# taz.de -- Kuren: Bikinifigur inklusive | |
> Alternative Kuransätze wie die Viva-Mayr-Kur sind in der oberen Mitte der | |
> Gesellschaft angekommen. | |
> Die Abstimmung erfolgt mit den Füßen. | |
Bild: Und ganz nebenbei schmelzen die Kilos. | |
Frühstücken Sie wie ein König!“, sagt Emanuella Fischer. Sie mixt kurz | |
gedünstetes, kleingeschabtes Gemüse, Kräuter und Lachs in einen Topfen, | |
selbstverständlich vom Schaf. Der sei verträglicher. Frisch zubereiteter | |
Quark für das schlichte Frühstück mit Tee und Brot. „Auch wenn das | |
Weglassen des Frühstücks wie ein einfacher Weg zum Abnehmen erscheint: Das | |
ist keine gute Lösung“, sagt die kurgeschulte Köchin. Der Verdauungsapparat | |
sei morgens am aktivsten. „Die ideale Tageszeit, Rohkost und Obst zu | |
essen“. Auf dieses sollte man am Abend unbedingt verzichten: „Das gibt | |
sonst Blähungen.“ | |
Emanuella Fischers Tipp für eine dauerhaft gute Figur: „Abends möglichst | |
keine Kohlenhydrate oder überhaupt nichts essen. Denn abends ist die | |
Verdauung schwach.“ Und wer gerade abends Hunger hat? „Essen Sie abends zum | |
Beispiel Quark und Kartoffeln. Die Kartoffel ist in der Mayr-Kur ein ganz | |
großes Gemüse. Ein basisches Nahrungsmittel.“ Kartoffeln zählen hier nicht | |
zu den Kohlenhydraten, weil sie aus viel Eiweiß, Mineralien und Wasser | |
bestehen. | |
## Entschlackungskur mit Darmreinigung | |
Emanuella Fischer ist Köchin in der modernen Viva-Mayr-Klinik in Maria | |
Wörth am Wörthersee. Eine moderne Idylle. In den 60er Jahren war diese | |
Region der Inbegriff von gutem Leben und kitschige Hintergrundkulisse für | |
harmoniesüchtige Serien mit Roy Black, Rudi Carell, Hildegard Knef und | |
Ottfried Fischer. Heute ist Maria Wörth touristisch aus der Mode gekommen. | |
Hauptsächlich Marienwallfahrer auf dem österreichischen Marienpilgerweg | |
besuchen hier die Rosenkranzkirche überm See. Eine Reise fürs seelische | |
Wohl. Engländer, | |
Deutsche, Amerikaner und vor allem Österreicher suchen hier ihr | |
körperliches Wohl bei einer modernen Viva-Mayr-Kur. Da in einem gesunden | |
Körper ja auch ein gesunder Geist lebt, soll es hier nicht nur Menschen mit | |
Diabetes, Arthritis oder hohem Blutdruck besser gehen, auch die trübe | |
Stimmung vergeht. Und ganz nebenbei purzeln die Kilos. | |
Die Viva-Mayr-Kur ist eine Entschlackungskur mit Darmreinigung durch | |
Glaubersalz, kalorienarme Kost, Bewegung und Massagen. Sie ist die | |
heimische Verwandte des Ayurveda. Schlacken, Giftstoffe, Verunreinigungen – | |
dem will diese alternative Gesundheitsprävention entgegenwirken. Nicht mit | |
Ölen und heißem Wasser wie bei Ayurveda, sondern mit Glaubersalz und | |
Mineralwasser. | |
Alle, die in der Klink arbeiten, machen einmal im Jahr eine solche Kur. | |
„Auch damit sie wissen, was die Gäste brauchen, wie sie sich fühlen“, sagt | |
Christiane Stossier, die gemeinsam mit ihrem Mann, Harald Stossier, die | |
Klinik leitet. | |
Es gehe nicht ums Fasten, sondern ums richtige Essen, war vor fast hundert | |
Jahren die Devise des Kurarztes Franz Xaver Mayr. Dieser legte den | |
Grundstein für diese Therapie. Er stellte die Leistungsfähigkeit des Darms | |
und die Verdauungsabläufe in den Mittelpunkt seiner Diagnose. Fehlerhafte | |
Verdauungsabläufe, so die These, lassen den Menschen krank werden und | |
vorzeitig altern. So entwickelte er eine karge, zeitlich begrenzte Diät der | |
Darmschonung auf der Basis von Semmeln und Milch. | |
## Gaskotbauch oder Großtrommelbauch? | |
Milch und Semmeln war gestern. Heute serviert man ausgetüftelte Schonkost. | |
Die Typisierung über den Bauch ist geblieben. Beim Gang ins Arztzimmer | |
zeigen drastische Bilder Fehlentwicklungen: Gaskotbauch, Kotbauch, | |
Großtrommelbauch. All das nicht schön. Hier dreht sich alles um die | |
Entlastung des gesamten Verdauungsapparats: um die Entgiftung des Darms, um | |
Altstoffe, die durch das Fasten mobilisiert und zur Ausscheidung gebracht | |
werden. „Die Bühne freischaufeln“ nennt das die resolute, bodenständige | |
Christiane Stossier. | |
Warum aber läuft diese Regulierung vor allem über den Darm? „Eigentlich ist | |
das die Instanz, die uns am Leben erhält. Seine Leistungsfähigkeit | |
beeinflusst ganz entscheidend unsere Gesundheit“, erklärt Christiane | |
Stossier. „Abgesehen davon, dass man heute weiß, dass der Darm der | |
Hochsicherheitstrakt unseres Körpers ist. Immerhin sind 70 Prozent des | |
Immunsystems am Darm entlang stationiert.“ Nahrung sei nicht nur nährend, | |
sie könne auch toxisch sein – Bakterien, Keime. „Wir brauchen eine intakte | |
Abwehr, damit wir davon nicht überflutet werden.“ | |
Der Farmer aus Kenia, der hier seit zwei Wochen die Folgen einer | |
Chemotherapie kuriert, klagt an der Rezeption über anhaltende | |
Kopfschmerzen. Er möchte Kaffee. Frau Doktor Stossier rät ihm im | |
Vorbeigehen ab. „Das Kopfweh ist rein medizinisch betrachtet eine gewisse | |
Rückvergiftung. | |
Wenn wir mit salinischen Gewässern entgiften, lösen wir Ablagerungen im | |
Darm, ein Teil wird rückabsorbiert. Die Kopfschmerzen kommen dann zustande, | |
wenn die Ausscheidung mit dem Bittersalz nicht schnell genug erfolgt. So | |
gibt es eine gewisse Rückflutung in den Körper, und das bringt Schmerzen. | |
Trinken Sie viel Tee!“, rät sie dem gequälten Mann. Der ist sichtlich | |
enttäuscht. | |
## Eine Test wie Zaubertrick | |
Die Stossiers wenden zur Diagnose auch die Applied Kinesiology an, eine | |
funktionell neurologische Methode, die den manuellen Muskeltest benutzt, um | |
chemische, metabolische, allergisch/toxische, emotionale Störungen zu | |
diagnostizieren und zu behandeln. Ein Test, der wie ein Zaubertrick | |
daherkommt. | |
„Ich bin bei meinem Medizinstudium frühzeitig in Kontakt gekommen mit | |
Homöopathen, das war damals noch was Exotisches“, sagt Christiane Stossier. | |
„Da hat man sich fast als Alien geoutet, aber meine Praktika als | |
Schulmedizinerin haben mich bestärkt. Ich hatte oft den Eindruck, diese | |
Medizin greife einfach zu kurz.“ | |
Auch wenn die Schulmedizin die Bildung von Schlacken und damit die | |
Entschlackung bestreitet, die Abstimmung mit den Füßen hat längst | |
stattgefunden. Alternative Kuransätze wie die Viva-Mayr-Kur sind in der | |
oberen Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie bringen – nach einem | |
steinigen Weg des Entgiftens, Hungerns und Ruhens – neue Energie, machen | |
lebendiger, frischer, schöner. Ob es daran liegt, dass man daran glaubt | |
oder weil man dafür viel bezahlt hat oder aufgrund der durchschlagenden | |
Prinzipien – die Wirkung zählt. | |
Die Aussage der Schulmedizin, es gebe keine Schlacken, kennt die | |
Medizinerin Christiane Stossier: „Das ist zum Teil eine Frage, wie diese | |
Dinge nachweisbar und messbar sind. Man muss die Schulmedizin von der | |
Alternativmedizin unterscheiden. In der Alternativmedizin gehen alle | |
Methoden in Richtung Regulation, und die sind langwierig.“ Am Ende des | |
Tages benötige sie oft einen Facharzt, um eine andere Meinung zu hören, um | |
irgendwelche therapeutischen Möglichkeiten auszuloten. „Für mich ist das | |
immer ein Miteinander und kein Gegeneinander.“ | |
## Kauen, kauen, kauen | |
Es gebe durchaus Studien, die die Wirkung der Präventionsmedizin belegen: | |
„Ich bin froh, in dem Jahrhundert der Schulmedizin zu leben. Aber was die | |
Regulation im Körper anbelangt, schneiden die sogenannten regulativen | |
Medizinen besser ab“, sagt die Ärztin. | |
Ein Grundprinzip der Viva-Mayr-Medizin: Kauen, kauen, kauen. Einen Bissen | |
mindestens 30-mal. „Wir sind Schnellesser. Es ist immer noch ein tief | |
verwurzelter Glaubenssatz: So wie du isst, so arbeitest du auch. Wenn Sie | |
ein Toplebensmittel nicht kauen und damit nicht die mechanische | |
Aufbereitung für die chemische Rezeption gewährleisten, dann hilft Ihnen | |
das gar nicht. Es wird nicht richtig absorbiert. Die Esskultur ist | |
letztlich das Wichtigste.“ Das kann nicht falsch sein. | |
3 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Reiseland Österreich | |
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