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# taz.de -- Sicherheit: Grüne: Verfassungsschutz verzichtbar
> Der Innenexperte der Grünenfraktion, Benedikt Lux, schlägt vor, das
> Landesamt für Verfassungschutz aufzulösen – zu oft habe der Geheimdienst
> versagt. Seine Partei schwenkt damit auf die Linie der Linkspartei ein.
Bild: Der grüne Innenexperte Benedikt Lux.
NSU-Versagen, geschredderte Akten – jetzt fordern die Grünen den
Radikalschnitt für den Berliner Verfassungsschutz: seine Abschaffung. „Der
Geheimdienst hat sich für die wichtige Aufgabe, die er wahrnehmen soll,
nicht bewährt“, sagte Innenexperte Benedikt Lux der taz.
Ein pikanter Vorschlag – denn Lux ist Vorsitzender des
Verfassungsschutz-Ausschusses im Abgeordnetenhaus. Dort wird seit
Bekanntwerden der NSU-Mordserie über die Zukunft des Geheimdienstes
gestritten. Bisher hatte nur die Linkspartei die Existenzfrage gestellt.
„Wir halten den Verfassungsschutz für weitestgehend wirkungslos“, sagte
Lux. Nicht nur beim NSU habe der Geheimdienst terroristische Gefahren
völlig übersehen. Auch die Erkenntnisse des am Mittwoch veröffentlichten
neuen Jahresberichts seien „reichlich dünn“. Wenn nach der Bundestagswahl
und den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses nicht völlig neue
Vorschläge auftauchten, so Lux, werde man mit Experten und Praktikern über
die konkrete Auflösung des Berliner Verfassungsschutzes diskutieren. „Den
Zehn-Millionen-Etat kann man gerade in Zeiten knapper Kassen besser
anlegen.“
Die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten soll nach dem Grünen-Modell
künftig komplett bei der Polizei erfolgen. Die Aufklärung im Vorfeld
übernähmen Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Initiativen.
Das klingt utopischer als es ist: Auch der Verfassungsschutz gewinnt heute
seine Erkenntnisse zu 75 Prozent aus öffentlichen Quellen.
Die Linkspartei tritt ebenfalls dafür ein, den Verfassungsschutz in eine
reine „Beratungsstelle“ ohne Überwachungsmittel umzuwandeln. Innensenator
Frank Henkel (CDU) und die rot-schwarze Koalition lehnen eine Auflösung
dagegen vehement ab und verweisen auf eingeleitete Reformen in der Behörde.
„Mit Reformen ist es nicht mehr getan“, hält Lux dagegen. „Der
Verfassungsschutz ist aus der Zeit gefallen.“ Terroristische Gewalt komme
heute vor allem von fanatischen Einzeltätern, die sich im Stillen
radikalisierten. „Diese Gefahr kann die Polizei viel effektiver bekämpfen.“
Die dürfe inzwischen schon ermitteln, wenn nur für terroristische
Vereinigungen geworben werde.
Auch kann die Polizei bereits heute V-Leute führen. Das Berliner
Landeskriminalamt (LKA) etwa bezahlte jahrelang den sächsischen Neonazi
Thomas S. für Informationen über rechte Musiknetzwerke – allerdings ohne zu
wissen, dass dieser auch mit dem NSU-Trio bekannt war. Um so etwas künftig
zu verhidnern, wollen die Grünen neben der bestehenden richterlichen
Kontrolle künftig auch eine parlamentarische einführen. „Auch der
Staatsschutz braucht einen völligen Neustart“, so Lux.
Freilich ist die Verfassungsschutz-Frage innerhalb der Grünen strittig.
Wolfgang Wieland, grüner NSU-Aufklärer im Bundestag, plädiert nur für eine
Abspeckung: Alles andere verharmlose terroristische Gefahren.
## Kein Zufall
Zufällig kommt der Berliner Grünen-Vorstoß nicht: Bundesweit steht die
Sicherheitsarchitektur auf dem Prüfstand, in Berlin wird der
Verfassungsschutz derzeit nur kommissarisch geführt. Amtsleiterin Claudia
Schmid war im November zurückgetreten, nachdem Akten mit möglichem
NSU-Bezug in ihrem Haus geschreddert wurden. Bis zum Sommer soll die Spitze
allerdings nachbesetzt sein, Interim-Chef Bernd Palenda gilt als
aussichtsreichster Anwärter.
Der Radikalvorschlag der Grünen dürfte im Parlament nun für Diskussion
sorgen, vor allem im Verfassungsschutz-Ausschuss. Dass er als Vorsitzender
dessen zentralen Gegenstand in Frage stellt, ist für Lux kein Problem: „Das
Parlament braucht kritische Abgeordnete, auch in der Leitung von
Ausschüssen.“
7 Jun 2013
## AUTOREN
Konrad Litschko
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