# taz.de -- Schwierige Beziehungen: Homophobe Partner | |
> Norddeutsche Städte wie das ostfriesische Emden pflegen Partnerschaften | |
> mit russischen Städten. Doch dort gelten schwulen- und lesbenfeindliche | |
> Gesetze. | |
Bild: Wird das Leben und Lieben schwer gemacht: bekennende Schwule in Russland. | |
HAMBURG taz | Emden, Ostfriesland, und Archangelsk, Nordwestrussland – | |
diese beiden Städte verbindet seit 24 Jahren eine Partnerschaft. Sie | |
schicken Studenten hin und her, sprechen über Abfallentsorgung und seit das | |
Emder Clowntheater 1991 das erste Mal nach Archangelsk fuhr, pflegen die | |
beiden Städte auch den kulturellen Austausch. Nur eine Sache entdeckten die | |
Lokalpolitiker in Emden erst jetzt: die homophobe Gesetzgebung von | |
Archangelsk. | |
Vor zwei Jahren war die Stadt eine der ersten, die in Russland öffentliche | |
Aktionen verbot, „die auf Propaganda der Homosexualität unter | |
Minderjährigen“ abzielen. Symbole wie Regenbogenfahnen, Versammlungen von | |
Homosexuellen und Aufklärungskampagnen von Schwulen und Lesben stehen hier | |
schon lange unter Strafe. | |
Andere russische Städte verabschiedeten ähnliche Verbote, und im Januar hat | |
das russische Parlament ein höchst umstrittenes Gesetz zum Verbot von | |
„homosexueller Propaganda“ in erster Lesung angenommen. Die Bundesregierung | |
äußerte bereits 2011 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, | |
sie sei „besorgt über die Situation der Menschenrechte in der Russischen | |
Föderation“. | |
„Wir können das nicht hinnehmen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Emder | |
Grünen, Bernd Renken. Ein Parteifreund habe ihn auf die Rolle Archangelsks | |
aufmerksam gemacht. Jetzt wolle er Druck auf die Partnerstadt ausüben, | |
„indem man es öffentlich thematisiert und auf der politischen Ebene die | |
Kooperation zurückfährt“, sagt er. | |
Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) will ob der schlechten | |
Nachrichten über seine russische Partnerstadt nun prüfen, ob tatsächlich | |
Archangelsk das homophobe Gesetz verabschiedet hat oder ob es nicht doch | |
der gleichnamige Bezirk war. Sobald diese Frage geklärt sei, „werden wir | |
unsere Meinung kritisch äußern und über mögliche Konsequenzen beraten“, | |
sagt Bornemanns Sprecher Eduard Dinkela. | |
Der niedersächsische Lesben- und Schwulenverband hatte Bornemann bereits in | |
der ersten Aprilwoche einen Brief geschrieben. Man wolle ihn „inständig | |
bitten“, im Rahmen der Städtepartnerschaft Einfluss zu nehmen, um das | |
landesweit geplante Anti-Homosexuellen-Gesetz zu stoppen. Benjamin Rottmann | |
aus dem Verbandsvorstand sagt, er habe 17 Bürgermeister und den | |
Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) um Unterstützung gebeten. Bisher | |
sicherten ihm die Städte Oldenburg, Hatten und Zerbst zu, das Thema | |
gegenüber ihrer jeweiligen russischen Partnerstadt anzusprechen. | |
Hamburg hat diese Debatte bereits hinter sich. Als die Partnerstadt St. | |
Petersburg Anfang 2012 ein eigenes Anti-Homosexuellen-Gesetz einbrachte, | |
beschloss die Bürgerschaft einstimmig, die Russen „respektvoll“ zu | |
ersuchen, „den aktuellen Gesetzesentwurf zu überdenken“. Wolfgang Preussner | |
vom Lesben- und Schwulenverband Hamburg sagt: „Viel mehr kann man nicht | |
machen.“ | |
Mailand, ebenfalls Partnerstadt von St. Petersburg, hatte im November die | |
Kooperation aufgekündigt – aus Protest gegen das Gesetz. Auch Venedig legte | |
seine Partnerschaft auf Eis. Dieser Protest sei eine „Seifenblase“, sagt | |
Preussner. „Wir haben beschlossen, so lange es geht im Dialog zu bleiben.“ | |
Sein Landesverband steht mit russischen Aktivisten in Kontakt. Gerade sei | |
dem russischen lesbisch-schwulen Filmfestival „Side by side“ vorgeworfen | |
worden, für das Ausland zu spionieren, haben sie Preussner geschrieben. „In | |
der Regel werden sie nicht wegen des homophoben Gesetzes festgenommen, | |
sondern etwa wegen der Teilnahme an einer illegalen Demo“, sagt er. | |
Die Regierungspartei „Einiges Russland“ hat bereits einmal für ihr | |
russlandweites Propaganda-Verbot gestimmt. „Internationaler Druck“, sagt | |
Preussner, nur der könne vielleicht noch helfen, die Situation für | |
Homosexuelle in Russland zu verbessern. Die Bürgermeister von Emden oder | |
Oldenburg werden wohl nicht viel bewirken können. | |
9 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Kristiana Ludwig | |
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