# taz.de -- Berufungsprozess gegen „Carlos“: „Schakal“ sorgt sich ums I… | |
> Er nennt sich „Berufsrevolutionär“, sein Feind ist der „Imperialismus�… | |
> Nun steht Ilich Ramírez Sánchez alias „Carlos“ erneut vor Gericht. | |
Bild: Carlos größte Sorge scheint es zu sein, dass jüngere Häftlinge nicht … | |
PARIS taz | Rund dreißig Jahren sind vergangen seit den blutigen | |
Anschlägen, die dem Terroristen Ilich Ramaírez Sánchez, besser bekannt | |
unter dem Namen „Carlos, der Schakal“, ab Montag in einem | |
Berufungsverfahren zur Last gelegt werden. Der heute 63-jährige Venezolaner | |
ist wegen dieser Anschläge, bei denen insgesamt 11 Menschen getötet und 150 | |
verletzt worden waren, 2011 bereits zu lebenslänglicher Haft und einer | |
Sicherheitsverwahrung von 18 Jahren verurteilt worden. | |
Obwohl er sich damals vor der ersten Instanz mit terroristischen Aktionen | |
brüstete, die „1.500 bis 2.000“ Opfer gefordert hätten, legte er gegen den | |
Schuldspruch Berufung ein. Der Justiz sei es nicht gelungen, ihm etwas zu | |
beweisen und ihn in Verbindung mit den vier Attentaten von 1982 und 1983 zu | |
bringen. Carlos soll damit die Freilassung seiner damaligen Frau, Magdalena | |
Kopp, und des seit 1995 verschwundenen Komplizen aus der Schweiz, Bruno | |
Breguet, erzwungen haben wollen, sagt die Justiz. | |
Auch zwei Mitangeklagte, der in Deutschland bereits inhaftierte Johannes | |
Weinreich sowie ein weiterhin flüchtiger Palästinenser, Ali Kamal Issawi, | |
wurden (in absentia) 2011 wie Carlos zur Höchststrafe verurteilt. Einen | |
Freispruch gab es dagegen für die heute in Freiheit lebende Deutsche | |
Christa Fröhlich, deren Beihilfe bei einem der Attentate gemäß den Richtern | |
nicht erwiesen war. Gegen diesen Entscheid hat die Pariser | |
Staatsanwaltschaft ihrerseits Berufung eingelegt. Die heute über 70 Jahre | |
alte Fröhlich dürfte wie schon 2011 den Verhandlungen fernbleiben. | |
Vor der Berufungsinstanz des Pariser Sondergerichts für Terrorismus müssen | |
Fakten aufgerollt werden, die sich vor dreißig Jahren abgespielt haben. | |
Angriffsziele der Terroristen waren ein Zug Paris–Toulouse, das Pariser | |
Büro der Zeitung Al Watan, der Hauptbahnhof von Marseille und ein TGV | |
Marseille–Paris. | |
## Indizien in Staatsarchiven gefunden | |
Erst der Zugang zu Staatsarchiven ehemaliger Ostblockländer, wo Carlos auf | |
der Flucht untergetaucht war, hatte es der Staatsanwalt ermöglicht, | |
Indizien und Beweise für die Urheberschaft zu finden. Drei Jahre nach | |
seiner Festnahme im Sudan 1994 und seiner Auslieferung wurde Carlos wegen | |
der Ermordung von zwei Polizisten und eines Informanten definitiv zu | |
„lebenslänglich“ verurteilt. | |
Carlos hat schon seit Langem nichts mehr zu verlieren außer seinem Rennomee | |
als Schreckgespenst. Seine größte Sorge scheint es zu sein, dass jüngere | |
Häftlinge nicht mehr wissen, wer ihr berühmter Zellennachbar ist: Ein | |
weltweit gefürchteter Terrorist, der unter anderem die spektakuläre | |
Geiselnahme von elf Opec-Ministern in Wien 1975 organisiert hat. | |
## Eitel, grau und rundlich | |
Er ficht vor Gericht einen verlorenen Kampf gegen das Vergessen der | |
Zeitgenossen aus. Seine Tiraden gegen den „Imperialismus“, seine Berufung | |
auf die Sache der Palästinenser oder die „arabische Revolution“ tönen mit | |
der Zeit immer hohler. „Ich bin Berufsrevolutionär“, hatte der stets eitel | |
gekleidete, aber ergraute und rundlich gewordene Carlos zu Beginn der | |
letzten Verhandlung erklärt. | |
Mithilfe seiner Anwälte versucht er, das Gericht in eine politische Bühne | |
zu verwandeln. Zum Team seiner Verteidiger gehört auch die Anwältin | |
Isabelle Coutant-Peyre, die der zum Islam konvertierte Carlos in einer | |
religiösen Zeremonie zu seiner dritten Ehefrau erklärt hat. | |
13 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
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