# taz.de -- Asyl: Zwischen allen Stühlen | |
> Die Nuhis sollen nach Serbien abgeschoben werden, wo sie diskriminiert | |
> wurden. Zurück ins Kosovo können sie erst recht nicht. Am Dienstag tagt | |
> der Petitionsausschuss – ihre letzte Chance. | |
Bild: Eine Kirche wie diese könnte für die Nuhis zur letzten Chance werden. | |
Elmen Nuhi geht gerne in die Schule, er ist ein Mathe-As. Aber gerade ist | |
der 15-Jährige so etwas wie der Manager seiner Familie. Der Vater liegt im | |
Krankenhaus, um ihn kümmert sich die Mutter. Und Elmens kleiner Bruder | |
Elgin ist erst neun. Am vergangenen Freitag sollten alle vier nach Serbien | |
abgeschoben werden. Sie haben Angst. In diesen Tagen beschafft der | |
schüchterne Jugendliche Papiere für den Petitionsausschuss des | |
Abgeordnetenhauses. Am heutigen Dienstag steht das Thema auf der | |
Tagesordnung, wie Ausschussvorsitzender Andreas Kugler (SPD) gegenüber der | |
taz bestätigte. | |
Von Serbien sind die Nuhis vor gut drei Jahren nach Deutschland geflohen. | |
Eigentlich stammt die Familie aus dem Kosovo. Sie gehören zu den Goranen, | |
einer kleinen slawischen Volksgruppe, die im Südwesten in eigenen Dörfern | |
lebt. 18.000 Goranen gibt es. Jeder dritte von ihnen ist nach Angaben des | |
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR bereits aus dem Kosovo geflohen. Viele haben | |
in Europa Asyl erhalten. | |
Familie Nuhi floh nach dem Ende des Kosovokrieges nach Serbien. Der Vater | |
war Verkehrspolizist gewesen, Uniformträger also, und wurde somit von | |
Kosovaren als Teil des serbischen Apparats wahrgenommen. „Die Albaner | |
beschlagnahmten unser Haus und unser Auto und schworen unserer Familie | |
Blutrache“, sagt Sohn Elmen – ein Todesurteil quasi. | |
Als ehemaliger serbischer Polizist war der Vater in Serbien zunächst | |
willkommen. Das änderte sich aber bald: Goranen tragen albanische | |
Familiennamen, werden von den meisten Serben als Kosovaren wahrgenommen und | |
rassistisch ausgegrenzt. Der Vater durfte nicht mehr als Polizist arbeiten, | |
er bekam eine Arbeit in der Pathologie zugewiesen. Elmen wurde in der | |
Schule schikaniert. Einzelheiten darüber erzählt er nicht gern. Nur so | |
viel: „In meiner Berliner Schule fühle ich mich wohl. Ich möchte das Abitur | |
machen und in der IT-Branche arbeiten. Mit unserem Namen habe ich in | |
Serbien keine Chance.“ | |
Ein ärztliches Gutachten bescheinigt dem Vater eine Traumatisierung | |
aufgrund der Ausgrenzung und Bedrohung im früheren Jugoslawien. Doch im | |
Asylverfahren spielten Gutachten, Ausgrenzung und Blutrache kaum eine | |
Rolle. Familie Nuhi hatte sich durch einen Anwalt vertreten lassen, der | |
kein Fachmann im Ausländerrecht war und diese Argumente nicht mit Fakten | |
untermauerte. Als die Familie im vergangenen Winter zu Ellen Apitz, einer | |
auf Ausländerrecht spezialisierten Anwältin, wechselte, war das | |
Asylverfahren bereits abgeschlossen. | |
Zwar hatte die Härtefallkommission aufgrund der guten Integration der | |
Familie sich für ein humanitäres Bleiberecht ausgesprochen, aber | |
Innensenator Frank Henkel (CDU) folgte dem Votum nicht. Auch das | |
Oberverwaltungsgericht sah eine Abschiebung als unproblematisch an. | |
Anwältin Apitz hält den Vater für „nachweisbar suizidgefährdet“, aber �… | |
Gericht befand es für ausreichend, dass er während der Abschiebung mit | |
Tabletten ruhiggestellt und durch einen Arzt begleitet wird und in Serbien | |
bei Bedarf ärztlich behandelt wird“. Ob eine Traumatherapie für Goranen in | |
Serbien überhaupt möglich ist? Apitz, die die Landessprache beherrscht, hat | |
in zwei serbischen Krankenhäusern recherchiert: „Dort nimmt man Patienten | |
nur auf, wenn die Kostenübernahme klar ist. Für Menschen ohne Wohnsitz in | |
Serbien und vor allem für Nicht-Serben übernehmen die Behörden keine | |
Kosten.“ | |
Dabei ist Familie Nuhi eine Familie, die Berlin braucht. Bevor die | |
Abschiebung entschieden wurde und Vater Nuhi erkrankte, hatte er in einer | |
katholischen Kirche ehrenamtlich als Hausmeister gearbeitet. „Deutschland | |
gibt mir Sozialhilfe. Da muss ich doch arbeiten“, argumentiert er in gutem | |
Deutsch. Die Mutter hat eine Berufsvorbereitung und ein Praktikum als | |
Altenpflegerin absolviert – in Deutschland immer noch ein Mangelberuf. Ihr | |
Praktikumsbetrieb würde sie sofort einstellen, wenn sie denn arbeiten | |
dürfte, steht auf einer Bescheinigung. Elmens jüngerer Bruder ist | |
Klassensprecher in einer dritten Klasse einer Spandauer Grundschule. | |
Sollten der Petitionsausschuss oder der Innensenator wieder gegen die Nuhis | |
entscheiden, bleibt ihnen als allerletzter Ausweg das Kirchenasyl. Der | |
Fünfzehnjährige hat bereits Kontakt zu Kirchengemeinden aufgenommen. | |
28 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |