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# taz.de -- Die Wahrheit: Vater Versager – sticht!
> Ein neues pädagogisch wertvolles Kartenspiel für benachteiligte
> Randgruppen soll es Verlierern im sozialen Abseits leichter machen.
Bild: Durch das Versager-Quartett bekommen Unterprivilegierte eine realistische…
Pünktlich zur Landesmeisterschaft der Leistungslegastheniker (LALELU)
erobert der Spielefabrikant Schimpf den Spielemarkt und die Herzen von
Millionen Kindern. „Asoziale-Väter-Supertrumpf“ ist der prägnante Name des
pädagogischen Quantensprungs, der sich bereits in den ersten sechs Monaten
nach seinem Erscheinen mindestens ein Dutzendmal verkauft hat. Dass
„Asoziale-Väter-Supertrumpf“ nicht längst die Schallmauer von 50 Sales
durchbrochen hat, liegt nicht an der unumstrittenen Qualität des
Kartenspiels, sondern vielmehr an der Tatsache, dass die Zielgruppe während
der Ladenöffnungszeiten schläft. Vergleiche mit dem Zauberwürfel oder
Monopoly wiegelt der Konzernchef jedoch bescheiden ab und überreicht dem
achtjährigen Alkoholiker Mark in der Sendung „Markus Lanz“ medienwirksam
ein Gratisexemplar.
Doch welcher Spielspaß verbirgt sich hinter dem vielversprechenden Namen
„Asoziale-Väter-Supertrumpf?“ Als Vorlage dienen die altbekannten
Quartettkarten, mit denen sich Kids einst per Leistungsparameter wie
Hubraum und Anzahl der Zylinder von Autos und Atombomben duellierten. Es
wurden lediglich einige der oben genannten Kategorien ersetzt. Nun gibt es
Rubriken wie „Widerlichste Angewohnheit“ oder „Vorstrafenregister“ oder
„Alter während der ersten Suchttherapie“. Diese Informationen werden wie
gewohnt tabellarisch unter den Fotos der Väter dargestellt. Um das Spiel
aber fair und ausgewogen zu gestalten, haben Produktdesigner darauf
geachtet, dass nur Bilder von denjenigen Vätern gezeigt werden, die bei
Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als 50 Stundenkilometern in einem
verkehrsberuhigten Wohngebiet entstanden sind.
Und schon kann’s losgehen! Sieht sich ein Junge beispielsweise auf der
Siegerseite, weil einer seiner Väter bereits im Alter von elf Jahren seine
Deutschlehrerin verprügelte und seitdem erfolglos versucht, seine Niere zu
verkaufen, sollte der Spieler nicht die Rechnung ohne den Spitzentrumpf
machen. Denn der ist kaum zu schlagen. Besitzt er doch die widerliche
Angewohnheit, Weißwein aus dem Tetrapack zu frühstücken und beim Baden die
Socken anzulassen: „Mein Vater schläft bis abends und pinkelt ins
Waschbecken – sticht!“, ruft der junge Spieler dann flink.
„Never change a winning Kinderspielzeug!“, so der entschlossene Kommentar
vom Hersteller Schimpf. In der Tat erscheinen die 32 Pappkarten mit ihren
bunten Bildern und vielen Zahlen im Gegensatz zu modernen Gameboxen auf den
ersten Blick ein wenig hausbacken. Doch auch älteren Kindern erschließt
sich der tiefere Sinn des Spiels bereits nach wenigen Partien und ein paar
Gläsern Schnaps. „Lerning by Losing“ ist die Devise, und entsprechend ist
im Gesamtprodukt nicht nur das Spiel selbst enthalten, sondern auch ein
Fläschchen Absolut-Caprisonne.
„Die Kinder sollen spielerisch von ihrem sozialen Umfeld, insbesondere von
ihrer Familie, enttäuscht werden. Der Druck wird dann von den Vätern
genommen, da ihre Kinder die Möglichkeit haben, ohne Perspektive und
Ansprüche aufzuwachsen. Quasi im Vorüberwanken lernen sie am Modell, eigene
Lebensabwege zu finden und zu scheitern“, kontert Schimpf die Kritik von
Sozialverbänden und anderen Institutionen wie zum Beispiel der
Interessengemeinschaft „Moral in Organisationen, Familien und
Arbeitsgemeinschaften“ (MOFA), die Schimpf Kontakte zu Scientologen
unterstellt.
„Offensichtlich wird hier der Versuch unternommen, eine
Sonderschulbildungselite heranzuzüchten, wie wir sie aus den Kaderschmieden
der Gaststätte Brückenschänke in Wuppertal-Barmen nur allzugut in böser
Erinnerung haben!“, wettert der Pressesprecher von MOFA, Werner Krämer, der
auch einziges Mitglied von MOFA ist.
Bleibt zu hoffen, dass beide Parteien sich gütlich einigen im Sinne der
Titelmelodie einer der erfolgreichsten Delfinserien aller Zeiten und auch
wohl der einzigen, in der es heißt: „Flippern ist unser bester Freund!“
28 Jul 2013
## AUTOREN
Holger Engel
## TAGS
Arme
Väter
Gedicht
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