# taz.de -- Wirtschaftsförderung wider Naturtschutz: Kiebitze werden zu Köttb… | |
> Elche gegen Eule: Ikea will bei Bremerhaven eine „Pilotanlage“ bauen. Die | |
> allerdings läge mitten in einem wichtigen Landschaftsschutzgebiet. | |
Bild: Die Rohrniederung bei Bremerhaven: Noch brüten hier Kiebitz & Co. | |
Im Ikea-Katalog ist die Welt noch in Ordnung. „Wir wollen zu einem | |
verantwortungsvollen Umgang mit unserer Erde, den Ressourcen und den | |
Menschen beitragen“, heißt es auf Seite 381 der aktuellen Sommerausgabe. Im | |
konkreten Hier und Jetzt – in Bremerhaven-Wulsdorf – sind die Meinungen | |
allerdings geteilt, ob Ikea den eigenen Ansprüchen genügt: Die schwedische | |
Firma will mitten im Landschaftsschutzgebiet einen neuen Markt eröffnen. | |
35 Millionen Euro wollen die Möbelhäusler investieren, 150 Arbeitsplätze | |
stellen sie in Aussicht. Und die Kunden erwarte ein Pilotprojekt, ein neuer | |
Typus von Ikea-Markt: ein verschlanktes Sortiment in übersichtlichen | |
Gebäuden. | |
Für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist allerdings auch ein Ikea | |
light an diesem Ort zu viel. Die in Frage stehende „Rohrniederung“ sei | |
Bremerhavens „letzte große Offenlandschaft außerhalb der Luneplate“, | |
argumentiert der Nabu, „ein Brutgebiet von nationaler Bedeutung“ unter | |
anderem für Kiebitze und Rohrweihen. | |
Da die Grünen in Bremerhaven mittlerweile mitregieren, haben die Bedenken | |
des Nabu Gewicht. Die Stadt will daher 210.000 Quadratmeter an | |
Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen. Und zwar in Gestalt von Flächen | |
auf der Luneplate, die bislang für Industrieansiedlung vorgesehen gewesen | |
seien, wie Magistratssprecher Helmut Stapel betont. „Aus | |
wirtschaftstruktureller Sicht“ sei dies bereits „ein schwerer Schritt“ | |
gewesen. | |
Der Nabu hält ihn nichtsdestoweniger für unzureichend. Notwendig sei, auch | |
den verbleibenden Resten der Rohrniederung größtmöglichen Schutz zu | |
verschaffen. Das bedeute, sagt Nabu-Geschäftsführer Sönke Hofmann, dass | |
diese Flächen in das Eigentum einer Naturschutzstiftung übergehen müssen. | |
Niemand könne sonst garantieren, so Hofmann, dass die Restflächen nicht | |
auch irgendwann der Ansiedlungspolitik geopfert würden. Diesbezügliche | |
Zusagen und Garantien aus der Politik hätten „eine immer kürzere | |
Halbwertszeit“. Angesichts der jüngeren Geschichte des Geländes erscheint | |
die Skepsis der Naturschützer durchaus nachvollziehbar: Es ist erst sechs | |
Jahre her, dass die jetzt für Ikea vorgesehenen Flächen mit den berühmten | |
Eulen-Schildern als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wurden. Das hatte | |
der Nabu seinerzeit gerichtlich erstreiten müssen, als Kompensation für den | |
Neubau der B 71. Für den Nabu ist diese Historie ein Beleg dafür, dass die | |
städtische Verwaltung Naturschutzgebiete „als stille Flächenreserve“ | |
betrachte. „Schluss mit der ständigen Defensive“, gibt der Nabu deshalb | |
erbost als Parole im Ikea-Streit aus. | |
Dabei schlägt den Vogelschützern allerdings einiges an Gegenwind ins | |
Gesicht. Ikea ist beliebt in der Bevölkerung – unter den 60 AnwohnerInnen, | |
die sich im Bürgerbeteiligungsverfahren bislang zu den Ansiedlungsplänen | |
geäußert haben, war die Mehrzahl positiv. Dem Bremerhavener | |
Stadtplanungsamt zufolge ist es das erste Mal, dass Großbauvorhaben auf | |
überwiegend positive Resonanz stoße. | |
In den Leserforen der örtlichen Presse steht der Nabu nun als Buhmann da. | |
Der könne offenbar „den Hals nicht voll genug bekommen“, schreibt ein Leser | |
der Nordsee-Zeitung. Die Nordwest-Zeitung diffamiert den Nabu als | |
Verhinderer eines „idealen Ikea-Standortes“, indem er unverhältnismäßige | |
Forderungen stelle und „Garantien für die Ewigkeit“ verlange. Betroffen sei | |
ohnehin nur „ein Zipfel“ des Naturschutzgebietes. | |
Bei der Bremerhavener Wirtschaftsförderung gibt man sich derweil betont | |
konziliant: „Wir würden es begrüßen, wenn der Nabu unsere Gesprächsangebo… | |
annehmen und an der Erarbeitung einer realisierbaren Lösung mitarbeiten | |
würde,“ erklärt BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger. In bisher keinem | |
vergleichbaren Ansiedelungsfall habe Ikea versucht, den Interessen des | |
Naturschutzes so weitgehend zu entsprechen. | |
Den vom Nabu ins Spiel gebrachten Alternativ-Standort für Ikea an der | |
Autobahn-Anschlussstelle Geestemünde hält die BIS für ungeeignet. Die | |
umliegenden Straßen könnten den zu erwartenden Zusatzverkehr nicht | |
aufnehmen, heißt es in einem vom BIS beauftragten Gutachten. Für das | |
bisherige Landschaftsschutzgebiet „Rohrniederung“ gilt das | |
Verkehrsaufkommen hingegen offenbar als zumutbar. | |
28 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |