. | |
taz: Frau Bruhns, warum sammeln Sie Kunst der 1920er bis 1950er Jahre“? | |
Maike Bruhns: Angefangen hat es mit meiner Magisterarbeit über nach Amerika | |
emigrierte Schriftsteller. Da habe ich mich erstmals intensiv mit der | |
Nazi-Zeit befasst. 1983 habe ich dann in der Hamburger Kunsthalle die | |
Ausstellung „Verfolgt und verfemt unterm Hakenkreuz in Hamburg“ gesehen, in | |
der auch ein Bild von Anita Ree hing. | |
Eine Rarität. | |
Ja, denn Ree-Bilder sah man sonst nie, und ich habe dann das Video | |
„Spurensuche nach Anita Ree“ mit gestaltet. Bei der Recherche fand ich so | |
viel über Anita Ree – in Privatbesitz, in Archiven, aber auch auf ihren | |
verborgenen Wandbildern in Hamburger Schulen –, dass ich es zu meinem | |
Doktorats-Thema gemacht habe. Das Buch habe ich dann in weniger als 1,5 | |
Jahren geschrieben. Dann hatte ich Blut geleckt. | |
Inwiefern? | |
Mir fiel auf, dass die Nazi-Zeit in Hamburg nirgends systematisch | |
bearbeitet war. Das fand ich angesichts der vielen tragischen | |
Künstlerschicksale sehr ungerecht. Ich habe mir deshalb beim Bürgermeister | |
einen Forschungsauftrag erbettelt – eine halbe Stelle für ein halbes Jahr. | |
In dieser Zeit habe ich über Hamburger Künstler gearbeitet und einen | |
Bericht geschrieben: über Weingart, Rolf Nesch, Karl Kluth, Wilhelm Grimm, | |
Gretchen Wohlwill. Und dann bin ich dran geblieben, weil ich dachte, | |
irgendjemand muss diese Zeit ja bearbeiten. | |
Wann haben Sie angefangen zu sammeln? | |
Das ergab sich im Laufe der Recherche. Wenn ich irgendwo hinkam, um | |
Gespräche zu führen, wurden mir oft Bilder gezeigt – aus dem Keller oder | |
aus der Mappe unterm Sofa. Da habe ich immer mal gefragt, ob ich etwas | |
erwerben kann. Meist waren die Leute froh, diese Dinge verkaufen zu können. | |
Wie haben Sie ausgewählt? | |
Ich habe mich auf vier Gruppen konzentriert: die „Entarteten“, die Juden, | |
die Randständigen – Bohème, Bibelforscher – und die Politischen: SPD und | |
KPD. Zu Letzteren hatte Carl-Walter Kottnik eine große Sammlung, die er mir | |
gab. Die enthielt Propagandakunst, aber auch viel Sozialkritisches. | |
Arbeiterkunst von Bernhard Heisig zum Beispiel. | |
Warum haben Sie Ihre Sammlung auf Hamburg beschränkt? | |
Weil es ist die Stadt ist, in der ich lebe, wo ich viele Leute kenne und wo | |
mich brennend interessiert, was hier in der Nazizeit abgelaufen ist. | |
Außerdem war das Thema noch nicht bearbeitet, und ich habe mich immer für | |
Primärforschung interessiert. | |
Wie erklären Sie sich die Forschungslücke? | |
Zunächst – nach 1945 – wollte niemand davon hören. Und inzwischen sind | |
viele gestorben, die noch etwas wussten. Ich bin 1983 noch gerade | |
rechtzeitig gekommen, um mit Zeitzeugen zu sprechen. Ein weiterer Grund für | |
die Lücke ist, dass im Zweiten Weltkrieg viel kaputt gegangen ist. Über 60 | |
Künstler-Oeuvres zum Beispiel. | |
Abgesehen vom Lokalbezug: Welches sind Ihre drängendsten Fragen? | |
Was passiert, wenn Politik anfängt, die Kunst zu dominieren? Und wie | |
entscheiden sich die Künstler? Hängen sie so am Ort, dass sie bleiben, bis | |
es nicht mehr geht? Oder nehmen sie sich das Leben, weil sie wissen, dass | |
deportiert wird? Ärgern sie sich über den Eingriff der Machthaber so sehr | |
wie Rolf Nesch, dass sie schon 1933 gehen? Nesch ist ja schon Ende 1933 | |
nach Oslo gegangen, hat ein sehr hartes Emigrantenleben erlebt. | |
Und nach 1945 galten die Künstler, die überlebt hatten, als unmodern und | |
fielen wieder durch die Maschen. | |
Ja, da etablierte sich ja schnell die Abstraktion, und die gegenständliche | |
Kunst, die den Großteil der Kunst der NS-Zeit ausmacht, galt als altmodisch | |
und rückständig. | |
Wenn jemand 1949 im Stil der 1930er Jahre malt, ist er wirklich | |
rückständig. War das für die Hamburger Künstler kein Problem? | |
Kein so großes wie anderswo. Denn die damalige Landeskunstschule in Hamburg | |
hat ihre Lehrer nach 1945 aus Mitgliedern der Hamburgischen Secession | |
zusammengestellt. Und die – Friedrich Ahlers-Hestermann, Wilhelm Grimm, | |
Karl Kluth, Ivo Hauptmann – malten alle gegenständlich. So hat sich in | |
Hamburg unterschwellig dieser Fluss des Gegenständlichen erhalten, während | |
in München und Stuttgart längst die Abstrakten dominierten. | |
12 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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