# taz.de -- Volker Hassemer über Kollhoff: „Man muss Geduld haben“ | |
> Der Kollhoff-Plan zur Bebauung des Alexanderplatzes mit Hochhäusern dürfe | |
> nicht aufgegeben werden, sagt der frühere Stadtentwicklungssenator Volker | |
> Hassemer. | |
Bild: Der Kollhoff-Plan bleibt wohl ein Entwurf. | |
taz: Herr Hassemer, als Sie im April 1993 den Plan des Architekten Hans | |
Kollhoff für den Alexanderplatz mit seinen zehn Hochhäusern vorstellten, | |
hätten Sie da gedacht, dass das Thema zwanzig Jahre später solche Emotionen | |
auslöst? | |
Volker Hassemer: Zunächst einmal habe ich geglaubt, dass solche günstigen | |
Baurechte von den Investoren früher wahrgenommen werden. Später habe ich | |
gemerkt, dass die Politik auch am Alexanderplatz Angst vor höheren Bauten | |
hatte. | |
Berlin fürchtete und fürchtet sich vor Hochhäusern? | |
Ja. | |
Und die Politik schürt diese Angst? | |
Natürlich darf man Berlin nicht zu einer beliebigen Hochhausstadt machen. | |
Wir sind weder New York noch Frankfurt. Im Übrigen stand beim Wettbewerb | |
vor zwanzig Jahren auch gar nicht der Hochhausentwurf im Vordergrund, | |
sondern die Konzeption des Platzes. Neben Kollhoff gab es damals auch einen | |
Entwurf von Daniel Libeskind, der eine ganz andere städtebauliche Idee | |
hatte. | |
Für welchen Entwurf haben Sie in der Jury gestimmt? | |
Für Kollhoff. Es war aber für mich auch eine knappe Entscheidung. | |
Nun sind die zehn Türme damals gleich zur Marke geworden. Das war die Zeit, | |
in der Berlin ein großes Wachstum vorausgesagt wurde. Wann haben Sie zum | |
ersten Mal gespürt, dass die Realität dem Plan nicht standhält? | |
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre – aber immer mit dem Gefühl, dass | |
das nur ein Aufschub des Wachstums ist. Niemand hätte vor zwei Jahren | |
gedacht, dass Berlin nun tatsächlich so stark wächst wie derzeit. | |
Ist der Kollhoff-Plan also aktueller denn je? | |
Ja. Anders gesagt: Hätte man stadtplanerisch an der Kollhoff-Planung | |
verzweifeln wollen, hätte man fünfzehn Jahre lang Zeit gehabt. | |
Sie spielen auf die Ankündigung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher an, | |
den Kollhoff-Plan nicht weiter zu verfolgen. | |
Es ist schon erstaunlich, dass ein solcher Entschluss von der, wenn auch | |
höchsten, Beamtin der Stadtplanung verkündet wird. | |
Und nicht von der Politik? | |
Der Alexanderplatz ist eine höchst wichtige und damit auch eine höchst | |
politische Frage. Vor zwanzig Jahren war noch nicht einmal mein | |
Staatssekretär in den Jurys, sondern ich als Senator. | |
Aber hat Frau Lüscher nicht recht, wenn sie sagt: Es wurde viel in den | |
Bestand investiert, zum Beispiel im Haus der Elektroindustrie, nun müssen | |
wir zur Kenntnis nehmen, dass die Eigentümer das nicht abreißen wollen, nur | |
um da dann drei Kollhoff-Türme hinzustellen? | |
Politik kann Investoren nicht zwingen, sich Bauvorhaben zuzumuten, die sie | |
zurzeit nicht machen können oder wollen. Aber die Stadtplanung darf im | |
Hinblick auf die Flüssigkeit der Investoren auch nicht ihre Planungen | |
ändern. | |
Wurden da nicht auch handwerkliche Fehler gemacht? In den städtebaulichen | |
Verträgen hätte man doch verhindern können, dass Gebäude saniert werden, | |
die später den Türmen weichen sollten? | |
Zu den Details kann ich nichts sagen, das war nach meiner Zeit. Man sollte | |
aber den Blick nicht zurück, sondern nach vorne richten. Und da finde ich | |
schon erstaunlich, dass zu einer Zeit, in der es wieder Rückenwind gibt, | |
laut darüber nachgedacht wird, ob nicht die hohen Häuser eine Zumutung für | |
die Investoren sein könnten. | |
Sie wissen aber auch, dass außer dem US-Investor Hines kein Investor daran | |
denkt, einen Turm zu bauen. Einige Eigentümer haben dies ausdrücklich sogar | |
ausgeschlossen. | |
Dann sollen sie mit ihren Grundstücken für die nächste Phase des Wachstums | |
glücklich werden. Ich kann doch nicht, nur weil ich das | |
Investitionsverhalten der Eigentümer zur Kenntnis nehme, mein Bild eines so | |
wichtigen Platzes aufgeben. Man muss in der Stadtentwicklung auch Geduld | |
haben. Hätten Sie gedacht, dass irgendwann am Alexanderplatz ein | |
Wohnhochhaus gebaut werden soll? Das ist eine Chance, um die Planung noch | |
zu verbessern. Aber nicht, um sie aufzugeben. | |
Nun ist die Kollhoff-Planung ja gleich aus zwei Ecken unter Druck geraten: | |
Die Senatsbaudirektorin möchte sie zu den Akten legen. Und Kollhoff selbst | |
ist sauer, weil er die Architektur von Hines billig findet. Sollte er | |
trotzdem an dem Wettbewerb für das Hochhaus teilnehmen? | |
Ich würde es ihm raten. So wie ich hat auch er eine Verpflichtung diesem | |
Entwurf gegenüber. Zu sagen, es geht gar nicht, meinen Grundentwurf dort | |
entsprechend zu bauen, muss sich im Wettbewerb beweisen. Da reicht es | |
nicht, das von außen zu kommentieren. | |
14 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |