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# taz.de -- Die Wahrheit: Eins, zwo, drölf
> Auch Geistesmenschen scheitern an numerischen Irrungen und irren
> Nummerierungen – am schönsten natürlich die taz: Sie kann nicht mal bis
> zwei zählen.
Bild: Zahlen sorgen scheinbar für Sicherheit und Genauigkeit, tatsächlich ebe…
Dass Fußballer es nur in den Beinen haben, ist ein Klischee, aber gestützt
von berühmten Anekdoten. So soll der Nationalspieler Horst Szymaniak bei
einer Vertragsverhandlung darauf beharrt haben, er wolle nicht ein Drittel,
sondern ein Viertel mehr; und der Trainer Fritz Langner, so wird
kolportiert, habe seinen Schützlingen befohlen: „Ihr fünf spielt jetzt drei
gegen vier!“
Dass auch Geistesmenschen an Zahlen scheitern, ist weniger bekannt.
Allerdings behauptet Thomas Mann in „Mario und der Zauberer“ glatt, eine
fünfstellige Zahl nähere sich einer Million; und in Roda Rodas Humoreske
„Meine Nordpolexpedition“ bricht der Ich-Erzähler mit „zweiundzwanzig
Leuten“ auf, doch „gaben elf schon nach zwei Tagen als zu fad auf. Die
übrigen neun verlangten bald ihre Pensionierung. Ungebrochenen Mutes setzte
ich die Forschungsreise mit dem mir verbliebenen einzigen Gefährten fort,
dem Hauptmann-Rechnungsführer a. D. Alois Prantl.“ Der rechnungsführende
Leser stutzt, denn elf plus neun plus eins ergibt nur 21.
Gut, Schriftsteller halten es halt mehr mit den Buchstaben als mit den
Zahlen. Die Zeitungsschriftsteller, die getreu berichten sollen, wie es
gewesen, können es merkwürdigerweise auch nicht besser, aber dafür
schlechter. „Fünf Tote“ habe es in Italien bei einem Überfall auf Afrikan…
gegeben, so die taz. „Die maskierten Killer waren kurz nach Mitternacht in
die Bar (…) eingedrungen und hatten das Feuer (…) eröffnet, sie
hinterließen einen Toten und mehrere Verletzte. Auf der Flucht schossen sie
auf vier weitere Afrikaner, die mit einem Kleinwagen unterwegs waren. Drei
Männer wurden getötet, der vierte ist schwer verletzt.“ Darauf, dass es
zwischen einer schweren Verletzung und dem Tod einen Unterschied gibt, legt
der Reporter vielleicht keinen Wert, der Schwerverletzte schon.
Bis fünf zählen kann auch die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine nicht:
„Auf der Berlinale werden fünf Filme von Alfred Hitchcock gezeigt werden,
die demnächst wieder in die Kinos gelangen: ’Immer Ärger mit Harry‘, ’D…
Fenster zum Hof‘, ’Cocktail für eine Leiche‘ und ’Vertigo‘.“ Die Z…
nicht einmal bis vier zählen: „Was kein Volk der Erde von sich sagen kann,
die Russen haben es: eine dreigeteilte Gegenwartsliteratur.
Alle drei Arten ergänzen und befruchten sich gegenseitig. Nach der
leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Stalinzeit und nach der
Jugendrebellion haben einige Schriftsteller die russische Seele
wiederentdeckt, andere mühen sich um die Synthese von Ost und West.“
(Nebenbei: Die Zeit irrt doppelt, denn laut dem Literaturkritiker und
Rechenkünstler Heinz Ludwig Arnold haben es auch die Deutschen: „Die drei
Sprünge der westdeutschen Nachkriegsliteratur“ hieß sein Buch von 1993 –
diese drei waren: die moralisch argumentierenden fünfziger, die
politisierenden sechziger, die privatisierenden siebziger und die
postmodern-eskapistischen achtziger Jahre.)
## Einstöckig oder zweigeschossig?
Am besten aber kann es natürlich die taz – sie kann nicht mal bis zwei
zählen. „Auch für den westlichen Beobachter“, schreibt sie über den
syrischen Bürgerkrieg, „sind Facebook und Youtube eine der raren
Möglichkeiten, etwas mehr vom Charakter des Konflikts zu begreifen.“
Eingestandenermaßen gibt es Zweifelsfälle. Ist ein zweistöckiges Haus nicht
eher ein einstöckiges, nämlich zweigeschossiges? Handelt es sich bei einer
Steigerung um 1.000 Prozent um eine Verzehnfachung (eher falsch) oder eine
Verelffachung (richtiger)? Überhaupt die Prozente! „Statistisch ist jeder
zehnte Einwohner der Bundesrepublik Deutschland ein Millionär“, behauptet
eine Kölner Bank und begründet: „Die Millionärsdichte liegt in diesem Land
bei 1,01 Prozent.“
Auch hier mischt die taz munter mit. „79 Prozent weniger Gewinn“
attestierte sie Daimler-Chrysler einst und belegte die Zahl so: „Für das
Gesamtjahr erwartet Konzernchef Jürgen Schrempp einen Gewinn von sieben
Milliarden Euro, rund drei Milliarden weniger als 1999.“ Drei von zehn sind
demnach 79 Prozent.
Eine weitere Fehlerquelle: Jahreszahlen. Dass es viel Wirrsal gab um das
dritte Millennium – richtig ist: Es begann 2001, da es kein Jahr null gab
und anders als bei den Lebensjahren nicht erst das vollendete, sondern ab
dem begonnenen Jahr gezählt wird –, bleibe außer in diesem Satz unerwähnt.
Vor allem wenn es um Zeiträume gibt, verrechnet man sich oft. Der Reporter
Herbert Watterott erinnerte sich 2003 im taz-Interview: „Ich weiß nur, dass
ich seit 1965 mit der Tour de France unterwegs bin, in diesem Jahr also zum
38. Mal.“ Es war das 39. Mal.
Zahlen sorgen scheinbar für Sicherheit und Genauigkeit, tatsächlich ebenso
für Zweifel und Unklarheit. „Mehr als 38 Prozent von einem Viertel der 520
Bundestagsabgeordneten können keine Zeitung nennen, die sie aufmerksam
lesen“, meldete einst die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine. Und diese
Glosse könnte Ihnen sogar noch x Beispiele mehr von y Prozent eines n-ten
Teils der soundso großen Menge Belege an Rechenfehlern anführen!
(Platzhalter nach Belieben zu füllen).
29 Apr 2013
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Big Data
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