Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wenn der Sozialstaat die kalte Schulter zeigt: Rückfahrkarte ins N…
> Für die Hamburger Behörden ist klar: Über Italien gekommene afrikanische
> Flüchtlinge müssen wieder weg – am besten nach Italien.
Bild: Keine Perspektive: afrikanische Flüchtlinge vor einem Lager auf Sizilien.
HAMBURG taz | „Alimaus“ steht an dem kleinen roten Holzhaus des
katholischen Hilfsvereins St. Ansgar am Ende der Hamburger Reeperbahn. Vor
der Tür stehen sie in der Reihe und warten. Morgens gibt es hier Frühstück,
nachmittags eine warme Mahlzeit.
Für Hunderte Afrikaner, die in den letzten Wochen aus Italien nach Hamburg
kamen, gibt es hier und in zwei anderen Obdachlosen-Einrichtungen etwas zu
essen. Seit Mitte April das Winternotprogramm für Obdachlose schloss, in
dem auch die afrikanischen Flüchtlinge unterkommen konnten, fühlt sich in
Hamburg niemand mehr für sie zuständig.
Nach Hamburg sind die Afrikaner in der Hoffnung gekommen, Arbeit zu finden.
Doch hier auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist beinahe aussichtslos. Die
Hamburger Sozialbehörde behauptet sogar, Afrikaner mit einem italienischen
Aufenthaltstitel dürften in Deutschland gar nicht arbeiten.
Das ist nicht ganz richtig: Arbeiten dürfen sie. Sie haben aber auf dem
hiesigen Arbeitsmarkt denkbar schlechte Karten, weil Deutsche und EU-Bürger
in der Vermittlung immer Vorrang haben. In der Regel verweigert die
Arbeitsagentur deshalb die Arbeitserlaubnis.
Polizeikontrollen ergaben, dass die meisten afrikanischen Flüchtlinge aus
Italien den „Titolo di viaggio per stranieri“ haben, einen italienischen
Fremdenpass, mit dem sie sich zwar längere Zeit in Italien aufhalten
können, in anderen Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens dürfen sie
aber nur drei Monate im halben Jahr bleiben, vorausgesetzt sie können ihren
Lebensunterhalt bestreiten. Andere haben die „Permesso di soggiorno“, eine
oft sogar unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Viele der afrikanischen Flüchtlinge sind in Italien sogar als
Asylberechtige anerkannt, sagt Dirk Hauer vom Diakonischen Werk. Damit
haben sie für die EU einen Daueraufenthaltsstatus erhalten, mit dem sie
nach Deutschland reisen können. Sie halten sich dann zwar legal in Hamburg
auf, staatliche Leistungen stehen ihnen aber nicht zu.
Für die Hamburger Sozialbehörde und den SPD-Senat ist die Sache klar: In
Hamburg gibt es für die Afrikaner keine Perspektive. In Italien dagegen
dürften sie immerhin arbeiten. Deshalb sollen sie nach Italien
zurückkehren. „Jeder, der wieder zurückreisen möchte, erhält von uns eine
Fahrkarte“, sagt Sozialsenator Detlef Scheele (SPD).
Die Fachstelle für Wohnungslose richtete extra Sonderöffnungszeiten ein, zu
denen sich die Afrikaner bestätigen lassen können, dass die Stadt Ihnen
eine Fahrkarte zurück nach Italien bezahlt. Auf dieser Grundlage würde die
Bahnhofsmission dann die Rückreise organisieren. Doch bislang nahm nur eine
einzige Person das Angebot an und holte sich ein Ticket.
Mitte April hat die Sozialbehörde zusammen mit dem von Caritas,
Arbeiterwohlfahrt und Rotem Kreuz getragenen Flüchtlingszentrum Hamburg
vier Tage lang eine „zielgruppenorientierte Beratung“ in der
Obdachosen-Notunterkunft Pik As angeboten. Ziel der Beratung war es,
herauszubekommen, ob die über Italien eingereisten Afrikaner vielleicht
doch ein Recht auf eine öffentliche Unterbringung haben. Die Prüfung fiel
für alle Afrikaner negativ aus.
Deshalb landen die über Italien gekommenen Afrikaner nun meist auf der
Straße. Doch das Diakonische Werk ist überzeugt, dass die Stadt diejenigen,
die in Hamburg bleiben wollen und obdachlos sind, unterbringen muss. „Man
kann die Menschen zwar auffordern, wieder zurückzufahren und ihnen dafür
auch ein Ticket geben, man kann sie aber nicht dazu zwingen“, sagt
Diakonie-Sprecher Dirk Hauer. „Es gibt eine kommunale Unterbringungspflicht
bei Gefahr für Leib und Leben, unabhängig von der Herkunft.“ Und die
„unfreiwillige Obdachlosigkeit“ sei gesetzlich als eine solche Gefahr
festgelegt.
Mitarbeit: Arthur Kaiser
28 Apr 2013
## AUTOREN
Lena Kaiser
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.