# taz.de -- Festival „Zoo 3000 – Occupy Species“: Der Esel, der nicht will | |
> Das Festival „Zoo 3000 – Occupy Species“ auf Kampnagel in Hamburg widmet | |
> sich dem komplexen Verhältnis von Mensch und Tier. | |
Bild: Performance „Balthazar“ von David Weber-Krebs und Maximilian Haas. | |
Dass nicht nur die Boulevard-Presse zum Auftakt des Hamburger Live Art | |
Festivals auf Kampnagel einen Skandal wittern würde, war beabsichtigt. | |
„Abscheulich und menschenverachtend“ sei die Installation „Human Zoo“ d… | |
Wiener Gruppe God's Entertainment, die dort aufgebaut sei, zitiert die | |
Bild-Zeitung etwa den sozialpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe Max | |
Straubinger. Und die Hamburger Morgenpost fragt: Kunst oder „perverse | |
Idee“? | |
Eine Reihe gesellschaftlicher Stereotype über „menschliche Randgruppen“ ist | |
hier in Käfigen ausgestellt, dargestellt von davon tatsächlich Betroffenen: | |
Eine Hartz-IV-Familie mit Steckie-Zigaretten am Küchentisch, ein | |
Frührentner vor dem Fernseher. Ein Asylbewerber, direkt daneben der böse | |
tätowierte Neonazi. Man habe sich viel Mühe gegeben, die „Spezies“ in ihr… | |
natürlichen Habitaten zu präsentieren, erfährt man in der Führung. Und | |
bekommt auf Tafeln Infos über Lebensraum oder Nahrungsgewohnheiten. Füttern | |
kann man die Ausgestellten mit Schokoriegeln aus dem Zoo-Kiosk. | |
Angelehnt ist die Inszenierung an die „anthropologisch-zoologischen“ | |
Völkerschauen, deren erfolgreichster Ausrichter eben der Hamburger Erfinder | |
des naturalistischen Freigeheges Carl Hagenbeck war. Bei den Zuschauern | |
ruft sie Befremden hervor: Kurze beschämte Blicke auf die Exponate, zu den | |
von manch Ausgestellten erhofften Gesprächen kommt es nicht. Und auch von | |
der dahinter steckenden „zoopolitischen These“ erfährt man nichts: | |
Kontroll- und Ordnungsmechanismen erfahren einen Transfer von Tier zu | |
Mensch. | |
## Der Animal Turn | |
Denn unter dem Titel „Zoo 3000 – Occupy Species“ widmet sich das | |
diesjährige Live Art Festival dem Verhältnis von Tier und Mensch. | |
Hintergrund ist jener „Animal Turn“, der in den letzten Jahren mit | |
Human-Animal Studies, Animal Studies, Posthumanismus, Anthro- oder | |
Archäozoologie eigene Perspektiven und Wissenschaftszweige entwickelt hat | |
und zunehmend auch in künstlerische Arbeiten Einzug hält. | |
Zahm aber war, was da außer dem Menschen-Zoo bislang zu sehen war. | |
Beeindruckend zwar, wie der papuanische Choreograf Jecko Siempro in seinem | |
Stück „In Front of Papua“ den Mensch in Beziehung zum Raum und zu den meist | |
als „primitiv“ dargestellten rituellen Tänzen der Papua-Kultur stellte. | |
Eine verblüffende Tanzsprache kommt da heraus, die ebenso weltgewandt wie | |
unverkopft mit der Ambivalenz ihrer Wahrnehmung spielt. Wird hier gerade | |
ein Tier imitiert? Eine Geschichte erzählt? Eine menschliche Beziehung | |
analysiert? Pop-Kultur zitiert? Oder Klamauk gemacht? | |
## Rituelle Verwandlung | |
Zähflüssig blieb hingegen, was die Künstlerin Corinna Korth in ihrer | |
Lecture Performance als performative Forschung ihres Instituts für | |
Hybridforschung präsentierte: Ein Videotagebuch einer rituellen Verwandlung | |
in einen Werwolf. Und am Ende steht man in Weihrauch gehüllt einem Einhorn | |
gegenüber: langweilig. | |
Auch die Performance „Balthazar“ von David Weber-Krebs und Maximilian Haas | |
konnte nicht überzeugen. Auf der Bühne stehen in dieser Untersuchung von | |
Phänomenen des Passiven – Ding, Tier, Mensch – ein zotteliger Esel und zwei | |
menschliche Performer. Eine Choreografie gibt es nicht, das Tier allein | |
soll die Taktiken des Abends bestimmen. Der zottelige Performer aber will | |
offenbar die Bühne verlassen, das hätte spannend werden können. Daran wird | |
er dann doch gehindert. | |
Noch bis Sonntag wird das Mensch-Tier-Verhältnis auf Kampnagel untersucht. | |
Zum Abschluss hat der Wiener Philosoph Fahim Amir internationale | |
DenkerInnen zur „Explodierten Universität“ geladen, um sich über | |
Tiersouveränitäten oder die Möglichkeiten einer Transspeziessolidarität | |
auseinanderzusetzen. Denn Höhepunkt soll im Anschluss eine „Lange Nacht der | |
Befreiung“ sein, in der Hamburger Performance-Künstler auf dem ganzen | |
Gelände Arbeiten zum Thema Tier- und Mensch-Befreiung präsentieren. Aus den | |
Käfigen befreit werden dann auch die menschlichen Zooexponate. | |
12 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Live Art Festival: Verkomplizierte Verhältnisse | |
Zur Kritik der politischen Zoologie: In Hamburg widmen sich Tanz-, | |
Performance- und Aktionskünstler dem Verhältnis von Mensch und Tier. |