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# taz.de -- Kirche und Uni: Langsamer Abschied vom Gottesstaat
> Bayerns Bischöfe dürfen bei Professuren mitreden – selbst in weltlichen
> Fächern wie Soziologie. Sie wollen sich nun enthalten. Vielen reicht das
> nicht.
Bild: Drei Geistliche mit Veto an den Unis (v.l.): Der Bamberger Bischof Schick…
BERLIN taz | Dass Ulla Wessels nicht unbedingt Professorin nach Wünschen
der Kirche ist, macht schon ihre Doktorarbeit klar. Über
Schwangerschaftsabbruch hat die Saarbrücker Hochschullehrerin einst
promoviert, außerdem engagiert sie sich in der laizistischen
Giordano-Bruno-Stiftung.
Als sie sich vor einigen Jahren um einen Philosophie-Lehrstuhl an der
Universität Erlangen bewarb, könnte sie genau aus diesen Gründen
gescheitert sein, befürchtet Wessels. Denn dort hat die Kirche ein
Vetorecht bei Lehrstuhlbesetzungen. „Selbst wenn sonst alles gestimmt
hätte, hätte ich keine Chance gehabt“, sagt Wessels.
Es ist eine bayerische Kuriosität, gegen die Wessels zusammen mit einem
weiteren Hochschullehrer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
eingereicht hat. Die katholische Kirche kann im Freistaat in vielen Fällen
mitbestimmen, wer als Professor lehren und forschen darf – und das auch in
weltlichen Fächern wie Soziologie, Politikwissenschaften oder Philosophie.
21 solcher Konkordatslehrstühle gibt es landesweit, die nur mit Kandidaten
besetzt werden dürfen, gegen die der örtliche Bischof „hinsichtlich ihres
katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben“ hat. So
regelt es ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Bayern und dem Vatikan,
der bereits 1924 geschlossen und immer wieder geändert wurde.
Vereinzelte Konkordatslehrstühle finden sich auch außerhalb Bayerns: An der
Uni Mainz darf die Kirche mit über die Besetzung eines Geschichts- und
eines Philosophielehrstuhls entscheiden. In Freiburg findet sich eine
ähnliche Konstellation. Flächendeckend gibt es Konkordatslehrstühle jedoch
nur in Bayern – jeweils drei an jeder staatlichen Universität mit Ausnahme
der TU München und der Uni Bayreuth. Die kirchlich genehmigungspflichtigen
Professuren wurden ausgeweitet, nachdem sich die Bürger Ende der 60er Jahre
in einem Volksentscheid gegen rein katholische Volksschulen aussprachen.
Durch diesen Deal sollte die Kirche ihren Einfluss auf die Lehrerausbildung
behalten.
## Bamberger Bischof gegen Lehrstuhlvertretung
Was das praktisch bedeutet, bekam nicht nur Wessels zu spüren. Ihre
Mitbewerber in Erlangen erhielten damals einen Brief des Dekans, der der
taz vorliegt. Darin verlangt die Uni Angaben, die wenig mit der
wissenschaftlichen Qualifikation der Kandidaten zu tun haben: „Da bei der
Besetzung der Professur für Praktische Philosophie die Bestimmungen des
Bayerischen Konkordats mit der Katholischen Kirche berücksichtigt werden
müssen, bitte ich Sie, uns auch Ihre Konfession mitzuteilen“, heißt es in
dem Schreiben vom 14. Februar 2008.
Im selben Bistum scheiterte die Universität Bamberg im Jahr 2006, eine
Lehrstuhlvertretung in Philosophie mit ihrem Favoriten zu besetzen. Nach
einer informellen Voranfrage bei Erzbischof Ludwig Schick habe man sich für
einen anderen Kandidaten entschieden, bestätigt Uni-Rektor Godehard Ruppert
der taz. Begründet habe die Kirche ihre Bedenken nicht.
Wie häufig die Bischöfe Bayerns tatsächlich von ihrem Veto Gebrauch machen,
ist schwer nachzuvollziehen. Aus dem bayerischen Wissenschaftsministerium
heißt es, es sei aus den vergangenen Jahren kein Einspruch bekannt. Ende
Januar erklärte die bayerische Bischofskonferenz überraschend, „auf die
Ausübung dieses Rechts aus dem Bayerischen Konkordat verzichten zu wollen“.
Das Wissenschaftsministerium verbucht das auch als Erfolg seiner Gespräche
mit der Kirche. Der liberale Ressortchef Wolfgang Heubisch gilt im
Gegensatz zu seinen CSU-Vorgängern als konkordatskritisch.
## Reicht ein freiwilliger Verzicht?
Im Freistaat wird nun gestritten, was die Ankündigung bedeutet – und ob sie
ausreicht. Das Wissenschaftsministerium erwartet lediglich, dass die
Bischofskonferenz ihren Verzicht noch etwas offizieller bekundet. Der
Grünen-Landtagsabgeordneten Ulrike Gote ist das nicht genug: „Das ganze
Konkordat muss geändert werden“, verlangt sie. Das Mitspracherecht müsse
aus dem Vertrag mit dem Vatikan gestrichen werden, ein freiwilliger
Verzicht sei zu wacklig. Eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums
weist die Forderung als unpraktikabel zurück: „Solche Verhandlungen wären
extrem komplex.“
Auch Ulla Wessels pocht auf eine Änderung des Konkordats: „Mit einer
Verzichtserklärung ändert sich die Rechtslage nicht.“ Nach der Ankündigung
der Bischöfe hat sie dem Bundesverfassungsgericht daher geschrieben, dass
sie ihre Beschwerde aufrechterhalte. Noch hat Karlsruhe nicht entschieden,
ob es sich der Sache annehmen wird.
24 Mar 2013
## AUTOREN
Bernd Kramer
## TAGS
Bayern
Hochschule
Kirche
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