# taz.de -- Feuerwehr-Nachwuchs: „Bei den Frauen tut sich was“ | |
> Die Dörfer sind leer und in den Städten haben die Leute anderes im Kopf: | |
> die freiwillige Feuerwehr hat Personalsorgen. Ein Gespräch über die | |
> Entdeckung der Hausfrauen, die Vorbehalte der Akademiker und die | |
> Robustheit von Katzen | |
Bild: Hofft, in seiner Amtszeit noch die 40. Jugendfeuerwehr zu gründen: der S… | |
taz: Haben auch Sie mit Mitgliederschwund zu kämpfen, Herr Riemann? | |
Gerd Riemann: Wir haben hier im Kreis 3.300 aktive Feuerwehrleute, davon | |
700 Jugendfeuerwehrleute, wir waren auch schon mal bei 750. Das ist leider | |
rückläufig. Wir bemühen uns, zwei weitere Jugendfeuerwehren zu gründen, das | |
wären die 37. und 38. Mein Ziel war einmal, in meiner Amtszeit 40 zu | |
schaffen – vier Jahre habe ich noch Zeit. | |
Wann klappt so etwas? | |
Es müssen ausreichend junge Leute in den Gemeinden sein und der Bedarf muss | |
da sein. | |
Bedarf von welcher Seite? | |
Von beiden Seiten. Von uns gibt es den ohnehin. Meist ist es so: Wenn in | |
einer Gemeinde eine relativ starke Feuerwehr ist, dann gibt es auch Kinder | |
von Feuerwehrleuten. Und die Jungen, inzwischen auch die Mädchen, kommen | |
irgendwann und sagen: Wir möchten eine Jugendfeuerwehr gründen. Inzwischen | |
ist von Elternseite teils auch der Wunsch nach Jugendfeuerwehren für die | |
unter 10-Jährigen geäußert worden. Unser Präsident ist da sehr | |
aufgeschlossen. Er sagt: Der Topf der jungen Leute schrumpft. Und jeder, | |
vom Sportverein bis zur Musikgruppe, will ein Tortenstück aus diesem Kuchen | |
junger Kräfte. | |
Kann man sich noch darauf verlassen, dass die Feuerwehrverbundenheit in den | |
Familien weitergetragen wird? | |
Wenn Sie im ländlichen Raum eine Familie haben, die, ich nenne das | |
feuerwehrbelastet ist, dann wird der Sohn mit hoher Wahrscheinlichkeit auch | |
in die Feuerwehr gehen. Dazu kommt: Wer in Orten unter 1.000 Einwohnern | |
dazugehören will, der ist in der Feuerwehr oder beim Sportverein. Die Frage | |
ist das Dabeibleiben: Im Dorf kann man nicht studieren, dann geht der | |
Junior in andere Städte und danach wird er sich möglicherweise beruflich | |
stark engagieren. | |
Und in den Städten? | |
Da ist es nur scheinbar besser. Sie haben ein viel größeres Reservoir, aus | |
dem sie Interessierte ziehen können. Das Ergebnis ist also besser – aber | |
bei einer schlechteren Quote. | |
Und wie schützt man sich vor den Bewerbern, die nur den Adrenalin-Kick | |
suchen? | |
Das merken erfahrene Wehrführer sehr schnell. Ein Bewerber, wir nennen sie | |
Anwärter oder Anwärterin, wird vom Wehrvorstand für ein Jahr zur Probe | |
aufgenommen. Nach dem Probejahr entscheidet die Mitgliederversammlung mit | |
einfacher Stimmenmehrheit über die endgültige Aufnahme. | |
Skeptiker sagen, dass die Mitgliederprobleme weniger an der Demografie | |
lägen als an einem Rückgang bürgerschaftlichen Engagements. | |
Die Summe macht es. Der junge, gut Ausgebildete, der in eine gut bezahlte | |
Position möchte, wird sich in den Beruf hineinknien und weniger | |
ehrenamtlich engagieren. Hinzu kommt: In den Dörfern mit rund 500 | |
Einwohnern gab es vor 25 Jahren vielleicht zehn Landwirte – heute sind es | |
ein oder zwei. Die Landwirte aber waren zu 99 Prozent in der Feuerwehr und | |
sie arbeiteten hofnah. Das heißt, am Tage hatte man diese Gruppe fast | |
sicher, dazu noch ein, zwei Handwerker und schon war die Tagesverfügbarkeit | |
abgedeckt. Heute verlassen die meisten morgens den Ort und stehen erst ab | |
17 Uhr wieder zur Verfügung. | |
Gibt es Ideen, wie man trotzdem einsatzfähig bleibt? | |
Die Doppelmitgliedschaften, also das Prinzip, auch am Arbeitsort einer | |
Feuerwehr zur Verfügung zu stehen, steckt erst in den Kinderschuhen. Dazu | |
kommt, dass der Umgang zwischen den Arbeitnehmern und den Firmen inzwischen | |
straffer geworden ist: Nicht jede Firma sieht es gerne, wenn der | |
Mitarbeiter für Feuerwehrzwecke seinen Arbeitsplatz verlässt. | |
Wird die Arbeit der freiwilligen Feuerwehr noch wertgeschätzt? | |
Nach den Umfragen ist die Feuerwehr einer der Berufsstände, denen am | |
meisten Vertrauen entgegengebracht wird. In anderen europäischen Ländern | |
gibt es gar keine freiwilligen Feuerwehren oder der Beruf kommt auf Höhe | |
des Straßenkehrers. Das ist auch eines der Hindernisse, Menschen mit | |
Migrationshintergrund für die Feuerwehr zu gewinnen. | |
Es heißt, die Feuerwehr solle mehr Frauen anwerben. Aber noch gilt sie als | |
Männerdomäne. | |
Bei den Frauen tut sich etwas. Im ländlichen Raum versucht man derzeit, die | |
Tagesalarmsicherheit zu stärken, indem man einen höheren Anteil von | |
Hausfrauen, die zu Hause im Dorf verbleiben, in die Feuerwehr zieht. | |
Und die kochen nicht den Kaffee, sondern sind im Einsatz dabei? | |
Ich will nicht behaupten, dass bei einer kleineren Feuerwehr die | |
Kameradinnen nicht auch mal diesen Job erledigen. Aber es darf nicht sein, | |
dass wir uns Hilfskräfte suchen, weil wir am Tag nicht da sind und die | |
sonst ans Funkgerät und in die Schreibstube stecken. Sondern die Frauen | |
machen auch richtigen Einsatzdienst. Üblicherweise muss eine | |
Tragkraftspritze von vier Kräften geschleppt werden – da muss ein | |
Gruppenführer eben die stärksten Frauen dafür aussuchen. | |
Was hat die Feuerwehr als Anwerbe-Argument in der Hand? | |
Wir haben einen Bonus, die zweigleisige Ausbildung: den | |
feuerwehrtechnischen Teil einerseits und andererseits die allgemeine | |
Jugendarbeit. Die Handwerkskammer bescheinigt uns, dass junge Leute aus der | |
Jugendfeuerwehr ein gewisses Führungssystem kennenlernen. Die | |
Führungskräfte in der freiwilligen Feuerwehr werden schon seit der | |
Kaiserzeit gewählt – das war damals fast terroristisch. Aber im Einsatz | |
wird nach dem Prinzip Auftrag und Ausführung gearbeitet. Da kann nicht | |
diskutiert werden, ein Auftrag ist auszuführen. Bei Fehlern kann der | |
Betroffene Einwände erheben – aber eben erst nach dem Einsatz. | |
Ist die Feuerwehr in dieser Traditionsverbundenheit nicht zugleich sozial | |
sehr abgeschlossen – man findet Handwerker, Landwirte, Angestellte, nicht | |
aber Müllmänner oder Rechtsanwälte? | |
Bis in die 1930er-Jahre war es so, dass in den kleinen Städten nur der in | |
die Feuerwehr aufgenommen wurde, der Grundeigentum im Ort hatte oder | |
Handwerksgeselle war, für die von mindestens zwei Feuerwehrleuten gut | |
gesagt wurde. Heute haben wir eine große Bandbreite von Schülern, Studenten | |
– die gehen uns nach dem Studium leider oft verloren. Wir haben einige | |
Ärzte, allerdings sind das im Kreis weniger als zehn bei über 3.000 | |
Mitgliedern. | |
Und nach unten hin, etwa bei Arbeitslosen, die, so eine weitere Empfehlung, | |
in die Feuerwehr integriert werden sollten? | |
Da müssten wir einen Anreiz schaffen. Eine Hürde ist auch die | |
gesundheitliche Prüfung. Bislang haben wir keine Verwaltungsabteilung – da | |
könnte derjenige, der kein Feuer ausmachen kann, bei der Feuerwehr | |
Bürotätigkeiten machen. | |
Es gibt weniger Brände, aber mehr Anrufe wegen Haustierrettungen bei der | |
Feuerwehr. Empfinden Sie das als Bagatellisierung Ihrer Arbeit? | |
Die meisten Katzen kommen tatsächlich alleine wieder vom Baum herunter, ich | |
habe kaum Katzenskelette dort gesehen. Aber bevor wir dann in der Zeitung | |
stehen, weil wir uns weigern, zu so einem Einsatz zu fahren, kommt die | |
Feuerwehr und fährt die Drehleiter aus. | |
Warum ist gerade die Feuerwehr in vielen Dörfern die letzte Bastion des | |
Gemeinschaftslebens? | |
Es ist wohl Tradition und ein gewisses Beharrungsvermögen. Aber selbst da | |
können die Verantwortlichen irgendwann zu dem Schluss kommen: Es geht so | |
nicht mehr, wir sind nur noch fünf bei den Übungen. Wir haben gerade einen | |
Fall, wo sich eine Feuerwehr mit über 100 Jahren Beharrungsvermögen | |
freiwillig auflöst. Die Hürde dafür ist bewusst hoch gehängt. Man muss | |
einen Beschluss mit deutlicher Mehrheit fassen und diesen nach mindestens | |
30 Tagen Bedenkzeit wiederholen. | |
12 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Feuerwehr stirbt aus: An die Schläuche! | |
Die Feuerwehren auf dem Land sind ehrenamtliche Organisationen und sollen | |
schnelle Einsatzzeiten garantieren. Das wird auf dem Land immer | |
schwieriger. |