# taz.de -- Kommentar: Neue Anlage: Gut, dass sie nicht geschlossen wurde | |
> Die Müllverbrennungsanlage galt Anfang der 1990er-Jahre als „Deutschlands | |
> größte Dioxinschleuder“ | |
Bild: Vom Kraftwerkskessel zur neuen Dampfturbine: Rohre im Müll-Heiz-Kraftwer… | |
Die Bremer Müllverbrennungsanlage (MVA) solle stillgelegt werden, der Müll | |
aus Bremen in die Bremerhavener „Müllbeseitigungsanlage“ gefahren werden, | |
das erklärte im Jahre 1990 die Bremer Umweltsenatorin Eva-Maria | |
Lemke-Schulte (SPD). „Die Bremer Müllverbrennungsanlage ist die größte | |
Dioxinschleuder unter den bundesdeutschen Müllverbrennungsanlagen, sie muss | |
stillgelegt werden“, das hatten die Grünen schon 1988 gefordert. | |
Die waren damals noch Oppositionspartei. Die SPD hatte nicht auf die Grünen | |
gehört, sondern reagierte auf Messergebnisse: Dioxin, das tödliche Gift, | |
war in erheblicher Konzentration in der Rauchgasfahne der | |
Müllverbrennungsanlage gemessen worden. Seveso war überall und Tschernobyl | |
sowieso. Auf Druck der Gesundheitssenatorin wurde die Milch von Kühen, die | |
in der Nähe der Bremer Müllverbrennungsanlage weideten, auf Dioxin | |
untersucht. 1991 berichtete der Spiegel, dass große Mengen | |
dioxinverseuchten Baustoffs auf Bremer Spiel- und Sportplätzen ausgelegt | |
worden seien – Schlacke aus der Müllverbrennung. Im Bürgerpark waren damit | |
die Wege gemacht worden. Die Bremer MVA sollte stillgelegt, der Müll nach | |
Bremerhaven gefahren werden. Dafür hielt die Müllbeseitigungsanlage | |
Bremerhaven Kapazitäten frei – und kassierte im Rahmen eines | |
Optionsvertrages Jahr für Jahr mehrere Millionen Mark. | |
Doch in der Zeit des grünen Umweltsenators Ralf Fücks (1991–1994) setzte | |
ein Umdenken ein – die MVA wurde nicht stillgelegt, sondern modernisiert. | |
Neue Technologien waren entwickelt worden, um die Dioxine aus dem Rauchgas | |
herauszufiltern. Die Verbrennungstemperaturen konnten gesteigert werden, | |
der nasse Biomüll wurde getrennt gesammelt. Schon 1993 waren die | |
Müllverbrennungswerke nicht mehr „Dioxinschleudern“, sondern | |
Dioxinvernichter, also Entgiftungsapparate. | |
Die DDR hatte direkt hinter der innerdeutschen Grenze bei Schönberg eine | |
riesige Giftmülldeponie angelegt, auf der die westdeutschen Müllfirmen – | |
auch aus Bremen – ihren Müll weitgehend unkontrolliert gegen harte Devisen | |
abkippen konnten. Mit der Innovation der Verbrennungstechnologie kam die | |
Deponierung in Verruf. | |
Diese Müllpolitik ist ein frühes Beispiel dafür, wie technologische | |
Innovationen Umweltprobleme nachhaltig lösen können – ohne an anderer | |
Stelle neue zu schaffen. | |
17 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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