# taz.de -- Islamisches Zentrum abgebrannt: Noch ein Anschlag in London | |
> Vermutlich ein Angriff: Zwei Wochen nach dem islamistischen Soldatenmord | |
> geht das islamische Zentrum al-Rahma in Nordlondon in Flammen auf. | |
Bild: Feuerwehreinsatz vor dem Al-Rahma-Zentrum in London. | |
LONDON taz | Omar Ali fehlen die Worte. Fassungslos steht der Somali vor | |
der ausgebrannten Ruine des islamischen Zentrums Al-Rahma im Nordlondoner | |
Stadtteil Muswell Hill. „Hier halten sich doch nur Kinder und Jugendliche | |
auf“, sagt der 40-Jährige. „Wir geben hier islamischen und arabischen | |
Unterricht und auch allgemeine Schulnachhilfe.“ | |
Al-Rahma ist eines von vielen islamischen Zentren in London, in denen sich | |
neben den Gebetsräumen somalische Migranten um ihre Kinder kümmern. Hier | |
versammelt sich die Minderheit der Brawanesen, also die Bewohner der | |
südsomalischen Küstenregion Baraawe. Jetzt stehen von al-Rhama nur noch die | |
Mauern, das Dach ist verkohlt und eingestürzt. Auf einer Außenmauer prangen | |
die Buchstaben EDL – die rechtsradikale „English Defence League“. | |
Nach Angaben der Londoner Polizei wird das Feuer derzeit als potenzieller | |
Brandanschlag untersucht. Es brach Mittwoch früh im Morgengrauen aus. Opfer | |
gab es nicht, denn es hielt sich niemand im Gebäude auf. | |
Das Zentrum al-Rahma steht nahe einer Schnellstraße, die in Hochburgen des | |
Rassismus im nördlichen und östlichen Umland führt. Auf der anderen | |
Straßenseite steht ein gigantischer Supermarkt. Die Gegend ist gemischt, | |
Leute aus der ganzen Welt leben in Eigenheimen, dazwischen Sozialwohnungen. | |
Nicht weit vom Tatort ermahnt eine Nelson-Mandela-Gasse zur internationalen | |
Solidarität. | |
## Täter kamen nicht aus der Nachbarschaft | |
Der 25-jährige Ahmad Ali ist einer der Lehrer von al-Rahma. Er meint, das | |
Zentrum wurde angezündet, weil es islamisch ist – als Reaktion auf den Mord | |
an einem britischen Soldaten durch zwei Muslime nigerianischen Ursprungs in | |
Woolwich am 22. Mai. „Wenn es ein rassistischer Angriff war, dann will ich | |
allen klar sagen: Wir haben nichts damit zu tun, was in Woolwich passiert | |
ist“, sagt er. | |
Alle hier sind sich sicher: Die Täter kamen nicht aus der Nachbarschaft. | |
Al-Rahmas Direktor Abubakhar Ali erzählt, dass die Schule nebenan, die | |
Kirche gegenüber und eine Synagoge in der Nachbarschaft bereits | |
solidarische Hilfe angeboten und ihre Räume bis auf Weiteres zur Verfügung | |
gestellt haben. Aber er ist dennoch beunruhigt. „Ich lebe seit 20 Jahren | |
hier und gehe oft auch noch spät in der Nacht auf die Straße. Ich hätte nie | |
geglaubt, dass in einer so ruhigen Gegend so etwas passieren kann.“ | |
Ali war einst vor Somalias Krieg nach London geflohen. Erst vor Kurzem war | |
er zum ersten Mal seit 23 Jahren überhaupt wieder in Somalia, nachdem die | |
islamistischen Shabaab-Rebellen aus der Hauptstadt Mogadischu | |
zurückgedrängt worden sind. Aber Mogadischu ist nach wie vor nicht sicher, | |
London jetzt wohl auch nicht, und aus Südafrika kam auch gerade eine | |
Meldung über die Steinigung eines somalischen Zuwanderers. „Wo kann man | |
noch sicher sein?“, fragt er. | |
## „Auge um Auge“ | |
Unter den Schaulustigen stehen auch ein paar weiße Jugendliche in | |
Sportklamotten mit Fahrrädern. Ja, es war wohl ein rassistischer Angriff, | |
sagt der 17-jährige Ben. „Auge um Auge“, fügt er hinzu. Genau dieselben | |
Worte wie der Soldatenmörder Michael Adebolajo vor der Kamera in Woolwich | |
vor zwei Wochen. Ben weiter: „Die Muslime haben unseren Soldaten | |
umgebracht. Das ist eben ihre Kultur.“ Dann fällt ihm aber ein, dass er | |
Leute aus dem Al-Rahma-Zentrum kennt, Mohammed und Mahdi heißen sie. Die | |
würden so etwas nie tun, betont er. | |
Seit dem Mord von Woolwich verbucht die Hotline „Tell Mama“ 220 islamophobe | |
Angriffe in Großbritannien – ein erheblicher Anstieg, wenngleich zuletzt | |
wieder ein Rückgang einsetze, auf „normale“ sechs Übergriffe täglich, sa… | |
Fijaz Mughal von der Hotline. Im Internet kursierten Drohungen gegen | |
Moscheen – jetzt seien aus den Worten Taten geworden, analysiert er. | |
Die Polizei tue, was sie könne, aber vielen islamischen Gemeinden sei immer | |
noch nicht klar, wie wichtig eigene Sicherheitsvorkehrungen sind. „Man kann | |
in viele Gemeinden immer noch frei und unbewacht hineinlaufen, bei den | |
meisten gibt es nicht einmal Überwachungskameras.“ Auch bei dem | |
abgebrannten Zentrum in London gab es keine Sicherheitsvorkehrungen. | |
Somalis, meint Mughal, seien das schwächste Glied in der islamischen | |
Gemeinschaft, und das hätten die Rechtsradikalen erkannt. „Viele Angriffe | |
auf verschleierte somalische Frauen werden gar nicht gemeldet, weil die | |
Somalis die neueste Zuwanderungsgruppe sind und oft gar nicht wissen, an | |
wen sie sich wenden sollen.“ | |
6 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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beschuldigt. |