# taz.de -- Flucht: Behörde spaltet Familie | |
> Die kosovarische Familie Nuhi soll Deutschland verlassen. Wegen seiner | |
> guten schulischen Leistungen darf der ältere Sohn noch bleiben – mit | |
> einem Elternteil. | |
Bild: In einem Flugzeug wie diesem könnte demnächst nur die eine Hälfte der … | |
Will er die Mutter oder den Vater retten? Vor diese Entscheidung stellt die | |
Berliner Ausländerbehörde einen 15-Jährigen. | |
Elmen Nuhis Familie soll Deutschland verlassen und nach Serbien | |
zurückkehren, von wo sie geflüchtet ist. Jetzt hat die Ausländerbehörde | |
entschieden, dass der Junge noch ein Jahr in Berlin bleiben darf, um die | |
Schule abzuschließen. Elmen ist ein guter Schüler, er träumt davon, | |
Informatik zu studieren. Weil er minderjährig ist, darf ein Elternteil mit | |
ihm hierbleiben. Bis Donnerstag soll der Zehntklässler entscheiden, ob das | |
sein Vater oder seine Mutter ist – so die Auflage der Ausländerbehörde. Die | |
Anwältin der Familie will diese Entscheidung nicht hinnehmen. | |
Die Nuhis stammen aus dem Kosovo, wo sie der Minderheit der Goranen | |
angehören. Die Volksgruppe hat nur 18.000 Angehörige, 6.000 davon sind laut | |
UNHCR während und nach dem Kosovokrieg geflohen. Viele bekamen Asyl in | |
Europa, auch zwei Brüder von Elmens Mutter leben als Asylberechtigte in | |
Deutschland und Österreich. Der Asylantrag der Nuhis wurde jedoch aus | |
formalen Gründen abgelehnt. | |
Elmens Vater Sadat Nuhi sagt: „Ich war serbischer Verkehrspolizist und | |
musste darum nach dem Ende des Kosovokrieges meine Heimat verlassen. Die | |
Albaner beschlagnahmten unser Haus und unser Auto und schworen unserer | |
Familie Blutrache, weil ich Polizist war.“ Im Kosovo kommt das einem | |
Todesurteil gleich. Sadat Nuhi spricht gut Deutsch, er hat in Berlin einen | |
Integrationskurs besucht und ehrenamtlich als Hausmeister in einer Kirche | |
gearbeitet. | |
## Schikane auch in Serbien | |
Auch in Serbien, wohin die Familie zuerst geflohen war, seien sie so | |
schikaniert worden, „dass wir es nicht mehr ausgehalten haben“, erzählt | |
Nuhi weiter. Weil die Goranen albanische Familiennamen tragen, werden sie | |
von den Serben als Albaner wahrgenommen. „Mit dem Namen Nuhi durfte ich | |
nicht mehr als Polizist arbeiten. Mein Sohn bekam Probleme in der Schule.“ | |
In Berlin hat die Familie sich quasi mustergültig integriert. Die Mutter, | |
die ein Praktikum als Altenpflegerin absolvierte, hat ein Arbeitsangebot. | |
Sollten die Behörden ihr erlauben zu bleiben und zu arbeiten, kann sie | |
sofort beginnen. Die beiden Söhne sind gute Schüler, Elmens jüngerer Bruder | |
ist Klassensprecher in einer Spandauer Grundschule. Das alles nutzte | |
nichts: Innensenator Frank Henkel (CDU) und anschließend der | |
Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses lehnten einen Antrag auf | |
humanitäres Bleiberecht ab. Eine Kirchengemeinde in Tempelhof-Schöneberg | |
nahm die Familie auf. Ein Kirchenasyl, das wahrscheinlich ihre einzige | |
Rettung wäre, ist das aber noch nicht – der Gemeindekirchenrat hat darüber | |
noch nicht entschieden. | |
Vater Sadat Nuhi ist nach seinen Erfahrungen im früheren Jugoslawien stark | |
suizidgefährdet, in Berlin wurde er mehrmals psychiatrisch behandelt. | |
Ausländerbehörde und Gerichte interessierte das nicht. Die finden es | |
ausreichend, ihn während der Abschiebung mit Medikamenten ruhig zu stellen. | |
Ellen Apitz, die Anwältin der Nuhis, ist empört: „Ich schätze die | |
humanitäre Entscheidung, dem Jungen hier den Realschulabschluss zu | |
ermöglichen. Aber es ist zutiefst inhuman, den suizidgefährdeten Vater von | |
seiner Ehefrau zu trennen.“ Apitz verweist darauf, dass die Familie kaum | |
öffentliche Mittel benötige, wenn die Frau das Arbeitsangebot annehme. „Mit | |
einem Bleiberecht würde der Vater psychisch stabilisiert und wäre dann auch | |
arbeitsfähig. Ich appelliere an die Ausländerbehörde, Augenmaß walten zu | |
lassen.“ | |
5 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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