# taz.de -- Moritz Thape über den Rauswurf Kurt Hübners: „Ich bin der Buhma… | |
> Mit einer eigenen Produktion feiert das Theater Bremen die legendäre Zeit | |
> seines von der Fachwelt umjubelten Intendanten. | |
Bild: "Ich habe mich nur gegen bestimmte Dinge gewehrt, die vom Theater und Hü… | |
taz: Herr Thape, sind Sie der Hübner-Killer? | |
Moritz Thape: Ach was. Gar nicht. | |
Einer der Nachfolger Kurt Hübners als Intendant hat Sie so genannt, weil | |
Sie den umjubelten Theaterchef 1973 rausgeworfen haben. Oder stimmt das | |
nicht? | |
Doch, habe ich – und zu Recht. | |
Aber – der große Hübner! Vielen gelten seine Bremer Jahre als die goldenen | |
des bundesdeutschen Schauspiels! Und das Bremer Theater widmet ihnen sogar | |
eine eigene Produktion! | |
Hübner ist zwar von allen Feuilletonisten der überregionalen Zeitungen | |
gelobt worden, aber das Bremer Publikum ist weggeblieben. Die haben da | |
nicht mehr mitgemacht. Also mussten wir eine Trennung vornehmen, um wieder | |
zu Verhältnissen zu kommen, die einer Stadt wie Bremen zuträglich sind. | |
War den Abonnenten das Bremer Theater zu modern? | |
Es war zu unübersichtlich. Es waren ja auch Inszenierungen dabei, die alles | |
auf den Kopf gestellt haben. Peter Zadek hat in den 90er-Jahren in der Zeit | |
mal geschrieben: Wir haben die Theater leer gespielt, es wird jetzt Zeit, | |
dass wir wieder das Publikum reinbringen. Zadek hat also sehr genau | |
gewusst, was sie da gemacht haben – sie haben zum Teil gegen große Teile | |
des Publikums gespielt. Die Hübner-Jahre sind ja nicht allein durch Hübner | |
geprägt worden, sondern durch die Inszenierungen, die er zugelassen hat. | |
Peter Zadek hat da einen großen Anteil. | |
Wird diese Zeit heute verklärt? | |
Die ist damals schon verklärt worden. Ich bin dabei der Buhmann, und das | |
wird auch so bleiben. Aber es stört mich nicht. | |
In ihrer Zeit als Senator wurden viele Schulen gebaut und auch die | |
Universität gegründet – und doch bleiben Sie in Erinnerung vor allem als | |
derjenige, der Kurt Hübner den Stuhl vor die Tür gestellt hat … | |
Dabei war ich das nicht alleine: Es gab ein Gremium, dass da | |
mitzuentscheiden hatte, in dem Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft, | |
aber auch Vertreter des Theaters saßen. Wir haben gemeinsam entschieden, | |
uns von Hübner zu trennen. | |
Aber Sie wollten ihn schon vorher loswerden! | |
Im Jahr zuvor gab es dagegen große Proteste, mit Fackelzügen der | |
Jungsozialisten und so, also hatte ich mich bereit erklärt, das Engagement | |
noch ein Jahr fortzusetzen. Ich wollte damals eine Normalisierung des | |
Theaters erreichen. Bremen sollte wieder ein Theater bekommen, das von den | |
Bremern angenommen wird. | |
Als Hübner ging, gab es 7.000 Solidaritätsunterschriften für ihn. | |
Das ist ja kein Problem, die zu bekommen. | |
Wurde es mit dem Nachfolger Peter Stoltzenberg besser, der Größen wie | |
George Tabori, Evelyn Hamann und Barbara Sukowa nach Bremen holte? | |
Zunächst nicht besonders. Aber ab 1975 war ich dann auch nicht mehr als | |
Senator für das Theater verantwortlich. | |
Kurt Hübner hat als Intendant viel Geld ausgegeben. War das auch ein Grund, | |
ihn rauszuwerfen? | |
Einmal hat er eine Kulisse für 60.000 Mark bauen lassen – um sie dann | |
wegzuwerfen, es ist Honorar geflossen, um Shakespeare-Übersetzungen noch | |
einmal zu übersetzen und so weiter. Aber diese Dinge waren an sich nicht | |
der Grund, warum ich auf eine Änderung gedrängt habe. Im Übrigen: Es gibt | |
ja bis heute kaum ein Theater in Deutschland, wo ein Intendant so lange | |
tätig sein kann wie Hübner damals in Bremen. Es ist ja nicht so, dass wir | |
ihn nach kurzer Zeit gedrängt hätten, zu verschwinden. | |
Danach hat Hübner nie wieder die Intendanz eines Stadttheaters bekommen: | |
Die Freie Volksbühne in West-Berlin, wo er bis 1986 war, hatte nicht mal | |
ein eigenes Ensemble … | |
Ja genau: Warum wohl haben sich die vielen Leute, die ihn vorher so gelobt | |
und gefeiert hatten, nicht in Scharen um ihn gerissen? Es ist leichter, | |
jemand zu loben, wenn er woanders etwas macht. Da war eine Menge | |
Unehrlichkeit dabei. | |
Doch Hübners Ära in Bremen gilt vielen als fruchtbarste Phase des deutschen | |
Theaters. Wie schätzen Sie das ein? | |
Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet. Ich kann diese Frage nicht | |
beantworten. | |
Hübner soll beklagt haben, dass Sie sich gar nicht fürs Theater | |
interessierten. | |
Das stimmt nicht. Ich habe damals fast jede Premiere mitgemacht. Wenn | |
jemand gesagt hat, ich sei damals nie im Theater gewesen, so ist das eine | |
glatte Lüge! Im Übrigen hatte ich damals aber ganz andere Sorgen: Bremen | |
war in dieser Zeit eine der kinderreichsten Großstädte in Deutschland. Wir | |
mussten Schulen bauen, Schulen bauen und nochmals Schulen bauen. Und ich | |
hatte große Auseinandersetzungen wegen der Universität, die damals als rote | |
Kaderschmiede verschrieen war und heute als Exzellenz-Uni einsame Spitze | |
ist. Das Theater war eine Marginalie. | |
Sie waren nur nebenbei Kultursenator? | |
Nein, aber ich habe viele andere Aufgaben anpacken müssen. | |
War das politische Bremen gar nicht stolz auf den Ruhm des „Bremer Stils“? | |
Für den war eigentlich mehr Peter Zadek verantwortlich. Hübner hat vor | |
allem Menschen tätig sein lassen, die etwas Neues versucht haben. Das ist | |
sicher sein Verdienst gewesen. Aber man muss auch die Wünsche und | |
Geschmäcker der Bürger berücksichtigen. Das war der Vorwurf: Hübner hat | |
anderes als den „Bremer Stil“ nicht zugelassen. Der wurde überall gefeiert, | |
aber keiner hat ihn übernommen. | |
Hübner wollte danach lange Zeit nicht wieder nach Bremen kommen. | |
Stattdessen, so wird erzählt, hatte er auf der Toilette einen Hampelmann | |
hängen – mit ihrem Konterfei…! | |
Warum auch nicht? Ich habe nichts dagegen. | |
Was war er für ein Mensch? | |
Ich habe ihn bei Premieren als zugänglichen Menschen erlebt. | |
Haben Sie sich je mit ihm versöhnt? | |
Nein, wir hatten uns ja nicht gestritten. Ich habe mich nur, auch als | |
Verantwortlicher für die Finanzen, gegen bestimmte Dinge gewehrt, die vom | |
Theater und Hübner als selbstverständlich beansprucht wurden. Und die wir | |
nicht bezahlen konnten. Das ging auf Dauer nicht gut. Ausgaben und | |
Einnahmen mussten doch zumindest ein bisschen in Einklang gebracht werden. | |
Wir haben ja jeden Theaterplatz mit mehr als 100 Mark subventioniert. | |
Bundesweit in der Kritik stand damals auch der Leiter der Kulturverwaltung, | |
Eberhard Lutze – wegen seiner NS-Vergangenheit. | |
Man hat ihm vorgeworfen, 1939, als junger Wissenschaftler, den Veit | |
Stoß-Altar in Krakau demontiert zu haben, im Auftrag der Berliner | |
Kulturverwaltung der Nazis. Er hat das gemacht – aber was hätte er denn tun | |
sollen? In dieser Zeit haben viele Deutsche Dinge gemacht, die uns nicht | |
gut getan haben. In allen Verwaltungen Deutschlands gab es damals Leute, | |
die auch während der Nazi-Zeit tätig waren. Auch Kurt Hübner hatte meines | |
Wissens unter den Nazis in einer Propaganda-Kompanie der Wehrmacht gedient. | |
Nur ist ihm das nie vorgeworfen worden, weil man ihn gerne hatte. | |
## „War da was? Die Hübner Jahre“: heute, 20 Uhr, Theater Bremen | |
30 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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