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# taz.de -- Streit in Horn: Halbmonds Nachbarn
> Eine muslimische Gemeinde will aus einer Kirche eine Moschee machen. Sie
> wirbt um die Akzeptanz der Anwohner – zwei Tage vor einer
> Nazi-Kundgebung.
Bild: Teppich statt Holzdielen, Kalligrafie statt Klinker: Diese Kirche soll zu…
Seine Stirn glänzt, als Daniel Abdin hinter das Rednerpult tritt. „Heute
ist der Frühlingsanfang“, steht auf seinem Zettel. Das ist ein symbolischer
Satz. Heute geht es um den Umzug seiner muslimischen Gemeinde in den
Stadtteil Horn. Um einen Neustart. Und der muss gut werden.
Eine Kamera ist auf Abdin gerichtet, alle Stühle im Saal der Wichern-Schule
in Horn sind am Donnerstagabend besetzt. Viele Anwohner, hinten lehnen sie
an den Wänden. Abdin ist der Vorsitzende des islamischen Zentrums al-Nour,
im Herbst haben sie die Kapernaum-Kirche gekauft. Diese Rede soll den
Menschen im Stadtteil erklären, warum es gut ist, dass aus dem Gotteshaus
jetzt eine Moschee werden soll.
Auf den Stühlen sitzen alte Damen mit Strickjacken und Herren mit
Schnurbärten und weißem Haar. Vorne halten junge Leute Mikrofone in der
Hand. Dazwischen die Männer aus der Gemeinde, die mitgekommen sind aus St.
Georg. Sie alle tragen heute ein dunkelblaues Sakko, selbst der Imam.
„Guten Tag“, sagt Abdin. Er nimmt einen Schluck Wasser. „Sie müssen mich
entschuldigen, meine Stimme geht weg.“ Es ist still im Saal. Mit einem
Taschentuch betupft Abdin Stirn, Nase, Oberlippe.
Seit bekannt wurde, dass seine muslimische Gemeinde plant, aus ihrem
Gebetsraum in einer Tiefgarage in St. Georg umzuziehen in ein leer
stehendes Kirchengebäude in Horn, hat Abdin viele Interviews gegeben. Für
Samstag ist eine Kundgebung von Neonazis angekündigt. Umso wichtiger, dass
die Nachbarn die Muslime akzeptieren.
Zum Freitagsgebet, sagt Abdin, werden 200 bis 300 Menschen erwartet. Ein
Mann mit hoher Stirn und eckiger Brille lässt Luft durch seine Zähne
fahren. Wo sollen die parken? „Die Muslime sind längst weg, wenn die
Nachbarn von der Arbeit heimkehren“, sagt Abdin. Ein paar Leute lachen, der
Scherz ist gelungen. Abdin lächelt.
„Kann man denen überhaupt trauen?“, fragt Pastor Kay Kraack von der
evangelischen Gemeinde St. Georg. Er ist bereits der Sechste auf der
Rednerliste. Vor ihm hat der Architekt erklärt, wie er die Kirche
verändert, Pastor Kiersch aus Horn freut sich auf al-Nour. Hansjörg Schmidt
von der SPD will einen Dialog „für die Menschen hier“, und der Herr von der
Polizei lobt die Zusammenarbeit mit den Muslimen: sehr fruchtbar und
konstruktiv. „Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Auf Herrn Abdin und
Scheich Samir ist Verlass“, sagt Pastor Kraack.
Der Imam der Gemeinde, Samir El-Rajab, tritt ans Mikrofon. Er spricht
Arabisch. „Wie wollen Sie denn mit den jungen Leuten reden?“, fragt eine
Frau. „Das ist sein Defizit“, übersetzt Abdin. Der Imam besuche
Deutschkurse, neben der Arbeit in der Moschee: „Er macht alles: Trauungen,
Gebete.“ Ein Mann räuspert sich. „Hat er wohl keine Zeit, Deutsch zu
lernen“, sagt er.
„Ich fände es schade, dass ein Halbmond auf den Kirchturm kommt“, sagt ein
Mann mit rundem Bauch. „Da hätte ich mir mehr Toleranz gewünscht.“
Als niemand mehr fragt, sagt Abdin: „Sie haben mir Ängste genommen.“ Vor
der Tür standen den ganzen Abend über zwei Streifenwagen. „Kommen Nazis?“,
hatte eine Frau einen der Beamten gefragt. „Greifen Sie ein, wenn die die
Veranstaltung aufmischen?“ Aber Neonazis haben dann doch nicht gestört.
22 Mar 2013
## AUTOREN
Kristiana Ludwig
Andreas Speit
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