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# taz.de -- Stadtabwicklung in Hamburg: Schöne neue City
> In Hamburg ist Investorensicht dem Städtebau Gesetz. Das mutmaßlich
> nächste Opfer: die City-Hochhäuser. Protokoll eines stadtplanerischen
> Trauerspiels.
Bild: Die Hamburger City-Hochhäuser waren mal Pionierbauten, aber davon will h…
HAMBURG taz | Wenn sich in Hamburg alle einig sind, ist immer Vorsicht
angebracht. Diesmal geht es um die City-Hochhäuser, vier wuchtige Bauwerke
aus den 1950er-Jahren, die dem Zug-Reisenden, kurz bevor er von Süden den
Hauptbahnhof erreicht, in den Blick fallen. „Zum Wegsehen, ein
Schandfleck!“, heißt es unisono, ob von Politgrößen oder -zwergen aus allen
Fraktionen, dem Hamburger Abendblatt, der Welt oder Mopo.
Als Ende April die Umzugspläne des dort residierenden Bezirksamts Mitte
amtlich wurden, war das der Bild ein Jubelgeschrei wert: „Endlich ist es so
weit!“, heißt es in dem Artikel. „Die vier hässlichen Klötze des
Bezirksamts am Klosterwall werden weggerissen!“ Eine Fotomontage zeigte
dazu, wie eine Abrissbirne in die Häuser kracht, versehen mit einer
Unterzeile, die ein sprechendes Beispiel abgibt für das Trauerspiel namens
Hass, der auf seine Kosten kommt: „Rumms! Die vier City-Hochhäuser am
Klosterwall werden dem Boden gleich gemacht“.
Ein paar Tage später war die Empörung umso größer, als herauskam, dass die
City-Hochhäuser aus den 1950er-Jahren unter Denkmalschutz stehen. Grundlage
ist eine Anfang Mai in Kraft getretene Gesetzesnovellierung, mit der alle
früher bloß vorläufig erkannten Denkmäler unter gesetzlichen Schutz
gestellt wurden.
Der Status des erkannten Denkmals, den auch die City-Hochhäuser seit
Längerem genossen, bedeutete nach altem Recht, dass der Eigentümer bauliche
Änderungen am Gebäude vier Wochen vor Beginn der Arbeit beim
Denkmalschutzamt anzeigen musste. Das Amt konnte dann Schritte zum Erhalt
und zur Unterschutz-Stellung einleiten, wozu aber oft die Kapazitäten
fehlten oder die Zeit zu knapp war. Als Folge hat Hamburg viel
erhaltenswerten Denkmalbestand eingebüßt. Das neue Gesetz richtet sich nun
nach Standards, die in zwölf Bundesländern zum Teil seit Jahrzehnten
praktiziert werden, der Denkmalschutz light ist in diesem Zuge abgeschafft
worden.
In einem Bericht des Abendblatts vom 3. Mai kann ein
„CDU-Denkmalschutzexperte“ damit allerdings nicht viel anfangen. „Der
SPD-Senat sollte erst denken und dann handeln“, wird er zitiert. Und dass
die City-Hochhäuser nun unter Schutz stehen, befindet der CDU-Mann für
schlichtweg „absurd“. Ohne Frage, das sind deutliche Worte. Aber die Sache
ist längst nicht so klar, und wie immer lohnt es sich, genauer hinzugucken:
sowohl auf die Gebäude als auch auf die Art, wie und von wem ihnen der Wert
abgesprochen wird. Denn über den Fall der City-Hochhäuser hinaus und der,
gelinde gesagt, unseriösen Berichterstattung über sie, steht hier zur
Debatte, wie die Stadt aussehen soll, in der wir leben.
Also zurück zum Abendblatt-Bericht, den man dreimal lesen sollte, um
Einblick in den Hamburger Städtebauprozess zu gewinnen, zurück zu dessen
„CDU-Denkmalexperten“. Der heißt Andreas Wankum. Seinen Expertenstatus hat
er wohl verdient, weil er beruflich mit Gebäuden zu tun hat. Er ist
Geschäftsführer der Immobilienentwicklungsfirma One-Vest und „seit
Jahrzehnten beiderseits des Atlantiks im Projektentwicklungsgeschäft
erfahren und gestählt“, wie es auf der Website der Firma heißt. Ansonsten
wird er als Fachsprecher für Medien, IT und Kreativwirtschaft gehandelt.
Wieso wird ein solcher Mann zum Denkmalschutz befragt? Wäre man zynisch,
könnte man sagen: Weil er immerhin schon mal mit Schandflecken Erfahrung
hat. 2004 forderte Wankum die Vertreibung von Bettlern aus der Innenstadt.
Noch absurder wird es, wenn sich der Branchenkenner-Kenner des Abendblatts
im Anschluss an Wankum gleich an den nächsten Projektentwickler wendet, und
„Branchenkenner wie Frank Bohlander, Geschäftsführer der Quantum
Projektentwicklung GmbH“ um Auskunft bittet. Die Firma ist dafür bekannt,
bei ihren Projekten, zum überwiegenden Teil Neubauten, Beteiligungsmodelle
für Investoren anzubieten, und zwar im sogenannten „opportunistischen
Segment“. Diese „opportunistischen Investitionen“ versprechen, auf die
Gunst der Stunde setzend, die höchsten Renditen überhaupt im
Immobiliengeschäft, allerdings auch mit dem höchsten Risiko. Realisiert
werden die Gewinne durch den schnellen Verkauf, sobald die
Entwicklungsmaßnahmen zum Abschluss gekommen sind. Und was fordert nun
Quantum? „Es sollte an diesem attraktiven Standort ein zeitgemäßer Neubau
entstehen.“ Man kann natürlich auch mal fordern, dass künftig Henker in
Gerichtsprozessen das Urteil fällen sollen.
Des Weiteren treten im Abendblatt-Text auf: ein SPD-Bezirkspolitiker, der
die Welt nicht mehr versteht – „dass diese im Laufe der Jahrzehnte
verschandelten Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden, ist nur schwer
nachvollziehbar“ –, und ein Finanzbehördensprecher, der mit der
Ausschreibung des Filet-Stücks befasst ist – „Natürlich wird der Aspekt
Denkmalschutz auch in der Ausschreibung eine Rolle spielen“ – und zwar, das
muss er gar nicht explizit sagen, eine ziemlich negative für den Verkauf.
Das Schlusswort hat dann Bezirksamts-Chef Andy Grote (SPD): „Nur ein Abriss
macht aus städtebaulicher Sicht Sinn. Das weiß auch die Stadt und wird
Investoren keine Steine in den Weg legen.“
Der Satz von Andy Grote ist natürlich grober Unfug, wie fast jeder Satz,
der Alternativlosigkeit behauptet. Aber etwa Stimmiges ist in deskriptiver
Hinsicht leider dran. Das rührt daher, dass die städtebauliche Sicht in
Hamburg mittlerweile so sehr dominiert wird von Investoren, von ihrer
Rendite-Erwartung und ihrer Idee von Stadt als
Konsum-Event-Touristen-und-schöner-Wohnen-Konglomerat, das man die
Gleichung aufmachen kann: Städtebauliche Sicht = Investorensicht. Voilà,
was Andy Grote wirklich gesagt hat: „Nur ein Abriss macht aus
Investorensicht Sinn. Das weiß auch die Stadt und wird Investoren keine
Steine in den Weg legen.“
Ach ja, fast vergessen: auch eine Frau kommt neben den gestählten fünf
Kerlen noch zu Wort, eine „SPD-Kulturexpertin“, von der man bislang
politisch wenig gehört hat, und die, wenn schon nicht direkt die
City-Hochhäuser, so doch immerhin mit einer bürokratischen Floskel das neue
Denkmalschutzgesetz verteidigen darf.
Kaum war der Artikel publiziert, schossen die vom Abendblatt übergangenen
Parteien, Grüne und FDP, ihre Pressemitteilungen hinterher, um auf Abriss
zu plädieren. Und einen Tag später konnte die Presse bereits mit dem
Rückzieher der Kulturbehörde herumwedeln: „Aufgrund des hohen
Sanierungsbedarfs und der hohen städtebaulichen Bedeutung des Standorts“
sei ein Abriss trotz des Denkmalschutzes zulässig, zitieren Welt und
Abendblatt einen Behördensprecher. Dazu müsste man hinzufügen, dass laut
einer Senat-Antwort die Kosten für Sanierung und Modernisierung zwar nicht
weniger, aber auch nicht mehr als die Kosten für einen Neubau betragen
würden – also durchaus tragbar wären. Womit als Argument nur die
städtebauliche Bedeutung übrig bleibt.
Die sahen die amtlichen Denkmalschützer auf besondere Weise in den
City-Hochhäusern gegeben. Durch ihre wuchtige Form markieren sie einen
Eingang zum Kontorhausviertel, in ihrer Staffelung bringen sie die
Topografie des Geesthangs zur Geltung. Für die Fassade hatte der Architekt
Rudolf Klophaus einen innovativen, sehr hellen Kunststein verwendet, der
unter der jetzigen, in der Tat tristen Verkleidung noch erhalten ist.
Betrachtet man die alten Fotos, leuchtet die frühere dezente Eleganz der
Häuser unmittelbar ein.
In ihre alte Form zurückversetzt, würden sie als Hamburgs erste Hochhäuser
nach dem zweiten Weltkrieg den hoffnungsvollen Neubeginn der „Happy
Fifties“ verständlich machen. Sie würden, gerade in ihrem Kontrast zum
Klinker des Kontorhausviertels, den Versuch der Architektur symbolisieren,
mit der alten Geschichte zu brechen – und eine lichte, egalitäre, ja:
demokratische Gesellschaft zu imaginieren.
An diesen Bruch mit der Geschichte will man heute nicht mehr erinnert
werden. Jedenfalls nicht im Herzen Hamburgs. Der Ausschreibung der Stadt
lässt sich entnehmen, dass traditionelle Blockrandbebauung und dunkler
Klinker für den Neubau gefordert wird, und zwar „im direkten Zusammenhang
mit der potentiellen Welterbestätte Ensemble Kontorhausviertel“, wie es in
aller Deutlichkeit heißt. Statt Bruch mit der Geschichte nun also
Kontinuität durch Abbruch, statt Differenz im Stadtbild ein
identitätspolitisches Bauen, das auf das ach so gute, alte, gediegene
Hamburg – was immer das sein soll – setzt.
Nur: Mit Kultur hat das nichts zu tun. Umso mehr mit Vermarktung. Die
Investoren und deren Freunde in der Springer-Presse werden sich die Hände
reiben, denn nichts lässt sich besser an den Mann bringen als ein mit den
Weihen der Tradition besprenkelter Neubau. Und die Stadtmarketing-Menschen
dürften schon ganz aus dem Häuschen sein angesichts der Aussicht, dass
Hamburg künftig über ein Tor zum Kontorhausviertel verfügen wird, das jedem
Besucher sofort verständlich sein wird, das keinem Besucher mehr Wissen
abfordert oder einen Gedanken, oder auch nur einen zweiten Blick.
Nein, ein Schandfleck wird am Klosterwall bald nicht mehr zu sehen sein.
Womöglich aber ein Gebäude, das in seiner Investoren- und
Stadtmarketing-Angepasstheit genauso zum Wegsehen sein wird, wie es das
Schauspiel um die City-Hochhäuser jetzt schon ist.
9 May 2013
## AUTOREN
Maximilian Probst
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