# taz.de -- Verpatzter Start der Tour de France: Sieg der Ignoranz | |
> Beim Auftakt der Jubiläumstour reiht sich eine organisatorische Panne an | |
> die nächste. Nutznießer ist der Deutsche Marcel Kittel. | |
Bild: Zwei Fäuste, eine faustdicke Überraschung: Marcel Kittel siegt im Schlu… | |
Ein Teambus, der sich unterm Zielbanner verfangen hat, bescherte der 100. | |
Tour de France einen überaus peinlichen Auftakt. Als das Peloton nur noch | |
etwa 10 Kilometer vor dem Ziel entfernt war, kämpften ein paar Angestellte | |
vom Tourorganisator ASO noch immer damit, den Bus von Team Orica irgendwie | |
von der Ziellinie zu bugsieren. | |
„Es hat einen großen Krach gegeben und dann hing der Bus da fest“, | |
erzählten Augenzeugen der taz. Er rückte und rührte sich nicht. Erst als | |
etwas Luft aus den Rädern gelassen wurde und sich damit die Höhe | |
reduzierte, konnte der Fahrer das Ungetüm rückwärts aus der Zielzone | |
bewegen. Nutznießer des Durcheinanders war an diesem Tag Marcel Kittel, der | |
überraschend die erste Etappe gewann. | |
Denn infolge des Comedy-Geschehens am Ziel ereignete sich obendrein auch | |
noch ein Massensturz in vier Kilometer Entfernung. Weil die | |
Tour-Organisatoren nicht mehr damit rechneten, den Bus rechtzeitig | |
fortzubewegen, verlegten sie das Ziel an die 3-km-Marke vor. Als das | |
ursprüngliche Ziel dann doch noch rechtzeitig frei wurde, wurde die | |
Entscheidung wiederum zurückgenommen. Da befand sich das Feld schon auf dem | |
virtuellen letzten Kilometer. „Das hat eine Menge Verwirrung ausgelöst. | |
Manche haben das mitbekommen, andere nicht. Manche haben den Sprint für die | |
3-km-Marke vorbereitet, andere für das reguläre Ziel“, beschrieb Rolf Aldag | |
die Situation. | |
## Falsches Ziel vor Augen | |
Ausgerechnet Aldags ehemaliger Schützling André Greipel und sein aktueller | |
Tony Martin gerieten hier aneinander. „Greipel hat Tony einfach umgefahren. | |
Er kam von hinten, mit ausgefahrenem Ellenbogen“, meinte Aldag. Er wollte | |
Greipel aber keinen Vorwurf machen. „Das passiert in solchen Situationen. | |
Greipel hat sich auf den Sprint vor dem Ziel vorbereitet und wollte schnell | |
nach vorn kommen. Tony ging vom Ziel weiter hinten aus“, erklärte Aldag. | |
Greipels Teammanager Marc Sergeant beschrieb den Vorfall etwas anders: | |
„André ist auf seiner Linie geblieben. Dabei hat Tony Martin ihn berührt. | |
Ihm hat es den Lenker weggerissen und er ist gestürzt.“ | |
Sergeant wie Aldag sahen zwar ihre Profis um ihre Siegeschance gebracht. | |
Sowohl Greipel als auch Omega-Mann Mark Cavendish waren scharf auf das | |
gelbe Trikot, das sich nun Marcel Kittel überstreifen durfte. Sie machten | |
aber der jeweils anderen Seite keine Vorwürfe und nahmen auch den Busfahrer | |
in Schutz. | |
„Es ist ja nicht nur er schuld daran. Was ist mit dem Mann, der das | |
Zielbanner auf und ab bewegt? Man hätte auch das Feld 15 km vor dem Ziel | |
stoppen können und erst dann das grüne Licht geben, wenn alles frei ist. Es | |
gab doch keine Gruppe vorn“, sagte Aldag. Und Sergeant merkte bitter an: | |
„Haben Sie in all den Jahren schon einmal erlebt, dass man im Zielbereich | |
auf die Strecke konnte, ohne dass da ein ASO-Mann einen anhielt?“ | |
## Der Vorteil fehlender Französischkenntnisse | |
Der Busfahrer selbst war untröstlich. „Ich hatte eine ziemlich schlechte | |
Nacht. Ich möchte mich bei allen entschuldigen, die durch diese Sache | |
Schaden genommen hatten“, erklärte der spanische Fahrer des australischen | |
Teambusses. | |
Vom Chaos profitierte das Team Argos. Die niederländische Mannschaft mit | |
vier deutschen Startern hatte von dem Durcheinander nichts mitbekommen. | |
„Wir haben uns auf das echte Ziel vorbereitet und unseren Plan einfach | |
durchgezogen“, erklärte Teamsprecher Geert Broekhuizen. | |
Weil Blondschopf Marcel Kittel die Vorbereitung dann auch mit einem Sieg | |
krönte und das gelbe Trikot übernahm, ließ die Mannschaft die | |
Champagnerkorken knallen. Neben der unumstritten tollen Leistung von Kittel | |
durften sie allerdings auch einen Sieg der Ignoranz feiern. „Manchmal ist | |
es offenbar besser, wenn man des Französischen nicht mächtig ist und die | |
Durchsagen auf Radio Tour nicht versteht“, knurrte der polyglotte Belgier | |
Sergeant. | |
30 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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