Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schlager goes Politik: Der Mann der Liebe
> Christian Steiffen will neuer Oberbürgermeister von Osnabrück werden. Das
> Wahlkampfmotto des selbst ernannten Gott of Schlager lautet „Ich für
> uns“.
Bild: Von der Bühne auf die Rathaustreppe: Christian Steiffen würde für die …
OSNABRÜCK taz | Seine Kandidatur zum Oberbürgermeister ist kein Jux. Das
ist Christian Steiffen wichtig. Es ist freilich nicht ganz einfach, ihm das
abzunehmen, denn schließlich tritt er nicht mit seinem bürgerlichen Namen
Hardy Schwetter an, um Osnabrücks neues Verwaltungsoberhaupt zu werden. Er
tritt als „das Bernsteinzimmer der guten Musik“ an, der mit seinem Original
Haseland Orchester das Publikum von Leipzig bis ins Ruhrgebiet mit Hits wie
„Ich hab die ganze Nacht von mir geträumt“ oder „Das Leben ist nicht imm…
nur Pommes und Disco“ zum Schunkeln bringt – und zum Lachen.
„Es ist einfacher, als Christian Steiffen anzutreten, denn ich nehme meine
Kandidatur zwar sehr ernst, will sie aber mit Spaß betreiben. Außerdem
nutze ich natürlich seine Popularität, denn auf der Bühne tritt er ja
ohnehin schon als Botschafter Osnabrücks auf“, sagt Steiffen oder in diesem
Fall besser Schwetter.
Der 42-Jährige ist Schauspieler und Musiker und hat bereits beim
Katholikentag 2007 seine Heimatstadt auf den Kopf gestellt. Damals gab es
Christian Steiffen noch nicht, dafür aber Reverend Hardy Hardon. In Talar
und mit Gitarre, begleitet von einer stetig wachsenden Schar
MinistrantInnen, vertrat er die „Church of Elvis“. Er missionierte, taufte
Menschen, traute Verliebte, sang anstelle von „Kumbaya my Lord“ Elvis-Hits
in der Fußgängerzone und scheute selbst das Gespräch mit ultrakonservativen
Freikirchlern oder mit Osnabrücks Bischof Bode nicht.
Für die einen war er ein Lichtblick inmitten einer religiös verblendeten
Massenveranstaltung, für die anderen ein echtes Ärgernis, denn der Reverend
stahl – auch in der medialen Berichterstattung – den eigentlichen Akteuren
nicht nur gehörig die Show. Er nahm sie auch ordentlich auf die Schippe.
„Ich rede“, predigte er da etwa salbungsvoll, „und Ihr hört zu: Das ist …
mich ein Dialog.“
## Nonstop Konsens
„Der Reverend ist ein echtes Vorbild für mich, denn er hat gezeigt, dass es
möglich ist, ohne institutionelle Zwänge Liebe, Frieden und Freude unter
die Menschen zu bringen“, sagt Christian Steiffen nicht minder
salbungsvoll. „Die Menschen streiten viel zu viel, und das ausgerechnet in
der Friedensstadt Osnabrück! Ich hingegen trete ein für Nonstop Konsens.“
Auf seiner Friedensmission hat Steiffen vor allem die NichtwählerInnen im
Blick. „Ich finde es nicht in Ordnung, dass diese Stimmen kein Gehör
finden“, sagt er – diesmal ohne Samt in der Stimme. Bei der letzten
Kommunalwahl 2011 lag die Wahlbeteiligung in Osnabrück bei nur 47 Prozent.
„Die Menschen gehen doch nicht deswegen nicht zur Wahl, weil sie zu faul
oder desinteressiert sind, sondern weil sie sich von keiner Partei und
keinem Kandidaten vertreten fühlen“, sagt er. Er wünscht sich, dass es auf
Wahlzetteln die Möglichkeit gibt, sich zu enthalten. „So, wie es jetzt ist,
wird einfach einer großen Menge Leute vorgeworfen, unpolitisch zu sein –
und das glaube ich einfach nicht!“ Also besser Steiffen wählen als gar
nicht wählen? „Nun, bei mir haben die Leute jedenfalls die Chance, jemanden
zu wählen, der sich bei den etablierten Parteien genauso wenig aufgehoben
fühlt wie sie selbst“, sagt er.
„Ich für uns“ heißt Steiffens Wahlkampfmotto, was einerseits das unendlic…
Ego des selbsternannten „Gott of Schlager“ widerspiegelt, „aber auch die
klare Botschaft, dass ich mich nicht an eine Partei ranhängen möchte“.
Steiffen besucht regelmäßig die Sitzungen des Osnabrücker Stadtrates. „Das
ist manchmal unerträglich ermüdend, wie da aufeinander rumgehackt wird“,
sagt er. Da gehe es oft nur um die Parteien und „um das, was die auf
Bundesebene gerade mal wieder verbockt haben – nicht um die Belange dieser
Stadt“. Auf seinem Tisch liegt ein dicker Stapel Beschlussvorlagen, die er
alle durcharbeiten will – und er recherchiert auf eigene Faust Hintergründe
etwa zur Umgestaltung des Neumarktes oder zur in der Stadt umstrittenen
Westumgehung. „Ich hätte selbst nie gedacht, wie spannend Politik ist“,
sagt Steiffen. „Ich lerne unglaublich viel über Osnabrück.“
## Schnell schuldenfrei
Zum Beispiel über die Verschuldung. Und da hat er auch schon einen
Lösungsansatz. „Im letzten Jahr lag die Pro-Kopf-Verschuldung bei rund 600
Euro, und ich finde, die könnte doch jeder, der sich das leisten kann,
bezahlen“, sagt Steiffen. „Einfach mal am Jahresende eine Hose weniger
kaufen und stattdessen Schulden begleichen!“ Als Anreiz könne das dann von
den Steuern absetzbar sein und als Belohnung gebe es dann eine kleine
Urkunde. Auf diese Weise werde automatisch der Schuldenberg sinken, „und
immer mehr Menschen könnten es sich dann leisten, ihre
Pro-Kopf-Verschuldung zu zahlen. Wenn sich dieses Spielchen Jahr für Jahr
wiederholt, ist die Stadt ohne Einsparungen schnell schuldenfrei“.
250 Unterschriften braucht ein Kandidat, um in Osnabrück überhaupt zur Wahl
des Oberbürgermeisters antreten zu dürfen. „Die sammelt man nicht, wenn man
nicht ernsthaft kandidieren will“, sagt Steiffen. „Die Leute müssen auf den
Vordrucken ja nicht nur unterschreiben, sondern ihre komplette Anschrift
angeben, und das tun die nicht so ohne Weiteres.“ Man müsse mit den Leuten
reden, sie überzeugen – das sei nicht nur Spaß, sondern auch anstrengend.
Vor allem dann, wenn die Menschen über Inhalte reden und sich nicht mit
Schlagworten und Steiffens Charme zufrieden geben wollen. „Ich muss mich ja
in viele Dinge selbst noch einarbeiten“, sagt er.
Steiffen glaubt sowieso nicht, dass es im September mit seiner Wahl klappt.
„Da bin ich schon realistisch. Aber ich will dranbleiben und zur nächsten
Wahl in acht Jahren wieder antreten.“ Und zwischendurch werde er sich bei
den Kommunalwahlen um einen Sitz im Stadtrat bemühen. Zu seinen
KonkurrentInnen bei der Oberbürgermeisterwahl, unter ihnen auch der
Osnabrücker Kabarettist Kalla Wefel, will Steiffen sich nicht äußern. „Ich
will keinen Wahlkampf gegen irgendjemanden betreiben, sondern
ausschließlich für mich“, sagt er.
Für eine Karriere in der Politik würde Christian Steiffen sogar das
Musikmachen zurückfahren. Dabei läuft es gerade richtig gut für ihn. Er
tourt kreuz und quer durch Deutschland, hat sich in Axel Ranischs neuem
Film „Ich fühl mich Disco“ selbst gespielt,und er bringt im Herbst ein
neues Album heraus. „Das wird ’Arbeiter der Liebe heißen‘ – eigentlich…
ein gutes Motto für meinen Wahlkampf.“
18 Jul 2013
## AUTOREN
Simone Schnase
Simone Schnase
## TAGS
VfL Osnabrück
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zu Besuch bei Kalla Wefel: Kämpfer wider die Dummheit
Der Osnabrücker Kabarettist und Autor Kalla Wefel hat ein Leben gelebt, so
reich an schrägen Geschichten, dass es für drei reicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.