# taz.de -- Nach dem Streik: Schlangestehen an der Schleuse | |
> Stop and Go auf der Weser: Nach einem mehrtägigen Streik hat die | |
> Hemelinger Schleuse wieder ihren Betrieb aufgenommen. Der | |
> Binnenschiffer-Chef ist sauer. | |
Bild: Ohne Wärter keine Schleusung: Die Spitze des Staus in Hemelingen. | |
Gestern um fünf Uhr früh warf das erste Binnenschiff wieder seinen Diesel | |
an. Nach einer dreitägigen unfreiwilligen Pause vor dem Weserwehr wurde der | |
Schleusenbetrieb wieder aufgenommen, das Personal hat den Streik – vorerst | |
– beendet. | |
Der Stau löst sich nur langsam: Schon in der Kurve zum Weserstadion lagen | |
die Schiffe am Ufer fest, unter der Erdbeerbrücke stauten sie sich dann zu | |
Dreier- und Viererreihen. Kohlefrachter, Schrottis, Stück- und | |
Schüttguttransporter hatten sich miteinander vertäut – und warteten auf | |
eine Einigung zwischen der Gewerkschaft Ver.di und den diversen zuständigen | |
Bundesministerien. Die Weser als Bundeswasserstraße liegt, samt aller | |
technischen Anlagen, in der Zuständigkeit von Verkehrsminister Peter | |
Ramsauer, die Tariffragen hingegen in der des Bundesinnenministers – ein | |
komplexes Zuständigkeitsgeflecht, an dem noch weitere Ministerien beteiligt | |
sind. | |
Die in Hemelingen wartenden Binnenschiffer nehmen es offenbar eher | |
gelassen. „Jeder Tach kost‘ Geld“, brummelt zwar einer, der in der ersten | |
Reihe am Ufer „parkt“ – was ihn aber nicht allzu sehr zu kratzen scheint. | |
Ungerührt putzt er weiter an seinem Auto herum, das fest vertäut hinter dem | |
Kabinenhäuschen steht. | |
Ver.di begründet den Streik mit Ramsauers Strukturreformplänen. Der | |
Minister im fernen Berlin will beispielsweise Schleusen automatisieren – | |
aber das ist ein Schicksal, das den Hemelinger Schleusenwärtern keineswegs | |
blüht. Im Gegenteil: Hemelingen ist selbst eine Fernsteuerzentrale, von der | |
aus die Oldenburger Küstenkanalschleuse bedient wird. Dort vor Ort ist | |
lediglich noch der „Abgabenerheber“, wie die Kassierer bei der Wasser- und | |
Schifffahrtsvewaltung (WSV) betitelt sind. Weseraufwärts sind ohnehin schon | |
die KollegInnen aus Minden zuständig, die von dort aus zentral die | |
Schleusen steuern. | |
„Wir brauchen eine tarifliche Absicherung der Strukturreform“, betont | |
Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk nichtsdestoweniger. Betriebsbedingte | |
Kündigungen müssten ausgeschlossen werden, Versetzungen „quer durch die | |
Republik“ ebenfalls. Nach Angaben von Ver.di sind bundesweit ein Viertel | |
der 12.000 WSV-Arbeitsplätze gefährdet. | |
Das Bremer Wasser- und Schifffahrtsamt hat 300 MitarbeiterInnen – von denen | |
wiederum nur vier in der Schleusensteuerung arbeiten, zuzüglich von noch | |
mal so vielen AbgabenerheberInnen. Die Bremerhavener Kaiserschleuse und die | |
Schleuse am stadtbremischen Industriehafen liegen nicht in der | |
Zuständigkeit der WSV-Leute, da sie dem Land gehören. Bei ihrem jetzt zu | |
Ende gegangenen Streik hatten die Bundesschleuser im Übrigen Glück: „Es | |
stand kein zur Schleusenbedienung autorisierter Beamter zur Verfügung“, | |
erklärt die für Bremen zuständige Ver.di-Sekretärin Sigrid Leidereiter. | |
Nicht immer seien die Dienstpläne dem ununterbrochenen Streikverlauf so | |
hold. | |
Die Binnenschiffer hätten gegen so eine amtliche Beamtenschleusung nichts | |
einzuwenden gehabt: „Unbeteiligte werden in eine Art Geiselhaft genommen“, | |
schimpft Georg Hötte, Deutschlands oberster Binnenschiffer. Seine | |
Berufsorganisation, der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt | |
(BDB), forderte bereits im Juli, als die WSV-Mitarbeiter auch schon die | |
Arbeit niedergelegt hatten, die Überarbeitung des Streikrechts. Die | |
Gewerkschaft entscheide „in Gutsherrenart“, ob und wann Transportaufträge | |
noch durchgeführt werden könnten. Der Schaden und das Image „bei der | |
verladenden Wirtschaft“ sei enorm. In der Tat ist die wirtschaftliche | |
Bedeutung auch der Hemelinger Schleuse nicht zu unterschätzen: 2003, sagt | |
der Bremer Amtsnautiker Andreas Kahnwald, seien hier noch 5.318 | |
Binnenschiffe mit einer Fracht von 3,09 Millionen Tonnen geschleust worden, | |
im vergangenen Jahr schon 7.029 Schiffe mit 3,8 Millionen Tonnen. | |
„Wir kündigen die Streiks so rechtzeitig an, dass sich die Binnenschiffer | |
darauf einstellen können“, hält Ver.di-Mann Jurczyk dagegen. Das sei ein | |
Zugeständnis – und innerhalb der Gewerkschaft durchaus umstritten, da es | |
die die Streikwirkung mindere. „Wir wollen die Binnenschiffer nicht | |
treffen“, beteuert Jurczyk, „aber wir kommen nicht an ihnen vorbei.“ Aus | |
deren Sicht stellt sich der Sachverhalt – und wer nicht an wem vorbeikommt | |
– freilich eher umgekehrt dar. Bis um fünf Uhr in der Frühe: Da war die | |
Welt der Binnenschiffer wieder in Ordnung. | |
8 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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