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# taz.de -- TOLERANZ: Balkan-Pop gegen Vorurteile
> In Neukölln feiern Roma und Nichtroma ein gemeinsames Fest zu Ehren des
> heiligen Georg.
Bild: Frühling im Flughafenkiez: Menschen tanzen beim Herdelezi Roma Kulturfes…
Greller Balkan-Pop dröhnt an diesem Samstagvormittag durch den
Flughafenkiez in Neukölln. Folgt man der Tonspur bis in die Boddinstraße,
steht man unvermittelt vor einer kleinen Bühne, die umringt wird von einer
tanzenden Menschenmenge. Frauen, Kinder und Männer halten sich an den
Händen und hüpfen jauchzend im Kreis. Über alldem ein Banner, auf dem in
bunten Buchstaben steht: „Herdelezi“.
„Herdelezi ist Romani und bezeichnet ein Fest zu Ehren des heiligen Georg,
Drachentöter und Schutzheiliger der Roma. Ein Frühlingsfest, das von
Christen und von Muslimen gefeiert wird“, erklärt Andrea Wierich vom Verein
Amaro Foro.
Ihr Büro am Weichselplatz hat die junge Frau heute gegen Bierbank und
Holztisch eingetauscht. Am Stand nebenan binden Kinder Blumenkränze. Ein
paar Meter weiter führt eine Theatergruppe ein Stück über die Geschichte
der Roma auf.
Seit fünf Jahren organisiert die Jugendorganisation Amaro Foro, in der sich
Roma und Nichtroma gemeinsam engagieren, das „Herdelezi Roma
Kulturfestival“. Das Fest solle ein Ort der Begegnung sein, des kulturellen
Austauschs und helfen, Ressentiments gegen Roma und Sinti aufzulösen. „Wir
erleben jeden Tag, dass Roma im Alltag mit rassistischen Vorurteilen zu
kämpfen haben“, erzählt Wierich, die Hände überm Tisch gefaltet.
Da sei zum Beispiel eine Romni gewesen, die ein Bankkonto eröffnen wollte
und von der Bankangestellten gefragt wurde, ob sie denn auch regelmäßig
einen Deutschkurs besuche. „Roma gelten in der Mehrheitsgesellschaft oft
als integrationsunwillig, faul oder ungebildet“, sagt Wierich und schüttelt
den Kopf. Das gehe mittlerweile sogar so weit, das viele Roma aus Angst vor
Ablehnung ihre Herkunft verschweigen würden.
„Wir wollen das ändern, auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben“,
erklärt Andrea Wierich. Warum sie sich als Nichtroma im Verein engagiert?
„Idealismus und die Erkenntnis, dass es ein Volk gibt, das seit
Jahrhunderten unterdrückt und verfolgt wird“, antwortet sie und lächelt
etwas verlegen.
An der Bühne steht Emran Elmazi, Vorsitzender des Verbands junger Roma und
Nichtroma“. Über sein Hemd hat sich der junge Roma ein knallgrünes T-Shirt
gestreift, mit der Aufschrift Amaro Foro. Das T-Shirt tragen heute alle
ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins. Eigentlich sei er für das Fest gar
nicht eingeplant gewesen, erzählt Elmazi, schließlich habe er sich aber
breitschlagen lassen, die Moderation zu übernehmen. Er wird unterbrochen.
Auf der kleinen Bühne spielen sich tumultartige Szenen ab. Die
internationale Jugendgruppe von Amaro Foro spielt Theater. Elmazi lacht ein
lautes Lachen und sagt, das Fest sei eben noch jung, erst fünf, da müsse
man noch lernen.
Nachdem sich das Chaos gelegt hat, spricht Elmazi weiter. Für ihn sei
Herdelezi ein Zeichen gegen Unterdrückung. Ein Akt der Selbstbehauptung, an
dem alle teilnehmen sollen: Roma, Nichtroma, Muslime und Christen.
„Hauptsache, alle kommen zusammen“, ruft Elmazi noch, während er sich
schnell seinen Weg auf die Bühne bahnt, um eine kurze Ansage zu machen.
Gleich wird die Romany Dance School auftreten.
Weiter unten, Richtung Rathaus Neukölln, stehen zwei Männer und eine
Handvoll Kinder um ein Fahrrad herum. An dem Stand neben sich haben sie ein
Schild gehängt, das anschaulich erklärt, wie die Teile am Fahrrad heißen.
Einer der beiden Männer ist Talu Tüntas, Geschäftsführer des Vereins
Neuköllner Taschengeld. „Wir möchten Amaro Foro mit unserer Präsenz
unterstützen. Wir im Flughafenkiez sind Nachbarn und helfen uns
gegenseitig. Viele Roma-Kids kommen auch in unsere mobile Fahrradwerkstatt,
da ist es selbstverständlich, dass wir heute hier sind“, antwortet der
junge Türke.
Ganz am Ende der Boddinstraße, Ecke Karl Marx Allee, steht der Wirt des
Bergkrugs in der Tür und beäugt missmutig die Straße. Hinter ihm, im
Halbdunkel, ältere Herren, die sich fröhlich zuprosten. „Wir haben damit
nichts zu tun“ entgegnet der Kneipier auf die Frage, wie er sich zu dem
nachbarschaftlichen Fest verhalte: „Das ist deren Fest, sollen sie doch
machen. Ist uns egal.“ Ihn störe nur, dass die Straßensperre seine Kunden
abhalten könne.
12 May 2013
## AUTOREN
Gesa Steeger
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