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# taz.de -- Eishockey in USA: Ein Großer für die kleinen Dinge
> Auch weil der Deutsche Dennis Seidenberg ein bestechend einfaches
> Eishockey spielt, liegen die Boston Bruins in der Finalserie vorn.
Bild: Schlagkräftiges Verteidigerpaar: Zdeno Chara und Dennis Seidenberg (M.).
Gewöhnlich sind Eishockeyspieler eher bodenständige Menschen. Wenn aber die
Playoffs beginnen, verwandeln sich knorrige Typen in Exzentriker, ganze
Mannschaften in Aberglauben praktizierende Sekten und funktionale
Sportarenen in Tempel, in denen mysteriöse Kulte exerziert werden.
So glauben die Boston Bruins fest daran, dass eine Windjacke entscheidend
dazu beigetragen habe, dass sie 2011 den Stanley Cup gewonnen haben. Das
gebrauchte, auf Ebay erworbene Kleidungsstück mit Bruins-Schriftzug wurde
nach jedem Sieg dem Spieler überlassen, der von seinen Mannschaftskollegen
zum besten Akteur des Matches gekürt wurde. Der musste den alten Fetzen
dann zur Pressekonferenz den Medien vorführen, aber nach dem nächsten Sieg
an den neuen „Man of the Match“ weitergeben.
Zwei Jahre später stehen die Bruins wieder im NHL-Finale und der
Wanderpokal aus Stoff ist diesmal vergleichsweise neuwertig. Es ist eine
Army-Rangers-Jacke, die die Bruins nach dem Titelgewinn von einer
Eliteeinheit der US-Armee geschenkt bekommen hatten.
## Solide Defensivarbeit
Montagnacht steckte nun Dennis Seidenberg in der tarnfarbenen Joppe und
sprach zur Presse. Seine Bruins hatten im heimischen Boston Garden 2:0
gegen die Chicago Blackhawks gewonnen – und der deutsche Verteidiger hatte
mit sechs geblockten Schüssen, vier krachenden Body-Checks und durchgehend
solider Defensivarbeit großen Anteil daran. Es war der zweite Erfolg im
dritten Spiel der Finalserie, den Bruins fehlen nur noch zwei weitere
Siege, um den Cup wieder hochstemmen zu dürfen.
Auch von den Kommentatoren des übertragenden Fernsehsenders wurde
Seidenberg zum „unsung hero of the night“ gewählt, zum stillen Star der
Begegnung. „Das ist zwar nett“, sagte der gebürtige Schwenninger, als er
darauf angesprochen wurde, „aber das ist ja auch mein Job. Offensiv konnte
ich bislang noch nicht viel beitragen, also kümmere ich mich besser um die
kleinen Dinge.“
Es sind diese kleinen Dinge, die dafür sorgen, dass der finnische Torsteher
Tuukka Rask keine allzu große Mühe hatte, seinen Kasten sauber zu halten.
Dank der aufopferungsvollen Defensivarbeit der Bruins kommen die
offensivstarken und favorisierten Blackhawks kaum zum Zuge. Stattdessen hat
sich eine umkämpfte Serie entwickelt.
Die dritte Begegnung war die erste, die in der regulären Zeit entschieden
wurde. In Spiel Nummer zwei mussten beide Teams fast 14 Minuten nachsitzen,
bis das entscheidende 2:1 für Boston gefallen war. Die Auftaktpartie wurde
sogar drei Mal verlängert, erst nach Mitternacht gelang Chicago der
Siegtreffer.
## Kompromisslose Arbeitsauffassung
Seitdem aber verzweifeln die Blackhawks am Bostoner Bollwerk, das im
Halbfinale schon die Pittsburgh Penguins um Superstar Sidney Crosby
entnervt hatte. Der 31-jährige Seidenberg ist dafür entscheidend
verantwortlich. Der Deutsche bildet zusammen mit Zdeno Chára, dem
slowakischen Kapitän der Bruins, eines der besten Verteidigerpaare der
Liga. Abgesehen vom Torhüter steht niemand so lange für Boston auf dem Eis
wie die beiden, am Montag wieder mehr als 25 der 60 Minuten reine
Spielzeit.
Chára und Seidenberg sind zwar nicht die Stars ihres Teams, aber mit ihrer
kompromisslosen Arbeitsauffassung prägen die beiden den Geist einer
Mannschaft, die nicht über die Maßen talentiert ist und schon gar nicht in
der Lage, spektakuläres Angriffseishockey zu spielen. „Einfaches Eishockey“
nennt das Dennis Seidenberg. Heute Nacht wird er versuchen, auf diese Weise
Spiel Nummer vier zu gewinnen. Es wäre der nächste Schritt auf dem Weg zu
seinem zweiten Stanley Cup.
18 Jun 2013
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
NHL
Eishockey
Eishockey
Baseball
Basketball
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