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# taz.de -- Polizeigewalt: Weder Freispruch noch Strafe
> Das Verfahren gegen eine Demonstrantin wegen Falschbeschuldigung der
> Polizei wurde eingestellt. Als Zeichen gegen Polizeigewalt wäre sie
> lieber freigesprochen worden
Bild: Ob mit Schlagstock oder ohne: mindestens eine Christival-Demo hat die Pol…
„Erhebliche kriminelle Energie“ unterstellte die Staatsanwaltschaft im Juli
2011 Angela O. – und ging in Berufung gegen ein Urteil, das gestern vorm
Landgericht Bremen wieder verworfen wurde: O. hatte vor fast fünf Jahren
Anzeige erstattet, weil PolizistInnen ihr auf einer Demo erhebliche
Verletzungen zugefügt hatten. Das damalige Verfahren nahm eine unerwartete
Wende: O. selbst wurde nämlich verurteilt – weil sie angeblich falsche
Beschuldigungen gegen die BeamtInnen vorgebracht hatte. Gegen das Urteil
von 100 Tagessätzen á acht Euro legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein;
sie wollte eine höhere Strafe. Dass beide Parteien sich gestern, am ersten
Tag der Berufungsverhandlung, auf die Einstellung des Verfahrens einigten,
stimmt O.’s Anwältin Gilljen Theisohn „erleichtert, aber nicht zufrieden�…
Der Vorsitzende Richter Reinhard Wacker ahnte das wohl schon: „Eine
Einstellung“, sagte er zu Theisohn, „wäre nicht despektierlich, denn Frau
O. ginge dann unbelastet aus dem Saal.“ Dem stimmt die Anwältin zwar zu,
sagt aber auch: „Wir wollten eigentlich einen Freispruch – nur das wäre ein
klares Zeichen gegen Polizeigewalt gewesen.“ Aber nach fast fünf Jahren sei
es nun auch genug.
Damals war Angela O. auf den Bremer Marktplatz gezogen, um mit anderen
AktivistInnen gegen das „Christival“ zu demonstrieren, einem evangelikalen
Jugendkongress, auf dem sich AbtreibungsgegnerInnen genauso tummeln wie
ProtestantInnen, die meinen, Homosexualität sei eine Krankheit. Die bunte
und eigentlich fröhliche Protestaktion endete für O. mit Hämatomen,
Quetschungen, Prellungen und anderen Verletzungen – alle verursacht durch
PolizistInnen. Der Gutachter und Rechtsmediziner Olaf Cordes urteilte
aufgrund des ärztlichen Attests: „Das Gesamtbild der Verletzungen lässt auf
viele Kriegsschauplätze schließen.“
Die gab es auch: O. und andere DemonstrantInnen wurden ohne ersichtlichen
Grund von der Polizei auf dem Marktplatz eingekesselt und mit Schlagstöcken
gestoßen und geschubst. Danach wurde O. von den Gruppen abgedrängt und
gegen eine Wand gedrückt, wo ihr ein Polizist die Hände auf den Rücken
drehte. O. erstattete Anzeige wegen Körperverletzung gegen Unbekannt, aber
das entsprechende Verfahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Monate später wurde O. selbst angezeigt, beschuldigt und verurteilt, die
Polizei wegen des Schlagstock-Einsatzes „falsch verdächtigt“ zu haben –
eine gängige Methode, sagt Theisohn. Anzeigen gegen PolizistInnen würden
systematisch zu Gegenanzeigen führen. Das diene der Abschreckung, oder, wie
Wacker gestern sagte: „Es erfordert einen gewissen Mut, ein solches
Verfahren zu führen.“ Sein Respekt für O. war unüberhörbar, das
Fehlverhalten der Polizei sei offensichtlich, die Anzeige habe O. „nicht
aus dem Blauen heraus erstattet“.
Jetzt gehe es nur noch darum, ob ein Schlagstock eingesetzt worden sei oder
nicht. Außerdem habe es bis zur Eröffnung des Berufungsverfahrens bereits
anderthalb Jahre gedauert. „Müssen wir da“, so Wacker, „ein zeitraubendes
Verfahren mit vielen Zeugen wirklich führen?“ Nein, befanden beide
Parteien, „aber“, so Gilljen Theisohn, „hier ist auf jeden Fall Unrecht
geschehen“.
17 Apr 2013
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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Anzeige gegen Bremer Polizisten: Unverhältnismäßige Polizeigewalt
Die Bremer Polizei hat Selbstanzeige gegen Beamte wegen Körperverletzung im
Amt erstattet. Sie waren gegen einen bereits am Boden liegenden Mann
vorgegangen.
Prozess gegen Christival-Demonstrantin: Anzeige gegen Anzeige
Eine queere Demonstrantin soll 800 Euro Strafe wegen falscher Verdächtigung
zahlen. Sie hatte der Polizei vorgeworfen, sie mit dem Schlagstock
geschlagen zu haben.
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