# taz.de -- Kultur unterm Hakenkreuz: Unbekannte Verknüpfungen | |
> Ein Symposium im Focke-Museum und im Himmelssaal will Licht in die | |
> Geschichte der Bremer Kulturinstitutionen im Nationalsozialismus bringen. | |
Bild: Himmelssal in den 30ern: Hoetgers "Jüngling" mit SS-Runen. | |
Das nahende Semesterende ist kein guter Zeitpunkt, um Studierende und | |
Lehrende der Hochschule für Künste (HfK) endlich für die | |
nationalsozialistische Gründungsgeschichte ihrer Bildungsanstalt zu | |
interessieren: Bei der letzten vergleichbaren Veranstaltung herrschte | |
auffällige Leere. Dabei wird das Symposium, das Ende Juni nicht nur die | |
HfK-Geschichte, sondern weitere Verstrickungen von Kultur, Wissenschaft und | |
Politik im „Dritten Reich“ in Bremen sowie im reichsweiten Kontext | |
diskutiert, sicher spannend. Neu ist eine solche Betrachtung allemal. | |
Die Initiative ging vom Focke-Museum aus, wo mit „Graben für Germanien“ | |
derzeit die Archäologie der NS-Zeit präsentiert wird. Parallel wurde die | |
Rolle des eigenen Hauses erforscht, dessen Abteilung für Frühgeschichte | |
1937 gegründet wurde. Auch die Kunstsammlungen Böttcherstraße, deren | |
Geschichte ebenfalls eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft ist, | |
beteiligen sich an der von der VW-Stiftung finanzierten Tagung. | |
„Germanien“ erweist sich dabei als unerschöpflicher Anknüpfungspunkt. Bj�… | |
Kastens von der Uni Bremen verweist auf Walther Lietzmanns Idee von einer | |
„germanischen Geometrie“ – und wird dabei sicher deutlich machen, dass | |
Lietzmann nicht irgendein Spinner war. Sondern einer, der als führender | |
Mathematik-Didaktiker der Bundesrepublik zu gelten hat. Bis in die späten | |
1980er waren seine Lehrmaterialien omnipräsent – freilich bereinigt von | |
aller „germanischen Geometrie“, mit der er sich 1937 für das Präsidentena… | |
der Deutschen Mathematiker-Vereinigung qualifiziert hatte. | |
Die übergreifende Analyse der Kulturinstitutionen im Nationalsozialismus | |
ist eine qualitativ neue Herangehensweise – auch wenn sie sich auf museale | |
Aspekte und Bereiche der Bildenden Kunst beschränkt. Dabei könnte sich das | |
Bremer Theater mit seiner Geschichte beschäftigen: Dessen damaliger | |
Intendant Willy Becker schwärmte von seinem „rassereinen“ Repertoire und | |
pflegte einen scharfen Gegensatz zum damals privat betriebenem | |
Schauspielhaus, das bis zu Eduard Ichons Tod 1943 einen bemerkenswert | |
widerständigen Spielplan wagte. | |
Kern des „lokalen“ Symposiums-Teils ist ein Vortrag der Kunsthistorikern | |
Susen Krüger Saß, die ihre Forschungsergebnisse zur Nordischen | |
Kunsthochschule, der am Wandrahm angesiedelten Vorgängerin der heutigen | |
HfK, vorstellt. Spannend ist die Frage, in welchem Maß Ludwig Roselius, der | |
nationalsozialistisch inspirierte Erbauer der Böttcherstraße, in das | |
Projekt involviert war. Offenbar gab es eine Zusammenarbeit bisher nicht | |
bekannten Ausmaßes zwischen den diversen NS-kulturpolitischen Akteuren | |
Bremens vor und nach 1933. | |
Die Forschungsergebnisse von Krüger Saß werden in Kurzform im Tagungsband | |
dokumentiert. Eine eigene Publikation zur Geschichte der Nordischen | |
Kunsthochschule ist nach Auskunft der HfK finanziell noch ungesichert – was | |
angesichts der anderthalbjährigen Forschungsarbeit der Kunsthistorikerin | |
bedauerlich ist. | |
Erstmals wird auf dem Symposium auch das Verhältnis der Nordischen | |
Kunsthochschule zur Kunsthalle thematisiert. Deren Direktor Emil Waldmann | |
unterrichtete am Wandrahm – insbesondere in den 1940er Jahren, als viele | |
der hauptamtlichen Lehrkräfte zur Wehrmacht eingezogen waren. Brigitte | |
Reuter, die neue Provenienzforscherin der Kunsthalle, hat in deren Archiv | |
nach Spuren dieser Zusammenarbeit gesucht. | |
Eine aufschlussreiche Quelle ist der Kunsthalle unerwartet in die Hände | |
gefallen: das Tagebuch einer damaligen Studentin Waldmanns. „Ein völlig | |
privates Dokument“, sagt Dorothee Hansen von der Kunsthalle, das aber klare | |
politische Einschätzungen enthalte. Etwa die, dass Waldmann an der | |
Hochschule nicht durch nationalsozialistische Positionen aufgefallen sei, | |
sondern als „unabhängiger Geist“. | |
17 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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