# taz.de -- Die Wahrheit: Falkenbrot, des Dichters Tod | |
> In Berlin kopiert ein Bäcker eine Brot-Werbekampagne der 1970er Jahre. Da | |
> hilft nur Boykott. | |
Mit Entsetzen erleben die Berliner momentan ein Sakrileg in den | |
öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt: Ein perfider Biobäcker kupfert eine | |
der erfolgreichsten Berliner Brot-Werbekampagnen der 70er und 80er Jahre | |
schamlos ab, vermutlich mit dem Gedanken im Hinterkopf, Berlin bestände | |
ohnehin nur noch aus nach dem Jahr 2.000 Zugezogenen und Touristen. Aber da | |
hat er die Rechnung ohne den Paechbrotfreund gemacht: Wir sind viele! Wir | |
sind alt! Unser Gedächtnis funktioniert einwandfrei! Und mit uns ist nicht | |
gut Brötchen essen! | |
Wir werden das mehlige, eh viel zu saure Graubrot einer nicht zu nennenden | |
Firma ab sofort boykottieren, die sich erdreistet, die | |
U-Bahn-Paechbrotsprüche, Berlins Antwort auf Don Drapers Wirken in der | |
Madison Avenue, so dermaßen schlecht nachzuahmen. Wir können uns nämlich | |
noch gut an die Originalreime erinnern: „Beim Ja-Wort schweigt die junge | |
Braut / weil sie noch schnell ein Paechbrot kaut“. Oder „Ejal wat | |
druffliecht, eens ist wichtig: Mit Paechbrot liechste imma richtig!“ Das | |
ist Werbelyrik! | |
Ganz im Gegensatz zu Epigonen wie „Falkenbrot ist oberlecker / das sagt | |
nicht nur Hans Leib, der Bäcker“– was soll der arme Bäcker mit dem | |
unglaubwürdigen Namen (Brot)Leib denn sonst von seinem Produkt behaupten? | |
Und ist Hans Leib nicht der Böse aus Falladas „Geschichte vom Goldenen | |
Taler“? So ähnlich hieß er jedenfalls. Noch unmöglicher klingt „Falkenbr… | |
ist schwer im Kommen / ich hab gleich mal eins mitgenommen“. Wer hat das | |
gedichtet?! Der gleiche, der sich auch die Geburtstagsgrußanzeigen in der | |
Neuen Osnabrücker Zeitung oder dem Kirchheimer Teckboten ausdenkt? „Zicke | |
zacke hahaha die Ernie wird heut 70 Jahr / sie ist noch immer ziemlich | |
munter und läuft die Treppen rauf und runter“? Und sein liebster Bäckerwitz | |
ist: „Bitte ein Brötchen. – Nehmse doch zwei, hamse eins mehr!“ | |
Wenn die Biobäcker nicht aufpassen, wird garantiert der eine oder andere | |
U-Bahn-fahrende Paechbrotfreund einen Edding in der Tasche finden, und die | |
Schauerreime eigenhändig frisieren: „Falkenbrot ist schwer zu Kauen / und | |
die Rinde ist das Grauen!“ Jawohl! „Willst du’n heißes tête-à-tête / … | |
bloß kein Falkenbrot auf’s Bett!“ Ein Wunder, dass nicht schon mehr | |
passiert ist: Wie tolerant muss die Eberhard Peach-Preis-Stiftung sein, die | |
seit 1971 alle drei Jahre unter dem Motto „Kreativität für Brot“ den | |
Eberhard Paech-Preis „für hervorragende Leistungen zur Entwicklung der | |
Technologie, des Ansehens und der Darstellung des Brotes“ ausrichtet. Und | |
es in dieser Zeit lobenswerterweise geschafft hat, sich komplett um „Bernd | |
das Brot“ herumzudrücken. | |
Vielleicht laufen hinter den Kulissen aber auch längst knusprige Klagen und | |
Raufereien zwischen unterschiedlich ausgerichteten Innungssympathisanten, | |
die zum Arbeitsbeginn um 3 Uhr mit einer großen Demo beginnen, musikalisch | |
untermalt mit einer Special-Long-Disco-Version des Die Ärzte-Marsches | |
„Links rechts / links rechts / links rechts / links rechts / Zum Bäcker!“. | |
Dann verkrümeln sich die Herausforder ganz schnell. | |
4 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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