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# taz.de -- Kinostart „The Company You Keep“: Die Akte der Lederjacke
> Robert Redford will in seinem neuen Film die Geschichte der militanten
> Gegenkultur aufarbeiten. Da wird aus dem Revoluzzer ein guter
> Staatsbürger.
Bild: Robert Redford als Jim Grant ganz verwegen in: Lederjacke.
In dem Moment, in dem seine Vergangenheit als linksradikaler Aktivist, als
Mitglied des berüchtigten Weather Underground gar, den Witwer, Vater,
Anwalt, bürgerlich gefestigten Amerikaner Jim Grant einholt, trägt er sie
auch gleich am Leibe: Ganz unten aus seinem Schrank kramt er eine alte,
speckige Lederjacke hervor, die er sich gleich überstreift und bis zum
Filmende kaum einmal mehr ablegt.
Gegen alle erzählerische Logik schließlich befindet sich Grant – nach
seiner Enttarnung auf der Flucht – als Verdächtiger in einem Jahrzehnte
zurückliegenden Raubmord zur Finanzierung revolutionärer Umtriebe. Da wird
es kaum hilfreich sein, die längst perfekt gemainstreamte Garderobe
ausgerechnet durch ein Relikt aus der politisch bewegten Vergangenheit zu
ersetzen.
Weil das amerikanische Erzählkino im Zweifelsfall eher an narrativer
Ökonomie als an lebensweltlicher Stringenz interessiert ist, bleibt die
Lederjacke an; denn sie soll dafür sorgen, dass man dem schon stets allzu
souveränen, mit zunehmendem Alter immer nur noch saturierter wirkenden
Robert Redford den in ihm verborgenen Revoluzzer abkauft.
Genauso wie es genügen muss, dem wieder einmal großartig linkischen Shia
LaBeouf eine leicht absurde Brille aufzusetzen, um ihn in Ben Shepard zu
verwandeln, einen erst nur ehrgeizigen, irgendwann dann auch ehrenwerten
Jungjournalisten, der Grant zunächst nur zu enttarnen, dann auch zu
verstehen versucht.
## Naive Ernsthaftigkeit
Dass das alles über weite Strecken funktioniert, ist einer naiven
Ernsthaftigkeit zu verdanken, die man im entweder ironisch-neunmalklugen
oder offensiv hirntoten Gegenwartskino nicht so oft antrifft.
Ein Weather Underground, der aus Redford (der auch die Regie übernimmt),
Julie Christie, Susan Sarandon und, in einer schönen Nebenrolle, Nick Nolte
besteht: Das liberale, friedensbewegte und im Fall Noltes dezent
durchgeknallte Hollywood denkt, im gut abgehangenen Jargon eines oft und
nicht nur in diesem Fall zu Unrecht belächelten ambitionierten
Mainstreamkinos, über den Linksterrorismus der Sechziger und Siebziger
nach.
Über einen Linksterrorismus, der in einer abgetragenen Lederjacke und in
Christies affektiertem Schauspiel aufhebbar ist, also offensichtlich nicht
mehr sonderlich wehtun kann. Im Jahr 1989 konnte Sidney Lumet in dem
ergreifenden „Running on Empty“ die enttäuschten Utopien vergangener
Jahrzehnte noch überaus schmerzhaft in einem zarten Familiendrama
nachhallen lassen.
## Der bürgerlich-liberale Blick
Gut zwanzig Jahre später scheint das Band endgültig gerissen, die
Geschichte ist nur noch zeichenhaft präsent – und wo bei Lumet River
Phoenix und Martha Plimpton ihre Jugendliebe gegen die Last der
Vergangenheit ins Recht zu setzen suchten, wird Shia LaBeouf erst einmal
ins Archiv geschickt, zwecks Geschichtsunterricht.
Aus der Distanz meint der bürgerlich-liberale Blick auch trennscharf
ausmachen zu können, was an dem Erbe der Sechziger bewahrenswert ist und
was man lieber in Drogenschmuggelräuberpistolen oder gleich ins Gefängnis
abschiebt.
Bei Lumet verlief diese Grenze zwar schon ähnlich, nämlich ziemlich genau
zwischen Theorie (plus Flucht in die Politiken des Alltags) und Praxis (nur
denkbar als Praxis der Gewalt), aber es blieb in allen Figuren eine
Verunsicherung, die über die Redford’sche Allerweltsmelancholie hinausging.
## Die bürgerliche Wandlung
So oder so ist klar, dass am Ende von „The Company You Keep“ aus dem
Lederjackenmann wieder ein guter Staatsbürger gemacht werden muss.
Nicht ganz los wird der Film ein strukturelles Problem: dass Redford
einerseits darauf besteht, dass Jim Grant dieser gute Staatsbürger
irgendwie von Anfang an (und eben auch: in Lederjacke) war, dass das
Drehbuch andererseits jede Menge Betrieb macht, um ihn auch wirklich
felsenfest bei der verfassungskonformen Stange zu halten – und ihm zum
Beispiel zu diesem Zweck gleich zwei zu beschützende blonde Töchter in die
Biografie schreibt.
Wenn auch sonst nicht viel im Film, so weisen vielleicht derartige
dramaturgische Einfälle darauf hin, dass die kurze Geschichte der radikalen
Gegenkultur doch noch nicht ganz so perfekt aufgearbeitet und kategorial
einsortiert ist, wie uns Redford (inklusive erfolgreicher Stabübergabe an
eine neue Schauspielergeneration) mit seinem Gestus suggeriert.
25 Jul 2013
## AUTOREN
Lukas Foerster
## TAGS
Film
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